Ukraine: „Französische Brigade“ wird zum Fiasko

Ukraine: „Französische Brigade“ wird zum Fiasko

Anlässlich des 80. Jahrestages des D-Day in der Normandie am 6. Juni letzten Jahres hatte der französische Präsident Emmanuel Macron feierlich angekündigt, eine ukrainische Brigade auszubilden und auszurüsten. Diese „französische Brigade“, die 155. mechanisierte Brigade, werde ein „wichtiger Faktor“ im Krieg in der Ukraine sein, so Macron damals. Die Einheit wurde unter anderem mit rund 30 deutschen Leopard-2-Panzern und 18 Caesar-Haubitzen aus französischer Produktion ausgerüstet.

Soldaten desertieren schon während der Ausbildung in Frankreich

Ein halbes Jahr später zeigt sich jedoch, dass aus Macrons Prestigeprojekt ein Fiasko geworden ist. So werfen in der Ukraine unabhängige Militärexperten der politischen und militärischen Führung Fehler bei der Aufstellung neuer Truppenteile vor. Der Journalist Jurij Butussow nennt auf dem Portal censor.net den konkreten Fall der neuen 155. mechanisierten Brigade, die in Frankreich ausgebildet und von Paris ausgerüstet wurde. Noch bevor die Brigade an der Front eintraf, seien 1700 ihrer Soldaten desertiert – 50 davon angeblich schon während der Ausbildung in Frankreich.

In der Aufstellungsphase seit März 2024 seien zudem 2500 Soldaten der Brigade zunächst zugeteilt, dann aber zu anderen Truppenteilen abgeordnet worden. Das Brigadekommando habe kaum mit seinen Soldaten in Frankreich üben können. Als die Einheit dann mit nominell 5800 Mann in der Ostukraine nahe der Stadt Pokrowsk eingesetzt worden sei, habe es an Drohnen und Drohnenabwehr gefehlt. Die Folge seien hohe Verluste gewesen, schrieb Butussow. Er warf Präsident Wolodymyr Selenskyj, Verteidigungsminister Rustem Umjerow und Oberbefehlshaber Olexander Syrskyj mangelnde Organisation vor.

Die französische Zeitung La Voix du Nord berichtet, dass die 155. Brigade inzwischen „mehr oder weniger aufgelöst“ worden sei. Auf eine Anfrage der Zeitung erklärte das französische Verteidigungsministerium, Frankreich sei derzeit das einzige Land, „das ein vollständiges Ausbildungsmodell (…) umgesetzt hat“. Es seien aber „die ukrainischen Streitkräfte, die die Auswahl der ukrainischen Soldaten dieser Brigade und die Steuerung der Ströme organisierten“, betont das Ministerium. „Es sind natürlich auch die ukrainischen Streitkräfte, die die Einsatzbedingungen auf ukrainischem Boden festlegen“ – soll heißen: Die Verantwortung für das Fiasko der 155. mechanisierten Brigade liegt allein bei Kiew.

Ähnlich sieht es die ukrainische Abgeordnete Mariana Bezuhla, Mitglied des parlamentarischen Ausschusses für Verteidigung, Sicherheit und Geheimdienste. Bereits Anfang Dezember kritisierte sie, dass die 155. Brigade von Kiew unkoordiniert an die Front geschickt worden sei. Sie bezeichnete die Einheit als „Zombie-Brigade“, die aus „PR-Gründen“ aufgestellt worden sei. „Wir brauchen nicht nur die Waffen, um Europa zu verteidigen, sondern auch einen Wechsel in der militärischen Führung und Unterstützung, um dies zu erreichen“, sagte Bezuhla am 20. Dezember dem französischen Fernsehsender TF1.

Das Militär äußerte sich nicht zu den Vorwürfen. Andere Aktivisten wie Serhij Sternenko, der Drohnen für die Armee organisiert, griffen die Vorgänge in der 155. Brigade auf. „Wir haben vor kurzem angefangen, ihnen zu helfen, weil die Brigade vom Staat keine Ausrüstung für elektronische Kriegsführung oder Drohnen bekommen hat“, schrieb er im sozialen Netzwerk X.

Auch er kritisierte die Unentschlossenheit zwischen der Aufstockung bestehender Truppen und der Aufstellung neuer Einheiten: „Warum wurde eine neue Brigade gegründet, wenn es einen kritischen Mangel an bestehenden Brigaden gab, nur um sie dann aufzusplitten und die Leute zu den alten Brigaden zu schicken?“

Für das Oberkommando in Kiew sind neue, mit westlichen Waffen ausgerüstete und zum Teil auch im Westen ausgebildete Truppen zentral, um die nach fast drei Jahren russischem Angriffskrieg ausgezehrte Armee zu stärken. Offizielle Stellen beklagten in den vergangenen Monaten aber auch, dass westliche Staaten die zugesagte Ausrüstung oft nur schleppend lieferten.

Ukrainische Experten führen das stetige Vorrücken der russischen Armee im Donbass 2024 nicht nur auf ihre Überlegenheit zurück. Sie sehen auch Führungsversagen, taktische Fehler und mangelnde Koordination innerhalb der ukrainischen Armee.

Jeden Monat mindestens 5000 Deserteure in der Ukraine

Dennoch sieht es so aus, als würde es weitergehen wie bisher. So kündigten Macron und Selenskyj kurz vor Weihnachten die Aufstellung einer zweiten Brigade an, die in Frankreich ausgebildet werden soll. Auch hier dürften einige Soldaten die Gelegenheit nutzen, während der Ausbildung in Frankreich zu fliehen.

Nach den letzten offiziellen Zahlen aus Kiew, die wahrscheinlich zu niedrig sind, desertieren jeden Monat mehr als 5000 ukrainische Soldaten aus ihren Einheiten. Das entspricht mehr als einer Brigade, die jeden Monat das Feld verlässt.

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