Kein syrischer Präsident hat jemals das Weiße Haus betreten. Donald Trump empfängt Ahmed al-Sharaa, der nach dem Sturz Assads in Syrien an der Macht ist. Dafür mussten die USA ihn zunächst von der Terroristenliste streichen.
Fast ein Jahr nach dem Sturz von Syriens Machthaber Bashar al-Assad treffen sich Interimspräsident Ahmed al-Sharaa und US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus. Seit der Unabhängigkeit Syriens im Jahr 1946 wurde kein Präsident des Landes mehr in Washington empfangen. Syrische Medien und Kabinettsmitglieder bezeichneten das Treffen daher im Vorfeld als „historisch“. Al-Sharaa wird voraussichtlich die Teilnahme seines Landes an der von den USA geführten Koalition zur Bekämpfung der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) bekannt geben.
Trump lobte seinen Besucher überschwänglich: „Ich denke, er macht einen sehr guten Job. Das ist eine schwierige Gegend und er ist ein harter Kerl, aber wir verstehen uns großartig“, sagte Trump vor dem Treffen. Es habe große Fortschritte gegeben, fügte er hinzu. Wenige Tage vor dem Besuch hatte das Weiße Haus zunächst die Sanktionen gegen al-Sharaa aufgehoben. Der ehemalige Chef der Islamistenmiliz HTS (Haiat Tahrir al-Sham), die teilweise aus einem Al-Qaida-Ableger in Syrien hervorgegangen ist, stand seit 2013 auf der US-Terrorliste.
Die USA setzten sogar ein Kopfgeld von 10 Millionen Dollar auf al-Sharaa aus. Nach dem Sturz Assads durch ein von Sharaa angeführtes Rebellenbündnis und seinem Amtsantritt wurde dieses zurückgezogen. Nach eigenen Angaben hat der Interimspräsident seiner Vergangenheit abgeschworen und pflegt ein anspruchsvolles Image. Nach seiner Ankunft in Washington am Wochenende wurde er beim Basketballspielen mit hochrangigen US-Militäroffizieren gefilmt. Der von Außenminister Asaad al-Shaibani auf Instagram geteilte Clip erhielt innerhalb weniger Stunden Tausende von Likes.
Das US-Außenministerium erklärte nach der Aufhebung der Sanktionen, dass die Fortschritte der syrischen Führung nach dem Sturz Assads und vielen Jahren der Unterdrückung anerkannt würden. Al-Sharaa arbeitet daran, vermisste Amerikaner ausfindig zu machen, Terrorismus und Drogenhandel zu bekämpfen und Sicherheit in der Region zu schaffen. Zuvor hatte der UN-Sicherheitsrat die Sanktionen gegen al-Sharaa und seinen Innenminister Anas Hasan Khattab aufgehoben. Eine entsprechende Resolution der USA wurde nahezu einstimmig mit 14 Stimmen angenommen, nur China enthielt sich der Stimme.
Die gestürzte Regierung kämpfte auch gegen den IS und andere Extremisten im Land. Trotz des gemeinsamen Feindes gab es keine Vereinbarungen oder militärische Zusammenarbeit mit den USA. Washington betrachtete die Assad-Regierung als illegitim. Grund dafür waren unter anderem die schweren Vorwürfe von Giftgasangriffen, systematischer Folter und anderen schweren Verbrechen gegen die eigene Bevölkerung.
Im Jahr 2014 überrannte der IS große Gebiete in Syrien und dem benachbarten Irak. Zeitweise kontrollierte er etwa ein Drittel Syriens und 40 Prozent des Irak. Die USA koordinierten einen Kampf gegen den IS, der vor allem von kurdischen Milizen geführt wurde. Mittlerweile gilt die Terrororganisation militärisch besiegt – Schätzungen gehen jedoch davon aus, dass in beiden Ländern noch rund 2.500 IS-Kämpfer aktiv sind und ebenfalls Anschläge verüben. Zehntausende ehemalige IS-Anhänger – vor allem Frauen und Kinder – werden zudem in Lagern im Nordosten Syriens festgehalten, die seit langem als Brutstätte für neue Rekruten gelten.
Bei dem Gespräch zwischen Trump und al-Sharaa dürfte es auch um das Verhältnis Syriens zu Israel gehen. Im Rahmen seiner Ambitionen in der Region wünscht sich Trump auch eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Syrien und Israel. Nachdem er im Mai die Aufhebung der US-Sanktionen gegen Syrien angekündigt hatte, ermutigte er Syrien, auch Israel anzuerkennen.
Nach Assads Sturz signalisierten die neuen Machthaber Offenheit für eine Annäherung an Israel. Über ein mögliches Sicherheitsabkommen wird seit Monaten verhandelt, auch unter Vermittlung der USA. Al-Sharaa betonte jedoch, dass eine Einigung keine Normalisierung der Beziehungen zu Israel bedeute.
Seit 1948 im Krieg mit Israel
Das Misstrauen zwischen den Nachbarn sitzt tief: Seit 1948 befinden sich Israel und Syrien offiziell im Krieg, ein Friedensvertrag kam nie zustande. Seit dem Sechstagekrieg 1967 besetzt Israel auch die strategisch wichtigen Golanhöhen. Nach dem Sturz Assads nahmen israelische Luftangriffe auf militärische Ziele wie Waffendepots in Syrien zu. Israel rechtfertigte die Angriffe damit, zu verhindern, dass Waffen und insbesondere chemische Kampfstoffe in die Hände von Extremisten fielen. Darüber hinaus drangen israelische Truppen weiter in syrisches Gebiet vor, bis in eine Pufferzone auf den Golanhöhen.
Bei Zusammenstößen zwischen sunnitischen Beduinengruppen und Drusen im Süden des Landes griff das israelische Militär vorübergehend mit Luftangriffen auf drusischer Seite ein. Unter anderem wurden das Verteidigungsministerium und das Militärhauptquartier in Damaskus bombardiert. Al-Sharaa verurteilte die israelischen Angriffe auf syrisches Territorium wiederholt aufs Schärfste.
dpa/her
