Warum es nur eine Warnung gab
Im Urteil der Rennleitung heißt es, dass Verstappen tatsächlich Recht habe und es in der Vergangenheit bereits zu derartigen Vorfällen gekommen sei, die nicht geahndet worden seien, sodass sie lediglich eine Verwarnung aussprechen.
Aber: Die Sportkommissare betonen auch, dass es künftig „erhebliche Strafen“ geben wird, wenn es wieder vorkommt, dass jemand nach der Zieldurchfahrt unter Gelb überholt. Hier das Urteil im Wortlaut:
„Der Fahrer überholte nach der Zielflagge andere Autos, aber während nach dem Unfall in Kurve 2 noch ein VSC angezeigt wurde. Der Fahrer wurde daran erinnert, dass Überholen nach der Zielflagge zwar nicht ungewöhnlich ist, im Falle von Gelbphasen, Safety-Car- oder virtuellen Safety-Car-Verfahren jedoch verboten ist.“
„Die Fahrer wussten zwar, wo sich der Unfall ereignet hatte, konnten jedoch nicht wissen, ob Einsatzkräfte oder Streckenposten auf die Strecke geschickt wurden. Sie mussten daher mit Vorsicht vorgehen.“
„Den Rennkommissaren ist bekannt, dass dies in dieser Saison bereits früher passiert ist und damals nicht bemerkt wurde. Wir verwarnen daher den betreffenden Fahrer sowie alle anderen Teilnehmer. Weitere Verstöße können erhebliche Strafen nach sich ziehen.“
Das Urteil fällt für alle vier Fahrer identisch aus.
Wie Nico Hülkenberg in Baku den 8. Platz verlor
Dass Nico Hülkenberg am Ende des Rennens zwei Plätze verlor, wurde bereits angesprochen. Doch schon vorher verlor er unnötigerweise eine weitere Position an Franco Colapinto.
„Ich glaube, ich habe die Mauer berührt“, funkte Hülkenberg am Ende der 48. Runde. Zu diesem Zeitpunkt hatte er noch rund 2,5 Sekunden Vorsprung auf Colapinto, und tatsächlich war er eingangs von Kurve 15 zu weit rechts und streifte die Leitplanke.
Die ganze Geschichte findet ihr hier!
Verwarnung für Verstappen
Und die endgültigen Urteile sind da: Verstappen und die anderen Fahrer kommen mit einer Verwarnung davon. Mehr von uns in Kürze!
Geldstrafe für McLaren
Es war abzusehen und wir hatten es bereits angekündigt: McLaren kommt mit einer Geldstrafe davon. 5.000 Euro müssen sie zahlen, weil sich Teammitglieder bereits vor Rennende auf den Weg zum Parc Fermé gemacht hatten.
Die Rennleitung räumte zwar ein, dass so etwas „nicht ungewöhnlich“ sei. Allerdings hatten andere Teams heute erst kurz vor Rennende Boxenstopps eingelegt, weshalb die Situation potenziell gefährlich war.
Hier das Urteil im Wortlaut:
„Obwohl es nicht ungewöhnlich ist, dass sich Teampersonal vor Rennende in Richtung Parc Fermé begibt, hatte McLaren Teammitglieder und Ausrüstung in der Boxengasse, während andere Teams noch in der Box waren, und schuf so eine potenziell unsichere Situation.“
Keine Strafe für Sainz und Perez
Das erste Urteil ist da: Eine weitere Strafe für den Crash von Sainz-Perez wird es nicht geben. Die Rennleitung stellt fest, dass kein Fahrer die Hauptschuld an dem Rennunfall trägt. Hier das vollständige Urteil:
„Sainz und Perez berührten sich und stürzten kurz nach Kurve 2 in Runde 50. Dies ist eine Situation, in der eine kleine Berührung erhebliche Folgen hatte. Die Rennleitung hat untersucht, wie es zu dem Vorfall kam, nicht welche Folgen er hatte.“
„Sainz überholte Perez nach Kurve 1 und lag am Scheitelpunkt von Kurve 2 komplett vorn. Als Sainz die Kurve nicht richtig verließ, zog Perez innen an Sainz vorbei. Sainz berichtete, dass er Perez innen bemerkt hatte. Perez war etwas dahinter und konnte die relative Position der Autos besser erkennen. Aber als die beiden Autos sich am Ausgang von Kurve 2 der rechten Mauer näherten, waren sie etwa 1 m voneinander entfernt.“
„Von diesem Zeitpunkt an und während des gesamten Vorfalls lenkte keiner der Fahrer unregelmäßig, und tatsächlich hielten beide ihre Lenkung sehr neutral.“
„Die Rennkommissare haben in den vorangegangenen Runden die Fahrlinie der Fahrer überprüft. Sainz war auf oder nahe seiner normalen Rennlinie, die einen leichten Winkel von der rechten Wand weg bildet. Vom Ausgang bis zum Kontaktpunkt bewegte er sich ungefähr eine Wagenbreite weiter von der Wand weg. Perez bewegte sich ungefähr eine halbe Wagenbreite weiter von derselben Wand weg und war paralleler zur rechten Wand.“
„Es war also offensichtlich, dass Sainz, obwohl er vorne lag und das Recht hatte, seine Linie zu fahren, leicht auf ein Auto zusteuerte, das er nur eingeschränkt sehen konnte. Gleichzeitig war an Perez‘ Linie nichts Ungewöhnliches, aber er hätte „mehr tun können, um dem Auto auszuweichen, das er besser im Blick hatte.“
„Zusammenfassend erklären die Rennkommissare, dass es sich um einen Rennunfall handelt, bei dem keiner der Fahrer die Hauptschuld trägt, und ergreifen keine weiteren Maßnahmen.“
Colapinto: „Die Reifen sind plötzlich aufgewacht“
In seinem erst zweiten Formel-1-Rennen fuhr der Argentinier heute als Achter in die Punkteränge. „Ein Traum ist wahr geworden“, freute sich der 21-Jährige. Ein Grund für seine starke Schlussoffensive waren die Reifen, die plötzlich wieder besser funktionierten und dem Youngster den nötigen Grip boten.
