Stand: 19.09.2024 16:40
Soll jeder automatisch potenzieller Organspender sein oder nicht? Die Teilnehmer einer #NDRfragt-Umfrage antworteten mehrheitlich mit Ja und sprachen sich für die sogenannte Opt-out-Lösung aus.
Wer nicht nein sagt, meint ja: In der jüngsten #NDRfragt-Umfrage unter knapp 22.000 Norddeutschen spricht sich eine deutliche Mehrheit von 71 Prozent für die sogenannte Widerspruchslösung bei der Organspende aus. Damit gilt jeder, der zu Lebzeiten nicht aktiv widersprochen hat, als potenzieller Organspender. Vier von zehn Befragten glauben, dass dadurch die Zahl der Organspenden steigt. In der Altersgruppe der 16- bis 29-Jährigen befürworten sogar fast 80 Prozent die Widerspruchslösung, bei den über 30-Jährigen liegt der Wert etwas niedriger. Ein Viertel aller Umfrageteilnehmer lehnt sie ab.
In den meisten westeuropäischen Ländern ist die Opt-out-Lösung bereits in Kraft. In Deutschland sollte sie 2020 eingeführt werden, scheiterte aber im Bundestag. Die acht Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Berlin, Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland haben nun erneut Zur Einführung der Opt-out-Lösung liegt eine Gesetzesinitiative vor, über die am 27. September im Bundesrat abgestimmt wird. Die endgültige Bundestagsabstimmung hierzu wird voraussichtlich im Frühjahr 2025 stattfinden.
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An der Umfrage beteiligten sich 21.899 Personen aus Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Bremen. Alle Ergebnisse der nicht repräsentativen, aber gewichteten Umfrage finden Sie hier als PDF zum Download.
Minister Drese: Mehr Bildung und Information
Mecklenburg-Vorpommerns Gesundheitsministerin Stefanie Drese sieht in den Ergebnissen der Umfrage #NDRfragt ein ermutigendes Zeichen für einen neuen Anlauf, die Widerspruchslösung in Deutschland einzuführen.
„Die Umfrage mit fast 22.000 Teilnehmern bestätigt, dass eine stabile Mehrheit der Menschen im Land einen Paradigmenwechsel zur Steigerung der Organspendenzahlen wünscht. Die Einführung der Opt-out-Lösung rettet Leben.“
Stefanie Drese (SPD), Gesundheitsministerin Mecklenburg-Vorpommern
Im europäischen Vergleich liege die Organspende in Deutschland seit Jahren auf einem sehr niedrigen Niveau, sagte die Ministerin. Die Initiative ziele auch darauf ab, eine gesellschaftliche Debatte anzustoßen. Mehr Aufklärung und Information sollen die Bürger dazu bewegen, über eine Organspende nachzudenken. Dies entlaste laut Drese auch die Angehörigen, die im Zweifelsfall in die schwierige Lage gebracht würden, für den Verstorbenen eine Entscheidung treffen zu müssen.
Etwa dreimal mehr Organe nötig
Im Jahr 2023 spendeten in Deutschland 965 Menschen nach ihrem Tod ihre Organe. Auf diese Weise wurden laut der Deutsche Stiftung Organtransplantation. Das ist zwar ein Plus von elf Prozent im Vergleich zum Vorjahr, aber es werden weitaus mehr Organe benötigt. Aktuell stehen knapp 8500 Menschen auf der Warteliste. Für #NDRfragt-Teilnehmer Daniel (33) aus Hamburg ein Grund, die Opt-out-Lösung einzuführen: „Ich bin dafür, denn absolut jeder, der das wirklich nicht will, kann Einspruch erheben. Wer sich damit nicht beschäftigt, dem scheint das egal zu sein. Aber wir haben einen Bruchteil von dem, was wir brauchen.“
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Mehr als die Hälfte will Organe spenden
61 Prozent der Umfrageteilnehmer haben sich bereits für eine Organspende entschieden. Der Hauptgrund dafür ist, anderen Menschen zu helfen. Urte (56) aus Mecklenburg-Vorpommern sieht das ähnlich: „Mir gefällt der Gedanke, nach meinem Tod jemandem zu helfen und ein anderes Leben schöner zu machen.“
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15 Prozent der Befragten der Community #NDRfragt wollen ihre Organe nicht spenden. „Ich lehne Organspenden grundsätzlich ab und möchte mich nicht erklären oder rechtfertigen müssen“, sagt Tanja (57) aus Niedersachsen. Gut ein Fünftel hat sich noch nicht entschieden. Von denen, die sich noch nicht entschieden haben, sagt die Mehrheit (70 Prozent), dass der Prozess für sie aufwändig und schwierig sei. 31 Prozent fehlt das Vertrauen ins Gesundheitssystem – darunter auch Calvin (29) aus Hamburg: „Einerseits ‚brauche‘ ich meine Organe nach dem Tod nicht mehr und könnte sie spenden. Andererseits habe ich Sorge, dass Krankenhäuser einen als Organspender gerne frühzeitig für tot erklären, weil bekannt ist, dass die Organe dringend benötigt werden.“
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Organspendeausweis ist das am häufigsten verwendete Einverständnisdokument
Von den Umfrageteilnehmern, die ihre Organe spenden möchten, Prozent dies in Organspendeausweis. 49 Prozent haben ihre Angehörigen über ihre Spendebereitschaft informiert. Fast ein Viertel nutzt die Patientenverfügung. Die neue Allerdings nutzen derzeit nur acht Prozent der Befragten Organspenderegister.
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Kritik an staatlicher Kontrolle
Unabhängig von der persönlichen Einstellung zur Widerspruchslösung sehen viele darin einen übermäßigen Eingriff in die Selbstbestimmung. Diese Ansicht teilt auch #NDRfragt-Teilnehmerin Katja (57) aus Schleswig-Holstein: „Mit der Widerspruchslösung nimmt sich der Staat ein generelles Verfügungsrecht über den Menschen und seinen Körper. Das ist ein unzulässiger Eingriff in die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen und kann nicht geduldet werden.“ Zudem besteht die Sorge, dass sich die medizinische Versorgung verschlechtern wird, weil die Organe benötigt werden.
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Wachsende #NDRfragt-Community: Mehr als 45.000 Norddeutsche machen mit
#NDRfragt ist das Meinungsbarometer für den Norden. Mittlerweile haben sich über 45.000 Norddeutsche für die Community registriert. Wer noch kein Mitglied ist, aber mitmachen möchte, kann sich registrieren und wird per E-Mail zu den Umfragen eingeladen. Mitglied werden kann jeder, der in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg oder Bremen wohnt und mindestens 16 Jahre alt ist.
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