In Jerusalem gingen Zehntausende gläubige Juden gegen die drohende Wehrpflicht auf die Straße. Traditionell müssen Ultraorthodoxe in Israel nicht zum Militär gehen – das ist seit dem Gaza-Krieg heftig umstritten.
Zehntausende ultraorthodoxe Juden protestierten in Jerusalem gegen Pläne, sie zum Militärdienst einzuziehen. Die Polizei sperrte eine der Hauptstraßen in die Hauptstadt und mobilisierte 2.000 Rettungskräfte. Der öffentliche Verkehr wurde eingestellt.
Die Männer sangen, klatschten und hielten Schilder hoch, auf denen stand, dass sie lieber ins Gefängnis gehen würden, als Militärdienst zu leisten. Sie beklagten das Fehlen eines Gesetzes, das sie vom Militärdienst befreit.
Bei den Protesten wurde offenbar ein junger Mensch getötet. Der 15-Jährige sei von einem Dach gefallen, teilte der israelische Rettungsdienst mit.
Regulierung steht unter Beschuss
Seit der Gründung des Staates Israel im Jahr 1948 sind strenggläubige Juden von der Wehrpflicht befreit, wenn sie sich vollzeitlich dem Talmudstudium widmen. Seit Beginn des Krieges im Gazastreifen wird die Regelung aufgrund des Mangels an Rekruten zunehmend in Frage gestellt und sorgt für Diskussionen in der Gesellschaft. Seit Kriegsbeginn im Oktober 2023 sind mehr als 900 Soldaten gestorben. Viele Reservisten haben mehrere Einsätze absolviert.
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der in seiner Koalition auf ultraorthodoxe Parteien setzt, hatte ein Gesetz versprochen, das die Ausnahme gesetzlich absichern würde. Ein solches Gesetz wurde jedoch noch nicht verabschiedet.
Im Juni 2024 entschied der Oberste Gerichtshof, dass die Ausnahmeregelung abgelaufen sei – und das Militär begann, auch ultraorthodoxe Juden einzuziehen. Tausende Einberufungsbescheide wurden verschickt und diejenigen, die sich weigerten, verhaftet. Die Frage, ob die Wehrdienstbefreiung für Ultraorthodoxe abgeschafft werden sollte, führte zu Streit in der Regierung.
Debatte über Gesetzesentwurf
Anlass für den heutigen Protest waren für nächste Woche geplante Diskussionen in einem israelischen Parlamentsausschuss über ein Gesetz zur Einführung der Wehrpflicht für Ultraorthodoxe. Das Militär hat einen Bedarf an mehr Soldaten für die Verteidigung festgestellt. Widerstand gegen den Gesetzentwurf kommt unter anderem von Netanyahus Partei.
Tatsächlich finden die nächsten Parlamentswahlen erst im kommenden November statt. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass Netanyahu in den nächsten Monaten vorgezogene Neuwahlen ausrufen muss.
Die Ultraorthodoxen machen 14 Prozent der jüdischen Bevölkerung Israels oder fast 1,3 Millionen Einwohner aus. Bis vor Kurzem profitierten rund 66.000 Männer im wehrfähigen Alter in Israel von einer Befreiung vom Militärdienst.
