Südkorea stürzt ins Chaos – und diskutiert über Atomwaffen

Südkorea stürzt ins Chaos – und diskutiert über Atomwaffen

Südkorea ist bekannt für seine erfolgreichen Serien: Derzeit führt die zweite Staffel von „Squid Game“ weltweit die Netflix-Charts an. Doch was das Land seit einem Monat in der Realität erlebt, scheint unglaublicher als jedes Drehbuch.

Am 3. Dezember hatte Präsident Yoon Suk Yeol wegen eines Haushaltsstreits das Kriegsrecht verhängt und damit massive Proteste der Bevölkerung ausgelöst. Das Parlament stimmte daraufhin in einer Sondersitzung für die Absetzung des Präsidenten, der seitdem suspendiert ist. Gegen Yoon wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und Haftbefehl erlassen.

200 Soldaten und Sicherheitskräfte versperren der Polizei den Weg

Beim Versuch, den Präsidenten zu verhaften, spielten sich am Freitag nun unglaubliche Szenen ab. Als die Beamten in seiner Residenz eintrafen, wurden sie von einer Armeeeinheit daran gehindert, den Haftbefehl gegen Yoon zu vollstrecken. Den rund 20 Ermittlern und 80 Polizisten sei auf dem Gelände der Residenz in der Hauptstadt Seoul der Weg von rund 200 Soldaten und Sicherheitskräften versperrt worden, berichtete die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap unter Berufung auf die Antikorruptionsbehörde CIO. Zur Blockade seien auch geparkte Busse und Autos eingesetzt worden.

CIO-Beamte und Polizisten seien zahlenmäßig unterlegen und die Lage angespannt gewesen. Der Festnahmeversuch sei nach sechs Stunden abgebrochen worden, teilten die Behörden mit. Man bedauere das Verhalten Yoons und wolle nun weitere Schritte prüfen, zitierte Yonhap die Behörden. Die Frist für die Vollstreckung des Haftbefehls läuft am Montag ab – der Haftbefehl ist also nur noch wenige Tage gültig.

Yoons Anwalt Yoon Kap Keun kritisierte das Vorgehen der Ermittler als rechtswidrig. „Die Vollstreckung eines Haftbefehls, der illegal und ungültig ist, ist in der Tat nicht rechtmäßig“, sagte der Jurist. Er kündigte „rechtliche Schritte“ gegen die Vollstreckung des Haftbefehls an.

Der Haftbefehl gegen Yoon war am Dienstag im Zusammenhang mit den Ermittlungen wegen seiner kurzzeitigen Verhängung des Kriegsrechts erlassen worden, nachdem sich der Politiker wiederholt geweigert hatte, von den Ermittlern befragt zu werden. Gegen Yoon ermitteln sowohl die Staatsanwaltschaft als auch ein gemeinsames Team von Polizei, Verteidigungsministerium und Antikorruptionsbehörde. Letztere soll die Umstände der umstrittenen Verhängung des Kriegsrechts untersuchen.

Die kurzzeitige Verhängung des Kriegsrechts hatte Südkorea in die schwerste politische Krise seit Jahrzehnten gestürzt. Die Spannungen hatten sich in der vergangenen Woche weiter verschärft, als das Parlament dafür stimmte, auch Yoons Nachfolger, Übergangspräsident Han Duck Soo, seines Amtes zu entheben. Die Opposition hatte die Abstimmung mit der Begründung beantragt, Han habe sich geweigert, das Amtsenthebungsverfahren gegen Yoon abzuschließen. Han wurde durch Finanzminister Choi Sang Mok ersetzt.

Zwei Drittel der Südkoreaner sind für eine atomare Bewaffnung des Landes

Inmitten dieses politischen Chaos wird in Südkorea darüber diskutiert, ob das Land seine Verteidigung nicht mit eigenen Atomwaffen verstärken sollte. Bisher steht Südkorea unter dem nuklearen Schutzschild der USA. Mit der Wiederwahl von Donald Trump zum Präsidenten könnte sich dies ändern. Während seiner Amtszeit von 2016 bis 2020 hat Trump mehrere Staaten dazu aufgefordert, einen größeren Teil ihrer Verteidigung selbst zu übernehmen. Diese Forderung dürfte er in seiner neuen Amtszeit wiederholen.

Unter Yoon, der bis zu einer Entscheidung über seine Amtsenthebung durch das Verfassungsgericht faktisch noch amtierender Staatschef ist, wäre in diesem Zusammenhang die Entwicklung eigener Atomwaffen denkbar. Bereits im November hatten mehrere Politiker seiner konservativen Partei People Power erklärt, Südkorea solle verstärkt das Ziel verfolgen, Zugang zu eigenen Atomwaffen zu erhalten. Der pensionierte Drei-Sterne-General Han Ki-ho, führender Militärexperte der Regierungspartei, sagte: „Für Südkoreas Überleben ist die nukleare Bewaffnung möglicherweise der einzige Weg, der uns bleibt.“

Angesichts der zunehmenden Spannungen mit Nordkorea hat Südkorea in den letzten Jahren massiv aufgerüstet. Auch die Zahl der Militärmanöver mit dem strategischen Partner USA sowie mit Japan hat in der Amtszeit Yoons deutlich zugenommen. Laut einer Umfrage vom vergangenen Sommer befürworten rund zwei Drittel der Südkoreaner eine nukleare Bewaffnung des Landes. 2010 waren es nur etwas mehr als die Hälfte.

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