20. September 2024
Es ist die teuerste Beerdigung aller Zeiten: 90 Millionen Euro zahlt RTL Stefan Raab dafür, dass er den Sender und das lineare Fernsehen in Deutschland begräbt, dass er es mit seinen ProSieben Games reloaded verquatscht oder einfach totspielt. Gäbe es nicht schon Fake News, RTL würde ein Exklusivformat daraus machen. Die neue Raab Show habe „alle bisherigen Rekorde pulverisiert“, berichtete der Kölner Sender diese Woche allen Ernstes. Konkrete Fakten, die das beweisen? Gibt es natürlich nicht. Warum? Weil die realen Zahlen vermutlich lustiger wären als Raab in seinen besten Tagen. Disclaimer für alle Business-Punks: 76,9 Millionen Menschen in Deutschland haben NICHT Raab eingeschaltet. Nach Reality-TV die neue TV-Realität: Stell dir vor, es ist Fernsehen – und keiner guckt mehr zu.
Seit Tagen scheint es in den deutschen Medien nur noch ein Thema zu geben: Stefan Raabs Comeback. Nach zehn Jahren hat er seinen Ruhestand vorzeitig beendet. Genauer gesagt hat ihn RTL mit Millionenbeträgen dazu überredet, was viel über die Verzweiflung des Privatsenders aussagt. Bis heute spielen sie in Köln noch Shows wie „Deutschland sucht den Superstar“, „Supertalent“ und „Wer wird Millionär“, die die Großväter der Unterhaltungsbranche vor über zwei, drei Jahrzehnten aufs Programm setzten und die es seitdem gibt wie betrunkene Kegelclubs am Ballermann. Da helfen auch die immer strengeren Alkoholkontrollen nichts. „Besser betrunken als lieben“, singt man im „Mega Park“ auf Mallorca. Und Innovation? Die hält man bei RTL eh für eine Dschungelprüfung.
Nun haben sie sich also entschieden, etwas ganz Neues auszuprobieren. „Wadde-hadde-dudde-da“, wie Raab sagen würde. Und so haben sie den alten ProSieben-Haudegen mit 90 Millionen Euro in ihr Heiligtum am Rhein gelockt. Und wofür genau? Natürlich Gameshows! Davon gibt es in Deutschland noch zu wenig.
Die Premiere: Ein Knopf auf der Fernbedienung, der einen weit zurück in die Zeit führt. Ein Boxkampf zwischen Stefan Raab und Ex-Weltmeisterin Regina Halmich, wie er 2001 stattfand. Ein Zeitsprung von zwei Jahrzehnten in eine Welt, in der Gerhard Schröder noch Bundeskanzler war, Putin im Nachrichtenkanal des Senders ein lupenreiner Demokrat war und es weder iPhones noch soziale Medien gab. So stellen sie sich die Zukunft bei RTL vor.
„Bauer sucht Frau“ können sie. Aber nicht unbedingt der klügere Typ Mensch, der nach Wahrheit sucht. RTL feiert, dass offenbar 5,8 Millionen Zuschauer den Boxkampf geschaut haben, was nach eigener Interpretation einen Marktanteil von 25 Prozent bedeuten würde, wobei jeder vierte Haushalt in Deutschland eingeschaltet hat…aber sie haben ihr Geschäft ohne uns Punks gemacht. Rechnen wir mal schnell nach: Wenn 5,8 Millionen Menschen Raab geschaut haben und es laut Statistischem Bundesamt aktuell 82,7 Millionen Einwohner in Deutschland gibt, bedeutet das, dass 76,9 Millionen lieber woanders hin gezappt oder geswiped haben oder keinen analogen Fernseher mehr besitzen.
Das entspricht einer Nichteinschaltquote von 92,99 Prozent. Wenn RTL von Pulverisierung spricht, dann meint er wohl: Hier wird die Asche des linearen Fernsehens verstreut.
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