Trotz EU-Sanktionen
Warum unterhielt ein russischer Oligarch ein Luxushotel auf Sardinien?
23. Oktober 2024, 17:29 Uhr
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Seit Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine haben die Europäer Milliarden an Oligarchenvermögen eingefroren. Aber das System hat Lücken. Der Ölmagnat Musa Bazhaev soll Monate nach der Verhängung von EU-Sanktionen gegen ihn ein Luxusferienresort im Mittelmeer besessen haben.
Die Suche nach versteckten Vermögenswerten sanktionierter russischer Oligarchen bleibt schwierig. Kreml-Vertraute sollen in den vergangenen zwei Jahren immer wieder Lücken im System ausgenutzt haben, um ihr Vermögen vor dem Zugriff der EU zu schützen. Wie die „Financial Times“ berichtet, könnte auch der russische Oligarch Musa Bazhaev einer von ihnen sein.
Konkret geht es um ein Luxus-Ferienresort im Süden Sardiniens. Unter Berufung auf offizielle Dokumente hieß es, Bazhaev sei weiterhin Eigentümer des berühmten Hotels Forte Village, mehr als zwei Monate nach der Verhängung der EU-Sanktionen im Zuge der russischen Invasion in der Ukraine. Dies geht aus dem Jahresabschluss des Hotelbesitzers Retivia Investments hervor, einem in Zypern ansässigen Unternehmen im Besitz von Bazhaev. Die Meldung wurde im Juni 2022 beim zyprischen Handelsregister eingereicht. Als Miteigentümer werden Musa Bazhaev und sein Neffe Deni genannt.
Bazhaev, einer der reichsten Oligarchen Russlands, wurde am 8. April 2022 auf die EU-Sanktionsliste gesetzt. Die italienischen Behörden haben daher offenbar in den folgenden Wochen keinen Versuch unternommen, sein Vermögen einzufrieren. Die französischen Behörden beschlagnahmten jedoch Ende April die Villa des Oligarchen in Saint-Jean-Cap-Ferrat. Die Frage ist, warum? Laut FT ist seit mindestens 2014 öffentlich bekannt, dass Bazhaev der Eigentümer von Forte Village ist.
Retivia Investments besitzt nicht nur das Hotel Forte Village auf Sardinien, sondern auch weitere Vermögenswerte auf der Mittelmeerinsel im Gesamtwert von über 700 Millionen Euro. Das in den 1970er Jahren erbaute Resort ist eines der exklusivsten Urlaubsziele im Mittelmeerraum. In der Hochsaison berechnen sie mehr als 10.000 Euro pro Person und Woche. Wie die Zeitung weiter schreibt, sei Bazhaev kein Unbekannter auf der Insel. Während der Covid-19-Pandemie spendete er 500.000 Euro an den sardischen Zivilschutz. Die italienische Finanzpolizei Guardia di Finanza wollte sich zu dem Fall nicht äußern.
Widersprüchliche Angaben zu Eigentumsverhältnissen
Ein zweites Dokument, das nur einen Monat später beim zyprischen Unternehmensregister eingereicht wurde, enthüllt einen überraschenden rückwirkenden Eigentümerwechsel. Demnach soll Retivia Investments am 25. Februar 2022 – einen Tag nach der Invasion – an einen Verwandten von Bazhaev verkauft worden sein. Die widersprüchlichen Angaben über die damalige Eigentümerstruktur werfen die Frage auf, ob es sich hierbei tatsächlich um einen Eigentümerwechsel handelte.
Zumal es nicht der letzte Verkauf war: Anfang 2023 gingen Retivia Investments und seine Vermögenswerte, darunter Forte Village, laut Unternehmensunterlagen an den kasachischen Geschäftsmann Shukhrat Ibragimov. Ibragimov ist Vorsitzender der in Luxemburg ansässigen Eurasian Resources Group, einem der weltweit größten Kobalt- und Kupferproduzenten. Es sind solche Transaktionen, die es sanktionierten Personen ermöglichen, die Kontrolle über große Vermögenswerte zu behalten, kommentiert die Zeitung.
Ob es sich hierbei tatsächlich um kluge Schachzüge russischer Geschäftsleute handelte oder ob Sardinien oder Italien möglicherweise kremlnahe Menschen vor EU-Sanktionen geschützt haben, lässt sich nicht beantworten. Auch das zyprische Handelsregister und die Sprecher von Bazhaev und Ibragimov lehnten eine Stellungnahme zu der Angelegenheit ab.
Laut „Spiegel“-Recherchen vom Dezember 2023 ist lediglich bekannt, dass sanktionierte russische Oligarchen Zypern als eine Art Hintertür zur EU nutzten. Seitdem unterstützen FBI-Ermittler die lokalen Behörden dabei, relevante Schlupflöcher zu finden. Erst im September scheiterten mehrere russische Oligarchen, die auf der Sanktionsliste stehen, mit ihren Klagen gegen die Pflicht zur Meldung von Vermögenswerten innerhalb der Europäischen Union – Bazhaev gehörte nicht dazu. Der in Tschetschenien geborene Oligarch ist in den Bereichen Öl, Metalle und Rohstoffe tätig, die wichtige Einnahmequellen für den Kreml darstellen. Deshalb steht er weiterhin auf den Sanktionslisten der EU und Großbritanniens.