Umstrittene Istanbul-Konvention
Lettlands Präsident Rinkevics stellt sich gegen das Parlament
3. November 2025, 19:13 Uhr
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Die Istanbul-Konvention soll Frauen vor Gewalt schützen. Neben vielen anderen Ländern haben auch alle EU-Staaten das Abkommen ratifiziert. Allerdings sieht eine Mehrheit im lettischen Parlament das Abkommen auch als Förderung von Geschlechtertheorien und will aussteigen. Nach Protesten stoppte das Staatsoberhaupt die Anfrage – zumindest vorerst.
Der lettische Präsident Edgars Rinkevics hat den Austritt seines Landes aus der Istanbuler Frauenschutzkonvention zunächst verhindert. „Die Ratifizierung und Kündigung der Konvention erfolgt während der Amtszeit eines Parlaments und einer Regierung. Das sendet natürlich ein sehr widersprüchliches Signal – sowohl an die lettische Gesellschaft als auch an unsere internationalen Verbündeten“, sagte Rinkevics. Diese Unvorhersehbarkeit staatlichen Handelns ist im europäischen Rechtsraum unangemessen. Rinkevics schickte das Gesetz zur erneuten Prüfung an das Parlament zurück. Hätte er zugestimmt, wäre Lettland der erste EU-Mitgliedstaat gewesen, der aus der Istanbul-Konvention ausgetreten wäre.
Aber das ist noch nicht vom Tisch: Das Parlament muss den Gesetzentwurf nun einem Ausschuss übergeben, der sich mit den Einwänden des Präsidenten befasst und einen Termin für eine weitere Parlamentsdebatte festlegt, die sich ausschließlich auf die von Rinkevics angesprochenen Punkte konzentrieren wird. Sollte das Parlament das Gesetz jedoch ohne Änderungen erneut verabschieden, hat der Präsident keine weitere Möglichkeit, Einwände zu erheben.
Das lettische Parlament hat kürzlich für den Austritt gestimmt. In der Konvention verpflichten sich die Mitgliedsstaaten zu einem besseren Schutz von Frauen und Mädchen, beispielsweise durch die Strafverfolgung von Gewalttätern. Das Abkommen umfasst auch besondere Schutzmaßnahmen für Migrantinnen und asylsuchende Frauen.
Kritiker in Lettland argumentierten, die Konvention fördere „Gender“-Theorien und untergrabe traditionelle Familienwerte im Land. Der Rückzug wird den Kampf gegen Gewalt gegen Frauen nicht schwächen, da nationale Gesetze ausreichen. Die Entscheidung des Parlaments, das Land zu verlassen, löste in Lettland Proteste aus. Mehr als 60.000 Menschen unterzeichneten einen Appell an den Präsidenten, in dem sie ihn aufforderten, dem Rückzug nicht zuzustimmen. Auch Diplomaten aus 15 Ländern – darunter der deutsche Botschafter – äußerten in einem Brief ihre Besorgnis über einen möglichen Rückzug, ebenso wie der Europarat und andere internationale Organisationen.
Die Istanbul-Konvention ist ein Übereinkommen des Europarats mit Sitz in Straßburg, dem 46 Staaten angehören. Das lettische Parlament hat die Konvention erst im November 2024 ratifiziert und sich verpflichtet, Gesetze und Maßnahmen zur Beendigung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt zu entwickeln. In Deutschland ist die Konvention Anfang 2018 in Kraft getreten.
