Mit „Twilight“ und „Vampire Diaries“ ist das Vampir-Motiv wie kein anderes Teil der nicht mehr infrage kommenden Popkultur der Generation Z und Millennials. Eineinhalb Jahrzehnte später präsentiert ZDFneo mit dem Achtteiler „Love Sucks“ eine Interpretation. Sie macht im altbewährten Bereich der Vampirerzählungen vieles richtig und verfehlt dennoch das große Ziel.
Zelda (Havana Joy) ist eine Profiboxerin, die mit ihrem Bruder und Vater (Stipe Erceg) auf dem Jahrmarkt arbeitet, als sie Ben von Greifenstein (Damian Hardung) zum ersten Mal trifft. Eine Liebe auf den ersten Blick, die ein kleines Problem mit sich bringt: Ben kann nicht von Luft und Liebe leben, sondern braucht Blut. Ben ist ein echter Vampir mitten in Frankfurt.
Viel mehr passiert nicht – das unmögliche Paar kämpft gegen den Vampirhass seiner Familie und die Unbarmherzigkeit seiner Familie, uralte Fragen nach der Entscheidung zwischen (im wahrsten Sinne des Wortes) Blutsverwandtschaft und Liebe tauchen auf, und am Ende gibt es sie eine Tragödie.
Chefautor Marc O. Seng schafft es auf jeden Fall, ein paar originelle Wendungen hinzuzufügen: Wie jede gute, unmögliche Liebe wird die Liebesgeschichte zum Klassendrama: Sie ist nicht nur sterblich, sondern auch arm, er ist nicht nur unsterblich, sondern kommt aus einem Guten Familie.
„Liebe ist scheiße“Acht Folgen, ab 31. Oktober um 20:15 Uhr auf ZDFneo, danach täglich neue Folgen
Der szenische Zwiespalt zwischen den noblen Mauern und alten Luxusautos der von Greifensteins – die ursprünglich ihr Blut von der Fake-Stiftung „New Dawn“ beziehen – einerseits und den Karnevalskarawanen von Zeldas Familie andererseits strukturiert die Serie.
Geschlechtsspezifischer Vampir
Eine wahre Freude ist auch eine geschlechtsspezifische Interpretation der männlichen Vampir-Ästhetik: Ben lebt sein Vampirleben mit lackierten Fingernägeln, Ohrringen und Stiefeln. Im Vergleich zum verklemmten „Twilight“-Universum mit seinen frauenfeindlichen Sexualmoral ist hier ein Sinnlichkeitsparadigma in das Vampiruniversum eingewoben, das dem der amerikanischen Welt weit voraus ist; Blut, Techno und Lust werden auf ästhetisch anspruchsvolle Weise miteinander verwoben.
Szenen, in denen Ben seine inzwischen betagte erste Frau auf dem Sterbebett küsst, brechen auf ebenso überraschende wie logische Weise mit Genrekonventionen der ewig jungen Weiblichkeit des menschlichen Liebesinteresses – wenn eine Seite einer Liebe unsterblich ist, bringt das seine eigenen Probleme.
Besonders erfreulich für die Serie ist die Besetzung der Brüder von Greifenstein: Damian Hardung, junger deutscher Star der Serienlandschaft und zuletzt durch „Maxton Hall“ international bekannt, und Rick Okon, bekannt als Kommissar vom Dortmunder Tatort, glänzen mit hellhäutiger, rotlippiger Vampir-Melancholie.
Bei allem Lob für neue Ideen im inzwischen völlig überstrapazierten Vampir-Universum hätte das junge Publikum dennoch auf ein bisschen mehr vertrauen können: Diese große Liebe kommt etwas zu glatt rüber, reale potenzielle Konfliktlinien mögen das Eines, von dem Ben beiläufig erklärt, dass er es niemals schaffen könne, eine Familie zu gründen, verschwindet im Nichts.
Stattdessen heiraten sie im Handumdrehen und verfallen wieder etwas zu sehr in die Twilight-Logik. Eine ambivalentere Sicht auf die Beziehung hätte sich ebenso gelohnt wie ein Ende, das nicht alle Angehörigen am Grab in Shakespeare-Manier versöhnte. Originelle Ansätze hätten mit mehr Mut zu echten Mehrdeutigkeiten führen können – „Love Sucks“ steckt also noch in den vielversprechenden Kinderschuhen.
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