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Terrorprozess: Auf der Suche nach Kontakt zu Milizen im Donbass?


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Stand: 30. Oktober 2025 8:17 Uhr

Im Fall des mutmaßlichen russischen Spions Dieter S. will das Oberlandesgericht München heute sein Urteil verkünden. Chatprotokolle deuten darauf hin, dass er 2014 aktiv Unterstützern prorussischer Einheiten in der Ostukraine geholfen hat.

Dieter S. wurde im April 2024 von deutschen Behörden festgenommen. Anlass war damals der Verdacht, dass er mit einem mutmaßlichen Kontaktmann des russischen Geheimdienstes in Kontakt gestanden habe. Mit ihm soll er sich beispielsweise über Sabotageaktionen gegen Züge in Deutschland ausgetauscht haben.

Mit Hilfe von zwei weiteren Tatverdächtigen soll Dieter S. auch Militärtransporte ausspioniert haben. Seit diesem Frühjahr steht er wegen des Verdachts der Spionage vor dem Oberlandesgericht München vor Gericht. Während des monatelangen Prozesses bestritten die drei Angeklagten stets die Vorwürfe.

Im Donbass gekämpft?

Gegen Dieter S. gibt es einen weiteren Vorwurf. Laut Anklage schloss er sich 2014 Milizen in der Ostukraine an. Er soll Teil der sogenannten „Pjatnaschka-Brigade“ gewesen sein. Dabei soll es sich um einen Teil der selbsternannten „Volksrepublik Donezk“ gehandelt haben, die die Bundesanwaltschaft als Terrororganisation einstuft.

Demnach wurde Dieter S. auch wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen Terrororganisation angeklagt. Auch Dieter S bestreitet dies. Während des Prozesses erklärte sein Anwalt Michael Löwe unter anderem, dass sein Mandant beim Surfen im Internet eine Frau getroffen habe, die er besuchen wollte. Die Frau stammte aus Donezk und hatte dort einen Marktstand.

Ein zentrales Beweisstück für die Bundesanwaltschaft war ein Fernsehbeitrag von ZDF. Darin tritt Dieter S. als mutmaßlicher Kämpfer auf. Fotos sollen den heute 42-Jährigen in der Kampfausrüstung der Brigade zeigen.

Während des Prozesses stellte sein Verteidiger Löwe die Beweise in Frage. Es könnten beispielsweise Videos inszeniert worden sein. Sein Mandant sei ein Schauspieler, ein Angeber, jemand, der viel sage, um akzeptiert zu werden und „Frauen zum Sex zu bringen“, sagte Löwe in seinem Schlussplädoyer Ende letzter Woche.

„In meiner Seele bin ich Russe“

Doch nun tauchen neue Hinweise auf, die darauf hindeuten, dass Dieter S. im Jahr 2014 aktiv den Kontakt zu prorussischen Einheiten gesucht hat. Dem SWR Aus dieser Zeit gibt es vertrauliche Chatprotokolle. Darin tauschten sich Männer aus, die vermutlich von Moskau aus die Kampfhandlungen der Brigaden steuerten und Verbindungen zu Spezialeinheiten des russischen Geheimdienstes GRU hatten. Ihre Aufgabe bestand daher darin, Kämpfer zu rekrutieren und sie einzelnen Brigaden zuzuordnen. Sie sollen potenziellen Rekruten auch von Korridoren erzählt haben, über die sie in das Kampfgebiet hätten gelangen können.

Am 15. November 2014 teilte ein Mann namens Igor B. den Text einer Nachricht, die ihn in einer Chatgruppe erreicht hatte. Demnach hatte sich ein Mann aus Deutschland gemeldet. Der Mitteilung zufolge hatte der Mann keine Kampferfahrung, wollte sich aber freiwillig melden und helfen. Im Text heißt es: „Obwohl ich der Heimat entrissen wurde und meine Vorfahren Deutsche sind, bin ich in meiner Seele Russe und werde es immer bleiben.“

Der Name des Mannes: Dmitrij S. In den Chatprotokollen ist ein Social-Media-Profil mit diesem Mann verlinkt. Es gibt deutliche Hinweise auf Dieter S., darunter ein Video mit einem Fahrzeug mit Bayreuther Kennzeichen. Bayreuth ist sein letzter Wohnort. Diese und weitere Recherchen führen zu der Vermutung, dass es sich bei der Person um Dieter S. handelt, den Mann, der in München vor Gericht steht.

Anwalt weist Vorwurf zurück

Auch über die Reiseroute soll sich S. mit Igor B. ausgetauscht haben. S. soll vorgeschlagen haben, mit dem Auto anzureisen. Den Chats zufolge war geplantes Ankunftsdatum und Ziel der 16. Dezember 2014 in der Region Rostow.

Beide Aussagen decken sich mit den im Prozess bekannt gewordenen Ermittlungsergebnissen des Generalbundesanwalts. Der SWR konnte zumindest einen der mutmaßlichen Unterstützer, die sich in den Chats austauschten, als offiziellen Kontakt der „Volksrepublik Donezk“ identifizieren.

Wie ernst sollten diese Chatprotokolle genommen werden? Dieter S. kommentiert SWR-Anfrage nicht zu einem vermuteten aktiven Einsatz bei prorussischen Einheiten. Sein Anwalt teilt schriftlich mit, sein Mandant habe vor dem Bundeskriminalamt und dem Oberlandesgericht München ausgesagt. Weiter heißt es: „Mein Mandant hat die Teilnahme an der Pjatnaschka-Brigade bestritten. Daher müssen Ihre widersprüchlichen Angaben falsch sein.“

An SWRAuf die Frage, ob ihnen diese Chatprotokolle bekannt seien, antwortete die Bundesanwaltschaft, sie wolle sich dazu nicht äußern.

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