Die Zahl der Flüchtlinge ist in den letzten Monaten zurückgegangen. Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass dies für viele Kommunen eine Entlastung bedeutet. Nur wenige befinden sich noch im „Notfallmodus“.
Es scheint, als wäre hier gestern noch Leben gewesen. Leere Betten stehen an den Wänden aufgereiht, die Badezimmer sauber und gebrauchsfertig. Im Speisesaal erzählen achtlos umgeworfene Stühle von dem Gedränge, das hier geherrscht haben muss, als die Stadt Ulm durch die vielen Flüchtlinge hoffnungslos überlastet war.
Beate Küsle ist für die Integration der Stadt Ulm zuständig. Sie geht durch die leerstehenden Räume der ehemaligen Universität in Ulm, die lange Zeit als Flüchtlingsunterkunft diente.
Der Blick zurück fällt Küsle sichtlich schwer. Rückblickend ist die Vorstellung, wie wenig Privatsphäre hier damals jeder hatte, besonders schwer zu ertragen. „Du hörst buchstäblich jeden Furz deines Nachbarn. In diesem Raum gibt es einen zentralen Lichtschalter, Licht an oder aus, für alle.“
Atempause aufgrund weniger Ankünfte
Alle Flüchtlinge der ehemaligen Universität wurden nun in Anschlussunterkünften untergebracht, wo sie mehr Privatsphäre und Platz haben. Für Küsle und die gesamte Stadtverwaltung ist es eine enorme Erleichterung.
Noch vor zwei Jahren schlug die Stadt Ulm Alarm und wollte keine Flüchtlinge mehr aufnehmen, weil sie sich an der Grenze ihrer Kapazitäten befand. Heute kämen deutlich weniger Menschen, sagt Küsle. Ungefähr zehn pro Monat statt 40 wie vor einem Jahr. „Ja, wir können aufatmen, weil das Tagesgeschäft weniger wird, aber gleichzeitig müssen wir an die Zukunft denken.“
Laut Beate Küsle kommt die Atempause genau zum richtigen Zeitpunkt. Es gilt, Genehmigungsfragen zu klären, Wohnungen zu suchen, Arbeitskräfte zu vermitteln und Sprachkurse zu organisieren. Alles, was eine erfolgreiche Integration braucht und was sie angesichts des rasanten Zustroms bisher nicht leisten konnten. Nun wollen sie dringend nachholen, was in Ulm zurückgeblieben ist.
Umfrage unter Kommunen zeigt Verbesserung
Mit dieser Erleichterung ist Ulm in Deutschland nicht allein. Das zeigt eine Umfrage der Universität Hildesheim und des Integrationsmediendienstes unter 4.678 Kommunen in ganz Deutschland. 894 Fragebögen wurden abschließend ausgewertet.
Demnach ist die Situation der Flüchtlingsunterbringung derzeit für rund 72 Prozent der Kommunen herausfordernd, aber noch machbar. Bei knapp 17 Prozent klappt es ohne größere Schwierigkeiten. 11 Prozent der Kommunen seien noch immer überlastet, die Umfrage beschrieb sie als „im Notbetrieb“.
Die Hälfte aller Kommunen gab zudem an, dass sich die Situation im vergangenen Jahr verbessert habe. Für 40 Prozent ist die Situation unverändert und 12 Prozent sehen eine Verschlechterung der Lage – trotz sinkender Einreisezahlen.
Einwanderungsbehörden am deutlichsten überlastet
Auch die Forscher der Universität Hildesheim haben ausgewertet, dass vor allem die Ausländerbehörden nach wie vor die größten Probleme haben. 44,5 Prozent der kommunalen Ausländerbehörden sind noch immer überlastet und im Notbetrieb, ebenso 27 Prozent der Jobcenter und Schulen.
„Die Herausforderungen der Integration scheinen hier länger und komplexer zu sein als bei der reinen Unterbringung“, schreiben die Universitätsforscher in ihrer Auswertung.
Viele Kommunen verfügen noch immer über keinen Notfallplan
Die Stadt Ulm behält die alte Universität als Notunterkunft für den Fall, dass sich die Situation erneut verschlimmert und die Zahl der Flüchtlinge erneut steigt. Rund 60 Prozent der Kommunen, die der Anfrage der Universität Hildesheim gefolgt sind, tun dies ähnlich und stellen Unterkünfte zur Verfügung, teilweise bis zu 1.000 Plätze pro Kommune.
35 Prozent scheinen keine Vorbereitungen zu treffen. „Das liegt wohl unter anderem daran, dass die Länder keine Kostenerstattung für nicht belegte Plätze erstatten“, heißt es in der Auswertung. Die Forscher warnen, dass Kommunen schnell wieder in den Notstandsmodus verfallen könnten, wenn die Flüchtlingszahlen wieder steigen.

