
Im Ringen um die Kanzlerkandidatur der Union zeigt sich die CSU unbeeindruckt von Berichten, wonach CDU-Chef Friedrich Merz eine schnelle Entscheidung zu seinen Gunsten anstrebe. „Solange nicht entschieden ist, ist nicht entschieden“, sagte der Fraktionsvorsitzende im bayerischen Landtag, Klaus Holetschek, am Sonntag. Süddeutsche ZeitungÄhnlich äußerte sich am Samstag auch Alexander Dobrindt, der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag. „Die Kanzlerkandidatur ist offen, solange sie nicht entschieden ist“, sagte Dobrindt der Funke Mediengruppe. Neben Merz hatte in den vergangenen Wochen auch CSU-Chef Markus Söder zunehmend Interesse an der Kandidatur signalisiert.
Laut einem Bericht von Bild am Sonntag Merz plant, sich zeitnah nach der Landtagswahl in Brandenburg am kommenden Sonntag als Kandidat bekannt geben zu lassen. Unter Berufung auf Informationen aus Parteikreisen heißt es, Merz wolle die Weichen bei der Sitzung der Parteipräsidien von CDU und CSU am 23. September stellen, also direkt am Montag nach der Wahl. Spätestens am 3. Oktober will Merz die Entscheidung öffentlich verkünden. Kurz darauf will er als Kanzlerkandidat nach Frankreich und Polen reisen.
In CSU-Kreisen hieß es am Sonntag, man nehme derartige „Nichtmeldungen“ gelassen hin. Es sei offensichtlich, dass Merz als CDU-Vorsitzender an der Kandidatur interessiert sei. Er könne sie aber nicht „ausrufen lassen“, weil sich am geplanten Prozedere nichts geändert habe. Merz und Söder hatten vereinbart, sich persönlich zu treffen, um festzulegen, wer als Kanzlerkandidat der Union antreten soll – im September oder, wahrscheinlicher, im Oktober. Auch in der CSU wird Merz‘ Favoritenrolle anerkannt; eine Vorfestlegung soll dies allerdings nicht bedeuten.
In der CDU herrscht derweil Zuversicht, dass Merz und Söder ihren Parteigremien zu gegebener Zeit einen einvernehmlichen Vorschlag vorlegen werden. Das berichtete die dpa am Sonntag unter Berufung auf Parteikreise. Nicht nur in der CDU, sondern auch in der CSU gebe es großen Rückhalt für Merz, hieß es. Rheinische Post Thorsten Frei, Parlamentarischer Geschäftsführer der Union im Bundestag, bekräftigte, dass die K-Frage zeitnah geklärt sein dürfte: „Wenn die Brandenburger Landtagswahl vorbei ist, werden alle vereinbarten Bedingungen erfüllt sein. Und die Entscheidung fällt dann unmittelbar danach.“
Merz und Söder streiten hinter den Kulissen seit Monaten um die Kanzlerkandidatur. Traditionell hat der Chef der deutlich größeren CDU das erste Zugriffsrecht – und Merz ließ zuletzt wenig Zweifel daran, dass er dieses nutzen will. Söder machte seine Ambitionen allerdings auch deutlich: „Ich würde mich der Verantwortung für unser Land nicht entziehen“, sagte Söder jüngst auf dem Volksfest Gillamoos.
In der Union weckt das alles bei vielen Mitgliedern schlimme Erinnerungen: Schon vor der Bundestagswahl 2021 hatte Söder Ambitionen auf die Kanzlerkandidatur, konnte sich gegen den damaligen CDU-Chef Armin Laschet allerdings nicht durchsetzen. Im Wahlkampf stichelte Söder immer wieder öffentlich gegen Laschet und warf ihm unter anderem vor, er wolle „im Schlafwagen ins Kanzleramt“ fahren. Teile der CDU machten Söder deshalb für Laschets Wahlniederlage verantwortlich.
Die Frage, wie sich Söder als Kanzlerkandidat gegenüber Merz verhalten würde, treibt die CDU daher um. Dass Söder mehrfach öffentlich versichert hat, er werde sich mit Merz auf jeden Fall friedlich einigen, trägt bislang kaum dazu bei, diese Sorgen zu lindern.