Wenn Fehler bei einer Corona-Impfung schwerwiegende Folgen haben, fordern Geschädigte vor Gericht häufig Schadensersatz. Doch gegen wen können sie ihre Ansprüche richten? Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) muss der impfende Arzt vor Gericht nicht persönlich für einen durch die Impfung entstandenen Schaden einstehen. Das Gericht befand jedoch, dass eine sogenannte Amtshaftung des Staates in Betracht gezogen werden könne.
Im konkreten Fall verklagte ein Mann seinen Arzt, weil bei ihm kurz nach der Impfung gegen das Coronavirus Ende 2021 eine Herzerkrankung diagnostiziert worden war. Er sagt, die Impfung sei falsch verabreicht worden und er sei nicht ausreichend aufgeklärt worden. Durch die Folgen kann er seiner Arbeit nicht mehr nachgehen und ist zudem psychisch stark beeinträchtigt. Vor Gericht forderte er unter anderem ein Schmerzensgeld von mindestens 800.000 Euro.
Der Patient hatte mit seiner Klage vor den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Landgericht Dortmund und das Oberlandesgericht Hamm entschieden, dass der Arzt bei der Verabreichung der Impfung eine hoheitliche Aufgabe übernommen und haftungsrechtlich als Beamter gehandelt habe. Für mögliche Impfschäden müsse daher nicht sie persönlich haften, sondern der Staat.
Auch der BGH folgte dieser Auffassung. Der dritte Zivilsenat in Karlsruhe entschied, dass die Verantwortung für etwaige Informations- oder Behandlungsfehler bei der Corona-Impfung beim Staat liege. Entsprechende Klagen von Geschädigten müssten sich daher gegen den Bund oder die Länder richten – nicht jedoch gegen die impfenden Ärzte persönlich. Die Berufung des Klägers wurde zurückgewiesen. (Ref. III ZR 180/24)
Das Grundgesetz besagt, dass für die Verletzung von Pflichten in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes der Staat die Verantwortung übernimmt. Dies nennt man Amtshaftung. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfasst diese Haftungsregelung nicht nur Beamte des öffentlichen Dienstes wie Beamte, Soldaten oder Richter, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch Privatpersonen – wie hier die impfenden Ärzte.
Die Klägerseite hatte argumentiert, dass private Ärzte im Gegensatz zu staatlichen Impfzentren nicht vom Staat mit der Impfung beauftragt würden. Der Staat hat lediglich die Rahmenbedingungen geschaffen. Allerdings hatten Ärzte stets die Freiheit, Patienten bei individuellen Risiken nicht zu impfen. Sie waren kein „Werkzeug“ des Staates und mussten daher für etwaige Schäden selbst haften.
Zum Zeitpunkt der Impfung habe es ein großes gesellschaftliches Interesse an einer hohen Impfquote gegeben, antwortete der Anwalt des beklagten Arztes in Karlsruhe. Um dieses Ziel zu erreichen, seien möglichst viele impfende Ärzte nötig. Etwaige Schäden im Einzelfall müssen daher auch von der Gesellschaft – also dem Staat – getragen werden.
Der Kläger in Karlsruhe sagte, in dem Verfahren gehe es vor allem um die grundsätzliche Klärung der Frage, wer für etwaige Schäden durch Corona-Impfungen hafte. Für ihn ist die Entscheidung daher kein Rückschlag. Er erklärte nach der Ankündigung, dass er seinen Kampf im Namen aller Impfbetroffenen fortsetzen und nun den Staat verklagen wolle.
Was Patientenvertreter fordern
Ob die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers tatsächlich auf die Corona-Impfung zurückzuführen sind, wurde im Verfahren übrigens nicht geklärt. Grundsätzlich gehe es darum, „wer haftet, wenn“, betonte der Vorsitzende Richter Ulrich Herrmann in der Verhandlung.
„Mittlerweile ist klar, dass die alleinige Verantwortung für Impfschäden beim Staat liegt“, erklärte Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz. „Um den sozialen Frieden wiederherzustellen, muss der Bundesgesundheitsminister den Betroffenen eine möglichst unbürokratische Lösung anbieten“, fordert er. Die bereits vorhandenen Strukturen für Patienten sollen genutzt werden.
Mögliche Opfer von Behandlungsfehlern können sich an die zuständige Krankenkasse oder Landesärztekammer wenden. „Beide Institutionen prüfen dann den Sachverhalt und erstellen ein Gutachten“, sagte Brysch. „Wenn ein Zusammenhang zwischen Impfung und Schaden festgestellt wird, muss der Staat Schadensersatz leisten.“ Den Betroffenen würde ein jahrelanger, erschöpfender Rechtsstreit erspart bleiben.