Der Laver Cup muss in diesem Jahr ohne die dominierenden Spieler der letzten 20 Jahre auskommen. Ob dieser Wettbewerb eine glanzvolle Zukunft haben kann, könnte sich in den nächsten Tagen in Berlin zeigen.
Es gibt ein Foto, das den Laver Cup überdauern wird, egal, was in Zukunft mit dem kontinentalen Tenniswettbewerb passiert. 2022 beendete Roger Federer seine Karriere in dem von ihm mitgegründeten Wettbewerb zwischen Team Europe und Team World. Nachdem Federer sein letztes Match, ein Doppel an der Seite seines langjährigen Rivalen und geschätzten Kollegen Rafael Nadal, bestritten hatte, blickte der Schweizer von der Spielerbank aus hinauf zur Decke der Londoner O2-Arena. Dort war auf der Leinwand eine Collage mit den Höhepunkten von Federers Karriere zu sehen.
Eine Karriere, die, wie wir wissen, sehr reich an Höhepunkten war. Doch Federer lehnte sich nicht einfach zurück. Was er sah, berührte ihn so sehr, dass er seinen Tränen freien Lauf ließ. Nadal, ebenfalls mit feuchten Augen, saß neben ihm. Als Federer kurz Nadals Hand nahm, drückte Fotografin Ella Ling auf den Auslöser. Aus einem intimen Moment war ein Bild für die Tennis-Ewigkeit geworden.
Fedorer (l.) und Nadal beim Laver Cup 2022 in London
Sinner, Djokovic und Nadal nicht in Berlin dabei
Nun, zwei Jahre später, und trotz aller Erfolge des jungen Duos Carlos Alcaraz und Jannik Sinner, und trotz Novak Djokovics anhaltendem goldenen Herbst, leidet der Laver Cup unter einem kleinen Kater. Ob danach eine neue Glanzzeit beginnt, wird sich in den kommenden Tagen in Berlin entscheiden. Alcaraz wird antreten, Sinner und Novak Djokovic werden dem Wochenende trotz aller finanziellen Anreize jedoch fernbleiben.
Guido Ringel, Sportschau, 19.09.2024 21:26
Auch der größte Star des Wochenendes, Rafael Nadal, von dem viele angenommen hatten, dass er beim Laver Cup womöglich seine Karriere beenden könnte, ist den Veranstaltern in der vergangenen Woche verloren gegangen. Nicht nur für die Zuschauer schade. Auch die Veranstalter hätten sich mehr Strahlkraft im ohnehin schon vollgepackten Tennis-Kalender gewünscht.
Zverev: „Für mich immer noch etwas Besonderes“
Auch Alexander Zverev, Gastgeber des diesjährigen Laver Cups, erneuerte seine Kritik am zu vollen Terminkalender: „Wir spielen elf Monate im Jahr, der Terminplan ist extrem voll, da muss sich langfristig etwas ändern.“ Zverev betonte allerdings auch die Bedeutung des Wettkampfs zwischen den Kontinenten: „Trotzdem ist der Laver Cup für mich immer noch etwas Besonderes. Die besten Spieler im Team zu haben, Teamkollegen zu haben, gegen die man normalerweise im Halbfinale oder Finale eines Grand Slam spielt, das gibt es nur beim Laver Cup.“
Alcaraz (l.) und Zverev beim Training in Berlin
Bei der Gründung dieses Wettbewerbs war geplant, den Laver Cup in den Olympiajahren auszusetzen. Doch diese Idee wurde nach dem Erfolg der ersten Ausgabe verworfen. So wurden 2021 die Spiele nach den Tokio-Spielen ausgetragen, so wie in diesem Jahr nach dem Olympiasommer in Paris. Viele Tennisspieler scheinen tatsächlich am Ende zu sein. Beim Davis Cup vergangene Woche waren die absoluten Topspieler rar. In Berlin wird außer Sinner und Djokovic, der sich nach eigener Aussage fortan vor allem auf die Grand Slams und Länderspiele für Serbien konzentrieren will, die Weltspitze antreten. Sechs Spieler aus den aktuellen Top 10 der Weltrangliste werden dabei sein.
De Minaur und Paul fehlen verletzungsbedingt
Wie sehr das Jahr den Profis zugesetzt hat, sieht man auch bei den weiteren Teilnehmern des diesjährigen Events: Die beiden Topspieler Alex de Minaur und Tommy Paul fehlen verletzungsbedingt im Team World. Für sie sind der Argentinier Francisco Cerundolo und der Australier Thanasi Kokkinakis angetreten. Sie sind gute Tennisspieler, ihre Teilnahme wird jedoch keinen Ticketkäufer dazu bewegen, tief in die Tasche zu greifen. Mit Ben Shelton und Carlos Alcaraz sind zwei der charismatischsten Spieler der Welt dabei. Zudem wächst eine neue, spannende Spielergeneration heran. Holger Rune und Jack Draper, die in diesem Jahr nicht nominiert waren, haben das Potenzial, schon bald zu dominierenden Figuren im Tennis zu werden. Bis sie ein solches Event tragen können, wird es allerdings wohl noch dauern.
McEnroe und Borg zum letzten Mal als Kapitäne
So versucht das Team auch an der Seitenlinie auf die großen Namen zu setzen. Die Kapitäne der vergangenen Ausgaben werden in diesem Jahr ein letztes Mal ihren Job machen. Der schillernde John McEnroe an der Seite von Team World und der in früheren Ausgaben eher blasse Björn Borg. Ab dem nächsten Jahr werden sie durch Andre Agassi und Yannick Noah ersetzt. Zwei Helden vergangener Tage, die für Glamour und Show sorgen sollen.
Auch Alexander Zverev ist in Berlin einer der ganz Großen und Publikumsmagneten. Können er und seine Kollegen in den kommenden Tagen in Berlin neue Geschichten schreiben, gar die etwas künstlich geschaffene kontinentale Rivalität wiederbeleben, die im Golfsport dank des Ryder Cups so wirkungsvoll ist? Viele enge Matches, eine Entscheidung erst am Sonntagnachmittag, das würde sicher helfen, die etwas angespannte Emotion nach dem 13:2-Sieg des Team World im vergangenen Jahr zu vergessen.
Tickets noch zu stolzen Preisen erhältlich
Wie schon bei den vergangenen Ausgaben dürfte das Publikum in Berlin aus aller Welt kommen. Dass Alexander Zverev nicht der erhoffte lokale Publikumsmagnet ist, wird kaum eine Rolle spielen. Die einheimischen Zuschauer werden dringend benötigt, um auch die letzten Plätze auszuverkaufen. Besonders im Unterrang sind die Preise happig. Für jede der fünf Sessions müssen mittlere dreistellige Beträge bezahlt werden. Derzeit sind noch einige dieser Tickets verfügbar.
Am Ende wird es also wohl Roger Federer sein, der es schaffen muss. Er ist seit einigen Tagen in Berlin. Auch zwei Jahre nach seinem Karriereende umgibt den Schweizer die Aura eines absoluten Superstars. Es wäre nicht verwunderlich, wenn er an diesem Wochenende in der Berliner Arena aufkreuzen würde. Vielleicht kann sich der eine oder andere aus der nächsten und übernächsten Generation noch etwas von Federers Lockerheit abschauen. Es wäre gut für die Zukunft des Laver Cups, und für die Zukunft des Herrentennis im Besonderen.