AUDIO: Neue Bücher: „Was nicht gesagt werden kann“ von David Szalay (5 Min.)
Stand: 7. November 2025 14:00 Uhr
Nüchternes Erzählen trifft auf starke Charaktere: David Szalay ist für seinen Roman „What Cannot Be Said“ für den Booker Prize nominiert, dessen Gewinner am 10. November bekannt gegeben wird.
István trägt jede Woche die Einkäufe für ihre Nachbarin nach Hause. Ihr Mann ist zu krank. Eines Tages fragt die Nachbarin István, ob sie ihn küssen darf. Er ist sprachlos und sie küsst ihn sanft auf den Mund. Als sie das nächste Mal einkaufen geht, entschuldigt sie sich bei ihm.
István ist 15 und die Nachbarin ist Anfang 40. Von nun an fragt sie ihn regelmäßig. Sie berührt seinen Körper und zeigt ihm, wie er auch sie erregen kann. Die Begegnungen werden so intensiv, dass er ihr eines Tages seine Liebe gesteht. Sie trennt sich sofort. Tage später kommt es zu einem Handgemenge zwischen ihrem Mann und István, und der Mann stürzt die Treppe hinunter. Erst später erfahren wir, dass er starb und István zu drei Jahren Jugendgefängnis verurteilt wurde.
Das ist typisch für David Szalays Erzählstil. Er schildert ausführlich, wie sich eine Affäre, eine Freundschaft, eine Ehe entwickelt – dann ein radikaler Schnitt. Auch dass István sich für fünf Jahre in die ungarische Armee eingeschrieben hat, erfahren wir erst, als er von einem Einsatz im Irak zurückkehrt. Sein Freund wurde von einer Mine getroffen und István konnte ihn nicht retten. Jetzt lebt er wieder bei seiner Mutter.
Er weiß nicht, warum er tut, was er tut. Etwas kommt in ihm hoch. So körperlich und unausweichlich wie Erbrechen. Ein überraschend lautes Krachen, dann hat die Tür eine Splitterbeule.
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Ein Leben zwischen Luxus und innerer Leere
Selbst dramatische Ereignisse, von denen einige in diesem Roman folgen, werden von Szalay in einem sachlichen Ton erzählt. Als die gebrochene Hand behandelt wird, lässt sich István auf eine Psychotherapie ein – das hilft ihm. Wir wissen nicht, was ihn letztendlich nach England trieb. Normalerweise folgt er der Initiative anderer. In London macht er eine Ausbildung zum Leibwächter. Sein Job: eine sehr reiche Familie in einem Bentley zu chauffieren.
In Ungarn reichte das Geld kaum bis zum Monatsende. Hier, in der Londoner Oberschichtsvilla, stellt sich die Frage, ob ein Swimmingpool in Türkis oder besser Salbei gefliest sein sollte. Szalay verdeutlicht die Gegensätze auf wunderbar bissige Art und Weise. Und wieder einmal wird István eine selbstbewusste Frau verführen: Helen, die Frau seines Kunden.
„Würden Sie sagen, dass Sie unvoreingenommen sind?“ „Unvoreingenommen?“ „Ja… Würden Sie das über sich selbst sagen?“ „Ich weiß es nicht“, sagt er. „Ich denke schon“, sagt sie. „OK.“
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„Okay“ ist seine Lieblingsantwort – es sei denn, er stellt eine Gegenfrage. Vor allem, wenn es um persönliche Dinge wie die wachsende Liebe zu Helen geht.
Nah am Charakter: Szalays beeindruckende Erzählperspektive
David Szalay erzählt uns von einem Mann, der sich auf seinen Körper verlassen kann, während ihm seine Gefühle fremd bleiben. Viele Leser werden diese Dialoge kennen, wenn sie untätig sind: mit Söhnen oder Partnern. István ist ihr literarischer Vertreter. Das ist das Spannende an diesem Roman: Szalay lässt uns ganz nah an seine Figur heran, weshalb wir an seiner Seite bleiben, auch wenn er mal ausrastet.

Was kann man nicht sagen
von David Szalay
- Seitenzahl:
- 384 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusätzliche Informationen:
- Übersetzt von Henning Ahrens
- Herausgeber:
- Claassen
- ISBN:
- 978-3-546-10150-9
- Preis:
- 25,00 €