„Die erste Rennhälfte war sehr schwierig. Wir hatten Reifenprobleme. Im ersten Stint kam ich mit den Mediums gut zurecht, allerdings war es sehr warm, was die Reifen stark beansprucht hat. Trotzdem haben wir im ersten Stint einen guten Job gemacht“, betont er.
Allerdings fehlte Colapinto schlicht die Erfahrung, um zu beurteilen, ob er bis ans Limit gehen kann oder ob er besser auf seine Reifen aufpassen muss. Seine kompletten Statements findet ihr hier!
Tsunoda ärgert sich über Stroll
Der Japaner sah heute nicht die Zielflagge, da er bereits in der ersten Runde mit Lance Stroll in Berührung kam. Dabei wurde sein Unterboden beschädigt, die Rennleitung griff jedoch nicht ein.
„Es ist sehr frustrierend, dass das jetzt zwei Rennen hintereinander passiert ist“, ärgerte er sich. Schon in Monza hatte er nach einem Crash mit Nico Hülkenberg aufgeben müssen.
Über Stroll sagte er: „Es fühlte sich wie ein unnötiges Manöver von ihm an. Er griff mit einer Herangehensweise an, als gäbe es nichts zu verlieren. Ich bin nicht sicher, was er zu gewinnen hatte, aber ich wollte es ihm nicht leicht machen“, so Tsunoda.
Auch Teamkollege Daniel Ricciardo fuhr das gesamte Rennen außerhalb der Punkteränge und landete auf Platz 13.
Hamilton: Hatte noch nie eine so schlechte Balance
Der Rekordchampion wurde Neunter und hätte ohne den Crash von Sainz-Perez keine Punkte geholt. „Das war wahrscheinlich die schlechteste Bilanz, die ich je hatte“, berichtet er.
„Ich hatte so viel Vorne und kein Hinten“, zuckt er mit den Schultern und erklärt: „So fährt es sich nicht.“ Schon während des Rennens hatte er sich am Funk darüber beschwert.
„Ich musste an der Lenkung reißen, um die Bodenhaftung an der Vorderachse zu unterbrechen und durch jede Kurve zu schlittern. Das war die seltsamste Art zu fahren“, sagt er.
Auch das schlechte Ergebnis kam nicht überraschend, denn: „Ich wusste, dass wir heute nicht überholen können. Es ist eine dieser Strecken …“
Das Überholmanöver zum Sieg…
… könnt ihr es hier auch noch einmal aus dem Onboard der beiden Piloten im Video sehen:
Hätte der VSC früher kommen sollen?
Diese Frage stellen sich mehrere Fahrer. Nach dem Crash von Sainz und Perez dauerte es ziemlich lange, bis das Rennen „eingefroren“ wurde. George Russell findet es „ziemlich verrückt“, dass die Fahrer durch all die Trümmer fahren durften.
„Man hat nichts gesehen. Ich war geschockt, dass das Safety Car oder das VSC nicht früher rausgekommen sind“, sagte der Mercedes-Pilot. Und Nico Hülkenberg verlor dadurch sogar zwei Positionen.
Er sagt bei ServusTV: „Es war ein gutes Rennen, es sah vielversprechend aus. (…) Und dann ist in den letzten beiden Runden einiges schiefgelaufen. Es sind einige Sachen passiert, darauf will ich jetzt nicht im Detail eingehen.“
Was er wohl meint: Er fuhr durch die Trümmer und verlor dadurch zwei Positionen – und fiel so von P9 auf P11 und damit aus den Punkterängen zurück.
Verstappen versteht Untersuchung nicht
„Ich habe alles richtig gemacht“, betont der Weltmeister und führt aus, dass es in der Vergangenheit „viele Beispiele“ gegeben habe, bei denen Fahrer auf der Inlap überholt hätten – trotz VSC oder Safety Car.
