Sven Hannawald wirkte ziemlich irritiert. Als die deutsche Skisprung-Legende von der fast schon demütigenden Frauen-Prämie bei der ersten Qualifikation zur Two-Nights-Tour hörte, versuchte er es mit einem Witz. „Da muss man fast schon gucken, was man bei Ebay dafür kriegt. Das ist schon bitter“, sagte der 50 Jahre alte Hannawald. Zuvor hatte Selina Freitag erzählt, sie habe für ihren Quali-Sieg in Garmisch-Partenkirchen nicht 3.000 Schweizer Franken (rund 3.200 Euro) wie die Männer bekommen – sondern Duschcreme, Shampoo und vier Handtücher.
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Das kleine Geschenk erinnerte ein wenig an 1989, als Deutschlands Fußballerinnen für den EM-Titel ein Kaffeeservice spendiert bekamen. Es stand zugleich symbolisch für die zweite Ausgabe der neuen Mini-Tour, die zeitnah in eine Vierschanzentournee für Frauen übergehen soll. Von Oberstdorf bis Bischofshofen: Nach 73 Ausgaben der prestigeträchtigen Männer-Tournee wollen die Frauen endlich ihre Gleichberechtigung.
Konnte über ihre Prämie für den Quali-Sieg nur müde lächeln: Selina Freitag.
Quelle: IMAGO/Eibner
Lautsprecheransagen und Happy Hour
Wirklich Werbung dafür war die Two-Nights-Tour allerdings nicht. Das lag weder am sportlichen Niveau noch am Preisgeld-Unterschied – sondern mehr am öffentlichen Interesse. Medial findet das neu geschaffene Event um den Jahreswechsel – trotz der Liveübertragungen bei ARD und Eurosport – eher wenig Beachtung. Und die Zuschauerzahlen in den riesigen Stadien hängen weit hinter denen der Männer zurück.
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Besonders drastisch war das an Silvester zu sehen. 10.000 Fans sahen am Nachmittag die Qualifikation der Springer um Pius Paschke. Bei Katharina Schmid und Co. waren es gut eine Stunde später nur noch 3.000 Anhänger. „Es sind doch noch ein paar Zuschauer dageblieben. Wir nehmen das mit, was wir kriegen können“, sagte Freitag.
In der Gesamtwertung der Two-Nights-Tour belegten Schmid und Freitag die Ränge drei und vier. Die Slowenin Nika Prevc gewann beide Springen souverän. Der Zuschauerzuspruch war mit 3.200 Fans im Allgäu nur minimal größer als am Vortag.
Hannawald ärgert sich: „Einer Two-Nights-Tour nicht würdig“
Die Veranstalter hatten an Silvester per Lautsprecheransagen und mit einer Happy Hour darum geworben, nach der Männer-Quali nicht vorschnell zu gehen. Als problematisch erwies sich die längere Pause nach der Qualifikation – gerade angesichts der Kälte, als die Sonne verschwunden war. „Man wird hoffentlich versuchen, das Gesamtprodukt noch enger zu schnüren“, sagte Sportdirektor Horst Hüttel.
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Hannawald, der grundsätzlich ein großer Befürworter einer Tournee für Frauen ist, ärgerte sich vor allem über die fehlende Wertschätzung, die sich nach der Qualifikation in Form des Preisgeld-Ersatzes bemerkbar machte. „Das ist natürlich einer Two Nights Tour nicht würdig. Da weiß ich nicht, warum man so was zulässt“, sagte der bisher letzte deutsche Tournee-Sieger in der ARD – und machte einen kuriosen Vorschlag: „Wenn ich das vorher gewusst hätte, wäre ich morgens schon mit einem Klingelbeutel zur Bahnschranke gegangen und hätte gespendet oder spenden lassen. Das war ein bisschen unglücklich.“
Hüttel äußerte Verständnis für die Kritik. „Definitiv müssen wir uns da Gedanken machen. Stand jetzt gibt es für eine Qualifikation kein Preisgeld. Handtuch und Duschgel ist ein bisschen unglücklich gewählt. Das ist es gescheiter, man gibt gar nichts“, ordnete Hüttel ein. Man wolle dieses Thema mit den Organisationskomitees angehen, kündigte der Funktionär an.
Gibt es bald eine Vierschanzentournee der Frauen?
Die Frauen haben noch immer keine Vierschanzentournee. In Garmisch-Partenkirchen und Oberstdorf gibt es Wettbewerbe, in Innsbruck und Bischofshofen noch nicht. „Das Glas ist eher halbleer. Wir wollen den zweiten Schritt gehen in den nächsten zwei Jahren. Solange das nicht komplett umgesetzt wird, werden immer die Rufe danach sein“, sagte Hüttel.
Für Schmid, Deutschlands beste und erfolgreichste Springerin, wird die seit Jahren angekündigte Einführung einer Tournee allmählich zum Wettlauf mit der Zeit. „Also ich bin jetzt 28, habe letztes Jahr geheiratet und für mich steht schon fest, dass ich – wenn ich mal aufhöre – Familie planen will“, sagte die Oberstdorferin. „Ich werde es dann auch nach der Saison mit meinem Mann besprechen.“ Schmid, früher Althaus, ist seit Jahren eine der besonders offensiven Befürworterinnen der Gleichberechtigung auf den Schanzen dieser Welt. Die Bilder von den vielen leeren Rängen an Silvester und Neujahr dürften ihr nicht gefallen haben.