Die Zeitschrift „The European“, die zur Mediengruppe von Kulturstaatsminister Wolfram Weimer gehört, soll ohne deren Wissen Texte von Politikern und Autoren veröffentlicht haben. AfD-Chefin Alice Weidel hat Anwälte eingeschaltet, doch die Veröffentlichung weist die Vorwürfe als unbegründet zurück.
Kulturstaatsminister Wolfram Weimer (parteilos) steht im Mittelpunkt einer Kontroverse um das Urheberrecht. Auslöser der Debatte war der Autor Alexander Wallasch, selbst ehemaliger Autor des Magazins „The European“, das zur „Weimer Media Group“ gehört. Auf seiner Online-Seite wirft Wallasch dem Magazin nun vor, Texte zahlreicher Autoren offenbar ohne deren Wissen veröffentlicht zu haben. Als prominentes Beispiel nannte er AfD-Chefin Alice Weidel, die tatsächlich in zahlreichen Texten der Online-Ausgabe von „The European“ vorkam.
Betroffen seien bereits an anderer Stelle erschienene Artikel sowie Reden des AfD-Parteichefs. Die Journalistin kam zu dem Schluss, dass dies zumindest den Eindruck erwecke, dass Weidel ihr Einverständnis für diese Zweitverwendung bzw. Wiederveröffentlichung gegeben habe. Weidel wurde sogar mit einer eigenen Profilseite als Autor identifiziert.
Wie ihr Sprecher jedoch gegenüber dem Portal „T-Online“ bestätigte, behauptet Weidel, davon nichts gewusst zu haben. „Frau Weidel war weder als Autorin für ‚The European‘ aktiv, noch wurde sie um Erlaubnis gebeten, sie als Autorin mit den entsprechenden Texten auf der Plattform zu veröffentlichen“, wird in einer Stellungnahme zitiert. Weiter heißt es, das Vorgehen der „Weimer Media Group“ sei „sehr unehrlich“ – und zugleich erstaunlich, da die Gruppe mit dem Slogan „Heimat für Qualitätsjournalismus“ wirbt. Alice Weidel lässt den Fall nun von einem Anwalt für Medienrecht prüfen; Sie behält sich außerdem das Recht vor, rechtliche Schritte einzuleiten.
Auch Alexander Dobrindt wurde als Autor aufgeführt – ohne sein Wissen
Das Magazin „The European“ bezeichnet sich selbst als Debattenportal und wirbt damit, „über 2.000 renommierte Autoren aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft“ zu haben. Sie wurde 2015 vom Journalisten Alexander Görlach gegründet und später von der „Weimer Media Group“ übernommen, deren Mitbegründer Wolfram Weimer ist. Seit seinem Wechsel in die Politik hat seine Frau das Sagen.
Weimer selbst war nie Chefredakteur von „The European“ und daher nicht für dessen Veröffentlichung verantwortlich. Von 2020 bis 2022 hatte der Journalist Stefan Groß diese Position inne, seit September 2025 ist Ansgar Graw (der zuvor auch für WELT schrieb) Herausgeber der Publikation. Ob er auch als Chefredakteur tätig ist, ist unklar.
Der AfD-Chef soll nicht der einzige Betroffene einer möglichen Urheberrechtsverletzung sein: Neben Alice Weidel soll auch Bundesminister Alexander Dobrindt (CSU) unwissentlich auf der umfangreichen Autorenliste von „The European“ gestanden haben – neben Papst Franziskus und Schauspieler Brad Pitt waren Medienberichten zufolge auch die BSW-Politikerin Sahra Wagenknecht und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck dort vertreten.
Auf die Frage von Alexander Wallasch nach einer möglichen Vergütung von „The European“ erklärte das Innenministerium: „Bundesminister Dobrindt ist nicht als Autor für ‚The European‘ tätig und hat daher von dort auch keine Vergütung erhalten.“ Es ist noch unklar, ob der Minister – möglicherweise vorher und als Parteipolitiker – dort wissentlich als Autor tätig war. Entsprechende Anfragen mehrerer Medien wurden bislang nicht beantwortet.
Mittlerweile melden sich im Internet immer mehr Menschen, die behaupten, sie wüssten nichts von ihren angeblichen Aktivitäten bei „The European“.
Unter ihnen ist der ehemalige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen: „Ich soll auch Autor bei The European gewesen sein. Er schrieb, dass er bereits eine Warnung verschickt habe.
In einem seiner Posts heißt es wörtlich: „Jetzt ist alles gesichert – mit Screenshots und PDF-Dateien und bei meinem Anwalt. Wir werden jetzt hart dagegen vorgehen. Irgendwann wird es wirklich reichen (…).“
Die Reaktion der Weimer Media Group
Die Pressestelle der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien lehnte auf Anfrage von WELT eine Stellungnahme zu den Vorgängen ab und verwies auf die „Weimer Mediengruppe“. Sie hat nun auf die Vorwürfe reagiert.
