Viktor Orbán war sichtlich zufrieden. Mit einem breiten Lächeln hörte er Donald Trump zu, der seinen ungarischen Gast einen „großartigen Führer“ nannte, der in Europa respektiert werde, auch wenn ihn nicht jeder mochte. Vor allem aber versprach der amerikanische Präsident vor dem Mittagessen im Weißen Haus, dass die Frage der Sanktionen gegen russische Öllieferungen nach Ungarn noch einmal geprüft werde.
Für Orbán, der im eigenen Land aufgrund der schlechten Wirtschaftslage und des Aufstiegs des Oppositionsführers Péter Magyar unter erheblichem Druck steht, war die Einladung nach Washington wichtig, um die Wähler in Ungarn an die weltpolitische Relevanz ihres Ministerpräsidenten zu erinnern. Orbán sieht sich als Anführer der europäischen Rechten und wird von Trumps MAGA-Bewegung in den USA umworben. Ungarn sei der einzige EU-Staat mit einer christlichen Regierung, sagte der Premierminister gegenüber Reportern in Washington. „Wir sind wie eine Insel im liberalen Ozean in Europa.“
Vor allem aber ging es um das Thema Sanktionen, bei dem selbst der mit Orbán eng verbundene amerikanische Präsident zuletzt den Druck erhöht und versucht hatte, dem russischen Warlord Wladimir Putin die letzten Nachschubwege nach Europa auszutrocknen. Nach zahlreichen Drohungen verhängten die USA am 22. Oktober Sanktionen gegen die russischen Ölkonzerne Rosneft und Lukoil.
Ungarn und die Slowakei sind die einzigen beiden EU-Staaten, die ihren Ölbezug aus der russischen Druschba-Pipeline seit der großen Invasion nicht nur nicht reduziert, sondern sogar erhöht haben.
Trump übernimmt erneut Orbáns Argumente
Doch Orbán weiß aus Erfahrung, dass Trump ihm in persönlichen Gesprächen zuhört und ihm vertraut. Schon vor seinem gescheiterten Gipfeltreffen mit Putin in Alaska im August hatte der Präsident gegenüber Reportern erklärt, er suche Rat bei Orbán zum Krieg in der Ukraine, obwohl dieser seit Beginn der großen Invasion das Narrativ des Kremls übernommen und in immer groteskeren Vergleichen die EU als den eigentlichen Kriegstreiber dargestellt habe.
Amerikanische Medien berichteten am Freitagabend unter Berufung auf Regierungsvertreter, dass die USA Ungarn eigentlich für ein Jahr von Sanktionen gegen russische Öllieferungen befreien wollten. Das ist deutlich weniger als die vom ungarischen Ministerpräsidenten selbst angekündigte „vollständige und unbegrenzte Befreiung von den amerikanischen Sanktionen gegen Energieimporte“.
Aber immerhin hatte Trump einmal mehr Orbáns Argumente übernommen, der sich in der Debatte um russisches Öl auf die Binnenlage seines Landes bezog, das keine Alternativen zur seit Jahrzehnten bestehenden russischen Druschba-Pipeline habe. „Es ist für sie schwierig, Öl und Gas aus anderen Gebieten zu beziehen“, sagte Trump mit Blick auf die Geographie Ungarns und fügte hinzu: „Sie haben nicht den Vorteil des Zugangs zum Meer.“
Dass dieses Argument nicht ausschlaggebend war, bewiesen jüngst die Tschechen, die trotz ihrer Binnenlage komplett auf russische Rohstofflieferungen verzichtet hatten – wenn auch um den Preis höherer Kosten. Entgegen Orbáns Beteuerungen zeigte auch der jüngste Finanzbericht des teilweise staatlichen ungarischen Ölkonzerns MOL, dass die Regierung deutlich mehr Spielraum zur Diversifizierung der Importe hatte. Laut der Oppositionszeitung HVG hat MOL intern berechnet, dass 80 Prozent der Raffinerien durch eine eigene Adria-Pipeline abgedeckt werden könnten, obwohl dies technische Risiken und Logistikkosten mit sich bringen würde.
An Details interessierte sich der US-Präsident wenig
Aber Trump hatte an solchen Details wenig Interesse. Er griff lieber den Vorwurf auf, dass europäische Staaten mit Zugang zum Meer weiterhin „viel Öl und Gas“ von Russland kaufen würden, obwohl innerhalb der EU nur noch die Slowakei und Ungarn russisches Öl importieren. Auch der Anteil russischen Gases in der EU ist seit 2022 von 40 Prozent auf elf Prozent gesunken. Im vergangenen Monat beschlossen die Mitgliedsstaaten, den Import von russischem Gas ab 2028 komplett zu verbieten – nur die Slowakei und Ungarn stimmten dagegen.
Seinem guten Verhältnis zu Orbán tat dies keinen Abbruch, auch wenn es erneut Zweifel an Trumps Bereitschaft aufkommen ließ, den Druck auf Moskau spürbar zu erhöhen.
Im Hinblick auf eine mögliche Lösung des Ukraine-Kriegs stellte sich in Washington natürlich die Frage nach dem „Friedensgipfel“ mit Putin, den Trump nach einem Telefongespräch mit dem russischen Präsidenten Mitte Oktober angekündigt hatte. „Wenn es stattfindet, würde ich es gerne in Budapest abhalten“, bestätigte Trump auf Nachfrage von Journalisten den möglichen Veranstaltungsort.
Für Orbán wäre ein solches weltpolitisches Ereignis in seiner Hauptstadt ein enormer Auftrieb, der ihm im bevorstehenden Wahlkampf sicherlich helfen würde. Doch bislang schreckt der Kreml vor jeglichen Versuchen zurück, in den Friedensverhandlungen konkreter zu werden. Trump hat es sachlich ausgedrückt. Als einfachen Grund, warum die Kämpfe weitergehen, nannte er mit Blick auf Russland: „Sie wollen noch nicht aufhören.“