Es sei völlig normal, „langsam“ an anderen Autos vorbeizufahren oder sich beispielsweise gegenseitig zu gratulieren. Damit habe es noch nie ein Problem gegeben. „Deswegen überrascht es mich schon ein bisschen“, sagte Verstappen.
Es ist daher durchaus möglich, dass die Rennleitung die Untersuchungen an diesem Wochenende bewusst eingeleitet hat, um darauf aufmerksam zu machen, dass dies eigentlich verboten ist.
In der Vergangenheit kam es immer wieder vor, dass Dinge geduldet wurden, die eigentlich nicht erlaubt waren – bis es den Rennkommissaren irgendwann zu viel wurde.
Das Überholmanöver zum Sieg…
… gibt es jetzt hier nochmal im Video. Ein ganz starker Move von Piastri, vor allem weil er Leclerc danach keinen Konter mehr zuließ.
Horner: Perez hätte gewinnen können
Der Red Bull-Teamchef erklärt Himmeldass sich die rennenentscheidende Szene für den Mexikaner bereits vor dem Unfall abgespielt hatte, als ihn Lando Norris kurzzeitig aufhielt.
„Er hat hinter Lando wertvolle Zeit verloren, wodurch Oscar die Position auf der Strecke verlor. Ich glaube, er hätte das Rennen heute gewonnen, wenn das nicht passiert wäre“, sagte Horner.
Nach seinem Boxenstopp kehrte Piastri knapp vor Perez auf die Strecke zurück. „Er hätte viel mehr verdient“, betonte Horner und erklärte, der Crash mit Sainz sei „sehr enttäuschend“ gewesen.
„Er hätte heute zumindest auf dem Podium stehen müssen“, betont er.
Der Unfall zwischen Perez und Sainz …
… gibt es hier auch noch einmal im kompletten Video:
Sainz: „Ich habe nichts Unfaires getan“
Gegen Perez und Sainz laufen noch Ermittlungen. Der Spanier selbst sagt, es habe sich um einen „schweren Unfall“ gehandelt. „Ich bin leider direkt gegen die Leitplanke und die Betonmauer gekracht“, berichtet er.
„Ich war hinter Charles und Checo ziemlich schnell und habe außerdem meine Reifen geschont. Ich habe Checo überholt, als er mit Charles kämpfte. Und dann kamen wir aus Kurve 2.“
„Ich bin meine normale Rennlinie gefahren, habe keine komischen Manöver gemacht oder so. Und aus irgendeinem Grund, den ich immer noch nicht verstehe, sind wir kollidiert“, grübelt Sainz.
„Ich glaube, er hatte auf der linken Seite viel Platz. Ich habe keine komischen Bewegungen gemacht, aber so ist das nun einmal im Rennsport“, zuckt er die Achseln und betont: „Charles vor mir bewegt sich auch nach links. Ich folge natürlich einfach seinem Windschatten.“
Ermittlungen auch gegen Hülkenberg
Wir haben mittlerweile die FIA-Unterlagen zu allen Untersuchungen. Und auch gegen Nico Hülkenberg wird ermittelt, auch hier geht es um einen möglichen VSC-Verstoß. Genau wie bei Verstappen und den Alpine-Fahrern.
Alle vier Piloten müssen sich gemeinsam um 16:15 Uhr unserer Zeit bei der Rennleitung melden. Für alle gilt:
„Angeblicher Verstoß gegen Artikel 12.2.1 h) des Internationalen Sportgesetzes und/oder Artikel 56.6 des sportlichen Reglements der FIA Formel 1 – Überholen unter virtuellen Safety-Car-Bedingungen nach der Zielflagge.“
Konkret bedeutet dies, dass auch nach der Zieldurchfahrt noch überholt werden durfte – obwohl das VSC offiziell noch im Einsatz war. Überholen war also auch nach Rennende weiterhin verboten.
Wolff: Ferrari und McLaren „zu weit weg“
Mercedes hatte Glück, auf dem Podium zu landen. „Nein“, antwortet Teamchef Toto Wolff bei Himmel War er also ehrlich, als er gefragt wurde, ob er heute mit einem Top-3-Ergebnis gerechnet hatte?
„Es geht nur um das Reifenmanagement und (…) wie man das Rennen managt. Und natürlich war das Tempo von Piastri und Leclerc viel zu weit von uns entfernt, weil sie den Reifen total ruiniert haben und trotzdem noch schnell waren. Das können wir uns nicht leisten“, erklärt er.
Schließlich habe es „eine Menge zu lernen und hoffentlich in Singapur anzuwenden“ gegeben. Für Hamilton sei das Rennen aus der Boxengasse auch „ein zusätzliches Experiment“ gewesen, „und es hat sich definitiv gelohnt“, sagte Wolff.
Unterm Strich bleibt also: ein glücklicher dritter Platz und viele wichtige Daten für die Zukunft.