Aufrüstung
Super-Stealth – Chinas neuer Kampfjet besitzt bisher unerreichte Tarnfähigkeiten
Chinas neuer Kampfjet J-36 zeigt, wie Peking sich den Luftkrieg der Zukunft vorstellt. Der Stealth-Jet der 6. Generation erreicht das nächste Level der Radartarnung.
Was macht einen Jet der 6. Generation so besonders? Er hat Eigenschaften, die die Vorgänger so nicht hatten. Dazu gehören zunächst ein optimiertes Stealth-Design, das es sehr viel schwerer macht, das Flugzeug zu erfassen, und eine sehr hohe Geschwindigkeit bei sehr hoher Flughöhe – für herkömmliche Luftverteidigung, ob Raketen oder Jets, sind diese Maschinen unerreichbar. Hinzu kommen eine umfangreiche Sensorik und die Fähigkeit, als fliegende Kommandozentrale zu wirken und Begleitdrohnen zu steuern.
Konzept des Nurflügers
Dass China an Jets der 6. Generation arbeitet, war lange bekannt. Aber dass kurz vor Silvester gleich zwei Demonstrationsmodelle gezeigt wurden, überraschte dann doch. Beide hoben über den Werksflughäfen ihrer jeweiligen Hersteller, der Chengdu und Shenyang Aircraft Corporations, ab – beide wurden von einem älteren Kampfflugzeug begleitet. Und dazu wurden Videoaufnahmen gemacht und veröffentlicht. Das gibt China zumindest in der PR einen Vorteil. Flüge vergleichbarer Modelle habe es in den USA bereits Jahre zuvor gegeben, so das US-Militär. Doch einen Video-Beweis dafür gab es nie.
Größte Besonderheit beider Demonstrationsmodelle ist, dass sie keinen Schwanz besitzen. Flügel und Steuerflächen befinden sich in einer Ebene. Die USA weisen darauf hin, dass die Tarnkappenbomber Northrop Grumman B-2 und B-21 der USAF ebenfalls so aufgebaut sind. Entwickelt wurde das Konzept eines Nurflüglers mit der Horten Ho 229 bereits im Zweiten Weltkrieg in Deutschland.
Fliegende Kommandozentrale
Bei einer bauchigen Auslegung verfügt so ein Jet über sehr viel Innenraum. Allerdings gibt es Spekulationen, dass die chinesischen Modelle klappbare Leitwerke haben könnten, die im Tarnflug versenkt werden. Das größere Modell, die J-36, bereitet am meisten Kopfzerbrechen. Es ist sicher kein klassischer Jäger. Schon die Anzahl von drei Triebwerken ist ungewöhnlich.
Fotostrecke: strategischer Stealth Bomber B-21 Raider
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Anders ausgedrückt: Die J-36 deutet an, wie die Chinesen sich den Luftkrieg der Zukunft vorstellen. Die Aufgabe des Jets besteht darin, in Zonen mit hohen Luftverteidigungsfähigkeiten einzudringen und dort weitreichende Waffen einzusetzen. Seien es Raketen oder Begleitdrohnen. Ein Luftkampf im Sichtbereich ist nicht vorgesehen. Die J-36 ist Träger und Kommandozentrale, der kämpfende Teil ist die Ladung. US-Analyst Rick Joe schlägt daher die Bezeichnung „Air Cruiser“ vor, als griffiges Äquivalent zu dem sperrigen Begriff „leistungsfähige, bewaffnete Kommandoplattform“.
Nächste Generation der Stealth-Tarnung
Die Gestalt des Jets deutet auf hohes Ladevolumen bei hoher Reichweite hin. Ein Einsatz könnte so aussehen: Nach dem Start erreicht die Maschine eine Flughöhe am Rande der Atmosphäre und dringt so mit Hyperschallgeschwindigkeit tief in den pazifischen Raum ein, unentdeckt vom Radar und dazu auch von der Luftverteidigung nicht zu erreichen. Hunderte von Kilometern vom Ziel entfernt, startet die J-36 ihre Waffen, die Bodeneinrichtungen, Flugzeugträger oder Luftziele wie Überwachungsflugzeuge angreifen. Mit so einem Konzept könnte Peking weite Teile des Pazifiks in eine unsichere Zone verwandeln.
Die Leistungsfähigkeit vieler Komponenten so eines Jets kann von außen nicht beurteilt werden. Neben der sichtbaren Form spielt die Beschichtung des Kampffliegers eine entscheidende Rolle bei den Tarnfähigkeiten. Die „South China Morning Post“ berichtet, dass ein Team unter der Leitung von Zhou Hai von der Tarnabteilung des chinesischen AVIC Chengdu Aircraft Design and Research Institute einen neuen Bewertungsstandard für Stealth-Technik entwickelt habe. Dieser Standard stelle Anforderungen, die bisher als unerreichbar galten. Ein neues Material, das diesen Standard erfülle, soll demnach bei der J-36 erprobt werden. Es soll nicht nur die hochfrequenten Militärradare absorbieren, sondern auch die niederfrequenten Signale spezieller Anti-Stealth-Radare schlucken können.
Wettrennen der Supermächte
Wer liegt im Stealth-Rennen vorn? Allein mithilfe von Demonstrationsmodellen lässt sich diese Frage nicht beantworten, da niemand weiß, welche Fähigkeiten die Flugzeuge tatsächlich besitzen und welche Ideen sich bewähren und welche nicht. China hat mit seinen Vorführungen gezeigt, dass diese Modelle in Lebensgröße flugfähig sind. In jedem Fall ist die Aufholgeschwindigkeit Pekings erstaunlich. Wenn die USA hier nicht zulegen, ist es unausweichlich, dass sie überholt werden. Nach Budgetproblemen ruht das Next Generation Air Dominance (NGAD) Projekt der USA derzeit.
Peking entwickelt den strategischen Stealth-Bomber H-20 und verfügt über das Stealth-Kampfflugzeug Chengdu J-20. Nun kommen zwei weitere Modelle hinzu. Dazu werden Überwachungsflugzeuge und Drohnen mit Stealth-Technik und Hyperschallgeschwindigkeit entwickelt.
Allein mit diesem Rundumprogramm übt die Volksbefreiungsarmee Druck aus. Wenn die USA weiter überlegen sein wollen, müssen sie enorme Anstrengungen unternehmen. Das gilt vor allem für die Taktung. Es ist nicht anzunehmen, dass die chinesischen Modelle nach wenigen Jahren in die Serienproduktion gehen, aber sie könnten die langen Entwicklungszyklen und Verzögerungen im Westen deutlich unterbieten. Dazu kommt die Kostenfrage. Im Westen sind Rüstungsgüter generell sehr teuer. Sollte Peking sie sehr viel günstiger als Washington beschaffen können, werden die USA ins Hintertreffen geraten.