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Trost erhielt Kioyo lediglich von Beckenbauer und Hoeneß

VON OLIVER GRISS UND GETTY (FOTO)

Wer die Löwen-Doku „Rise & Fall“ bereits vollständig in der ARD-Mediathek gesehen hat und Profifußball liebt, wird höchstwahrscheinlich tränende Augen bekommen. Nicht weil man im Giesinger Restaurant „Bumsvoll“ eine Runde Rüscherl umsonst bekommt, sondern weil der Niedergang des TSV 1860 alte Wunden wieder aufreißt und die Fans in eine Schockstarre versetzt.

Eine Szene bleibt bis heute viel diskutiert: Als der kurz zuvor eingewechselte Francis Kioyo am 15. Mai 2004 gegen Hertha BSC in der 89. Minute den Ball schnappte und einen für Rodrigo Costa zugesprochenen Elfmeter neben das Tor donnerte. Statt neuer Hoffnung im Abstiegskampf war dieser Fehlschuss der letzte Sargnagel für den TSV 1860.

Der Rückstand auf das rettende Ufer beträgt vor dem Saisonfinale in Mönchengladbach drei Punkte: Eine Woche später unterlag 1860 beim Abbruchfest Bökelberg mit 1:3 und stieg nach zehn Jahren in der ersten Liga in die zweite Liga ab.

Kioyo, heute 46, spricht in der ARD-Doku und wundert sich immer noch, warum sich kein anderer Löwe den Ball schnappte: „Ich schaue mich um, niemand will den Ball. Wo waren die Spieler, die den Elfmeter schießen sollten? Sie liefen rückwärts auf dem Feld. Keiner hatte den Mut zu schießen.“

Kioyo hatte den Mut – und verfehlte. „Das hat meine Karriere und mein Leben komplett verändert. Für einen Spieler, der 23 Jahre alt ist, nicht in Deutschland geboren ist und keine Familie hat, fühlt man sich einfach wie in einem Loch. Sie haben mich zerstört. Alles, was ich lesen musste, die rassistischen Anfeindungen und Morddrohungen …“

Woran er sich noch heute erinnert: „Ich war abends allein, ganz allein, niemand hat sich gemeldet, kein Mitspieler – niemand.“ Der bullige Stürmer saß zu Hause im Wohnzimmer auf einer roten Couch („Warum hatte ich eine rote Couch?“) – und plötzlich bekam er eine SMS. Nicht von seinem Präsidenten, sondern vom damaligen Bayern-Boss Franz Beckenbauer.

Kioyo verrät dem ARD-Team, was ihm der verstorbene Fußballkaiser nach seinem folgenschweren Fehlschuss geschrieben hat: „Wenigstens hast du Mut bewiesen. Kopf hoch, Junge.“ Von den Reds meldete sich nicht nur Beckenbauer – auch Uli Hoeneß schrieb an den 1860-Stürmer: Ich weiß nicht, ob ich das sagen darf. Das war Uli Hoeneß.“ Das erklärt auch der Ehrenpräsident des FC Bayern in der Dokumentation: „Franz und ich waren selbst Spieler und ich habe bekanntlich auch selbst Elfmeter verschossen.“ Es ist auch angebracht, der Person zu sagen, wie leid es einem tut – denn das ist fast schon Schicksal.“

Nach dem Abstieg blieb Kioyo zunächst bei 1860, doch nach nur einem kurzen Einsatz beim 2:0-Sieg gegen Eintracht Trier flüchtete der Kameruaner zu Rot-Weiss Essen…

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