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©Fenerbahçe
Einen kürzeren Weg zur Arbeit hatte Domenico Tedesco wohl selten. Die ersten Wochen nach seinem Amtsantritt bei Fenerbahce verbrachte der 40-Jährige die Nacht im Trainingszentrum des türkischen Traditionsvereins. Mittlerweile lebt er in einem Hotel und es blieb einfach keine Zeit, nach einer dauerhaften Unterkunft zu suchen. Auch der ehemalige Bundesliga-Trainer von Schalke und Leipzig erlebte in Istanbul einen turbulenten Start – und das nicht einmal aus sportlicher Sicht.
Sein neuer Verein habe „unglaubliche Power“ und „fantastische Fans“, sagte Tedesco der „Deutschen Presse-Agentur“. Das Europa-League-Spiel gegen den VfB Stuttgart am Donnerstag (18:45 Uhr/RTL+) ist sein neuntes Spiel als Fenerbahce-Trainer – und natürlich ein besonderes. „Ich komme aus der Region und der Verein hat mir die Chance gegeben, als Trainer im Nachwuchsbereich Fuß zu fassen“, sagte der gebürtige Italiener, aber in Esslingen aufgewachsene Tedesco vor dem Duell mit dem VfB, der wettbewerbsübergreifend fünf seiner letzten sechs Spiele gewonnen hat und nach dem 3:0-Sieg beim VfL Wolfsburg zuversichtlich reist.
Unruhe bei Fenerbahce seit Saisonbeginn
Auch sportlich lief es für Tedesco am Bosporus bisher gut. Mit dem 19-fachen Meister ist er in der Süper Lig noch ungeschlagen. Und doch ging es seit seinem Wechsel zu Fenerbahce Anfang September zeitweise etwas wild zu. Sobald Tedesco ankam, kam es zu einem Machtwechsel im Verein. Sadettin Saran löste überraschend den langjährigen Präsidenten Ali Koç ab. Dass ein solches Szenario in der Türkei weitere personelle Konsequenzen nach sich zieht, ist keine Seltenheit und wurde zunächst von Tedesco und Sportdirektor Devin Özek, zuvor Assistent von Simon Rolfes bei Bayer Leverkusen, angedeutet. Bisher blieben beide jedoch von Konsequenzen verschont.
Allerdings stellt sich die Frage, wie lange es dauern wird, bis die Diskussionen wieder Fahrt aufnehmen bzw. ob Tedesco dem erfolgreich entgegenwirken kann. Cem Atakara, Content Manager Türkei bei Transfermarkt, sagt: „Die Mannschaft hat in der Süper Lig noch kein Spiel verloren, liegt aber mit fünf Siegen aus neun Spielen nur auf dem dritten Platz und sechs Punkten hinter dem Erzrivalen Galatasaray. Niemand hat wirklich Hoffnung, nach zwölf Jahren Wartezeit im Jahr 2026 wieder Meister zu werden.“
Und nicht weniger als diese Meisterschaft hatten sich die Fenerbahce-Fans von Tedesco erhofft, der die Nachfolge des nach verpasster Champions-League-Qualifikation vorzeitig entlassenen José Mourinho antrat. Doch „nur wenige führen die aktuelle Situation auf Tedesco zurück“, erklärt der TM-Experte. „Weil das Team von Mourinho aufgebaut wurde und zwei Wochen nach Tedesco ein neuer Präsident, Saran, kam.“
Doch dass der DFB-Pokalsieger von 2022 auf dem Spielfeld noch nicht die entscheidenden Antworten gefunden hat, lässt sich nicht leugnen: „Er probiert ständig Neues aus und sucht nach Lösungen.“ Für weitere Unruhe sorgte zuletzt die Entscheidung, die langjährigen türkischen Nationalspieler İrfan Can Kahveci (30) und Cenk Tosun (34) aus dem Kader auszuschließen. „Aufgrund all dieser Umstände kann man nicht hoffen, dass Tedescos Amtszeit bei Fenerbahce noch lange anhält.“
Tedesco: Druck bei Vereinen wie Fenerbahce „völlig normal“
Auch Tedesco selbst weiß: „Natürlich gibt es hier Druck. Aber wenn man für einen so großen Verein arbeitet, ist das völlig normal. Man muss damit umgehen können.“ Dass die Euphorie bei Fans und Medien oft in Hysterie umschlägt, sieht er gelassen. „Ich mag es, wenn es große Emotionen gibt. Das zeigt, dass den Leuten der Verein egal ist, dass sie ihn unterstützen.“ Beim Duell mit den Schwaben im gefürchteten Kessel von Şükrü Saraçoğlu, der rund 50.000 Zuschauer fasst, dürfte es am Donnerstag nicht anders sein.