Als stärkste Fraktion im Thüringer Landtag hätte die AfD ein Vorschlagsrecht für das Amt des Landtagspräsidenten. Deshalb wollen CDU und BSW nun die Geschäftsordnung ändern. AfD-Fraktionschef Björn Höcke warnt die anderen Parteien vor einem „erneuten historischen Tabubruch“.
Aufgrund der Dominanz der AfD im Thüringer Landtag wollen mehrere Parteien das Verfahren zur Wahl des Landtagspräsidenten ändern. Die Fraktionen von CDU und Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) wollen in der konstituierenden Sitzung des Parlaments am Donnerstag kommender Woche eine Änderung der Geschäftsordnung beantragen, wie aus einer entsprechenden Eingabe vom Donnerstag hervorging.
Konkret soll die Änderung sicherstellen, dass bereits im ersten Wahlgang Kandidaten aller Fraktionen zur Wahl des Landtagspräsidenten aufgestellt werden können. Bisher hatte zunächst die stärkste Fraktion das Vorschlagsrecht für das Amt.
Das wäre in diesem Fall die vom Thüringer Verfassungsschutz als eindeutig rechtsextrem eingestufte AfD, die die Landtagswahl am 1. September gewonnen hat und die meisten Abgeordneten stellt. Nach der geltenden Regelung können die anderen Fraktionen dann ab dem dritten Wahlgang Alternativkandidaten nominieren.
Die anderen Fraktionen, CDU und BSW, SPD und Linkspartei, lehnen einen AfD-Politiker für den Posten des Bundespräsidenten ab. Die AfD wiederum besteht auf dem Amt und hat die Abgeordnete Wiebke Muhsal bereits für den Posten nominiert. AfD-Fraktionschef Björn Höcke warnte die anderen Parteien vor einem „erneuten historischen Tabubruch“ hinsichtlich der Abstimmung.
Und Torben Braga, Parlamentarischer Geschäftsführer der Thüringer AfD-Landtagsfraktion, sagte WELT: „Ich glaube nicht, dass der Landtag vor der Wahl eines Präsidenten über eine neue Geschäftsordnung abstimmen kann. Die Rechtslage ist hier ganz eindeutig.“ Die anderen Fraktionen und die Landtagsverwaltung seien bislang der Auffassung gewesen, „dass man die Geschäftsordnung nicht ändern oder präzisieren müsse, wenn man einen AfD-Vorsitzenden verhindern wolle“, so Braga weiter. „Spätestens im dritten Wahlgang wäre dies möglich. Warum jetzt dieser Sinneswandel?“
„Wir dürfen nicht zulassen, dass der Thüringer Landtag als Institution beschädigt wird“
Beobachter befürchten, dass der älteste Abgeordnete, der die Wahl des Landtagspräsidenten überwachen wird und ebenfalls aus der AfD kommen dürfte, keine Vorschläge anderer Parteien zulässt und es zu einem langwierigen Verfahren vor dem Verfassungsgericht und damit zu einer Pattsituation kommen könnte. Ohne Landtagspräsident wäre das neue Parlament nicht arbeitsfähig. Es wäre auch nicht in der Lage, einen neuen Ministerpräsidenten zu wählen.
Der Antrag zielt deshalb darauf ab, die Geschäftsordnung so zu ändern, dass alle Fraktionen von Anfang an, also schon im ersten Wahlgang, Kandidaten nominieren können. Laut einem CDU-Fraktionssprecher ist für die Änderung eine Mehrheit der Parlamentsmandate erforderlich – das wären dann 45 Stimmen.
„Wir dürfen nicht zulassen, dass der Thüringer Landtag als Institution beschädigt wird“, begründete der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, Andreas Bühl, den Antrag mit Blick auf die AfD. Nötig sei „ein Landtagspräsident, der Format und Charakter hat, um seiner Aufgabe als Hüter der Demokratie gerecht zu werden.“
Der Parlamentarische Geschäftsführer der BSW-Fraktion, Tilo Kummer, erklärte in Erfurt, Ziel sei „ein rechtssicheres Verfahren“ für die konstituierende Sitzung des Thüringer Landtags. „Wir wollen wochenlanges Gezerre vermeiden und zügig zu einem handlungsfähigen Landtag kommen.“
AFP/jr