Einerseits, wie „Nius“ und „Apollo News“, aber auch Alexander Wallasch selbst berichten, seien Alice Weidels Texte – laut Wallasch waren es bis zu 100 – in der Online-Ausgabe von „The European“ inzwischen gelöscht, ebenso ihr Autorenprofil. Tatsächlich sind die betreffenden Seiten nicht mehr zugänglich.
Am Samstagabend veröffentlichte das Magazin eine Stellungnahme und wies die Vorwürfe zurück. Unter der Überschrift „Aufklärung zu den aktuellen Angriffen“ werden die Vorwürfe als „rechte Kampagne“ bezeichnet und als unbegründet zurückgewiesen. Wörtlich heißt es darin: „Der Europäer wird seit einigen Tagen von Rechtsextremisten angegriffen.“ Wer mit „rechtsextremistisch“ gemeint ist, wird nicht konkret genannt. Allerdings berichteten zunächst Portale wie „Nius“, „Apollo News“ und „Tichys Insight“.
„Gemeinsame Praxis“ – so erklärt sich „The European“.
Das Magazin bezeichnet sich zunächst als „kuratiertes Debattenportal“, das „Autoren aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Medien mit unterschiedlichen weltanschaulichen Perspektiven“ veröffentlicht.
Weiter heißt es: „Die dokumentarische Veröffentlichung von Reden von Politikern erfolgt stets im Rahmen der Urheberrechtsbeschränkungen und unter Quellenangabe kostenfrei. Dies geschah auch bei den Äußerungen von Frau Weidel aus den Jahren 2017 bis Anfang 2021. Sollte es in den Jahren, in denen die Quelle nicht genannt wurde, in Einzelfällen vorgekommen sein, so bedauern wir dies. Streitigkeiten oder Klagen wegen möglicher Urheberrechtsverletzungen gab es damals nicht und liegen der Aktualität nicht vor.“ Chefredakteur.“
Es wird außerdem darauf hingewiesen, dass es „übliche Praxis führender Tageszeitungen und anderer Publikationen“ sei, „Stellungnahmen von Politikern aller Parteien des Deutschen Bundestages sowie öffentlich zugängliche Redetexte unter Angabe der Quelle und unter Nennung des Namens des jeweiligen Politikers als Autor zu veröffentlichen“.
Tatsächlich hat WELT bereits historisch bedeutsame Reden und Äußerungen von Politikern – etwa von US-Präsident Donald Trump – in Originalton dokumentiert, beispielsweise seine Rede vor der UN. Auch „The European“ gab zu, Texte gelöscht zu haben. Es ist so formuliert: „Texte aus den Jahren vor dem großen ‚europäischen‘ Relaunch im Jahr 2021 wurden damals weitgehend gelöscht.“
Dennoch kursieren Rücktrittsforderungen
Ob und inwieweit Wolfram Weimer selbst von den Ereignissen bei „The European“ wusste, ist derzeit noch unklar. Eine persönliche Stellungnahme des 60-Jährigen gibt es nicht. Allerdings gibt es im Internet bereits Forderungen nach einem Rücktritt des Kulturstaatsministers.
Auch ein Zitat des Ministers wird in diesem Zusammenhang als unglücklich empfunden. Erst vor wenigen Tagen warf Wolfram Weimer in offizieller Funktion US-amerikanischen KI-Unternehmen „intellektuellen Vampirismus“ vor: „In vampiristischer Manier saugen die Unternehmen derzeit unzähligen klugen Köpfen das kreative Potenzial aus und nutzen deren Ideen und Gefühle, ihre Kreativität, ihre Visionen“, erklärte der Kulturstaatsminister in einer Rede auf der Frankfurter Buchmesse.
Zu den aktuellen Kritikern Wolfram Weimers gehört der ehemalige US-Botschafter Richard Grenell, der auch nach seiner Rückkehr in die USA ein aufmerksamer Beobachter der deutschen Politik blieb. Grenell hat das Vorgehen der EU gegen US-Internetkonzerne wie Google bereits mehrfach kritisiert – ebenso wie andere Protagonisten der Trump-Administration. Bezüglich des Falles Weimer veröffentlichte er einen Screenshot (in deutscher Sprache) auf
Der Autor Alexander Wallasch, der die Kontroverse auslöste, schrieb früher Kolumnen für „The European“. Seine Artikel erschienen auch in der „Süddeutschen Zeitung“, „Zeit“, „Tichys Einsicht“ und „Cicero“. Sein Blog „Alexander Wallasch“ wird in einigen Artikeln als „nah an der AfD“ kritisiert, eine Einschätzung, die Wallasch selbst zurückweist. Im Bayerischen Verfassungsschutz ab 2024 wird die Website im „Doppelgänger“-Bericht zu angeblichen russischen Desinformationskampagnen kurz erwähnt, als eines der Medien, die in diesen Kampagnen ohne Wissen der Autoren verbreitet werden.
krumm