Die Menschen, die neben Ihnen auf der Regierungsbank sitzen, haben sich nicht mehr viel zu sagen: Finanzminister Christian Lindner (M), Wirtschaftsminister Robert Habeck (l) und Bundeskanzler Olaf Scholz (r) im Bundestag
Foto: dpa/Kay Nietfeld
Der Ton in der Koalition wird härter. Nachdem Bundeskanzler Scholz und Finanzminister Lindner letzte Woche getrennte Treffen mit Wirtschaftsvertretern einluden, die wie Konkurrenzveranstaltungen wirkten, und ein Papier von Wirtschaftsminister Habeck wenige Tage zuvor keine Wirkung zeigte, reichte Lindner am Freitag einen eigenen Brief ein, der sich wie ein Scheidungspapier anfühlte liest. In dem Brief mit dem Titel „Wirtschaftswende in Deutschland – Konzept für Wachstum und Generationengerechtigkeit“ verfolgt er eine neoliberale Agenda, die mit den Koalitionspartnern nicht umgesetzt werden kann. Darauf reagieren die Koalitionspartner verärgert.
»Niemand möchte derzeit eine Prognose wagen, wann genau die nächste Bundestagswahl stattfinden wird. „In der Koalition ist das nicht zu leugnen, die Hütte brennt derzeit“, sagte SPD-Chefin Saskia Esken am Samstag bei einer SPD-Veranstaltung in Hamburg. Sie lehnte Lindners Forderungen klar ab: „Im Großen und Ganzen sind die von ihm dort aufgeführten Punkte nicht umsetzbar.“ in der Koalition.“
In dem Grundsatzpapier fordert der FDP-Chef eine „Wirtschaftswende“ mit einer „teilweise grundlegenden Überarbeitung wichtiger politischer Entscheidungen“, um „Schäden für den Wirtschaftsstandort Deutschland abzuwenden“. Konkret ist von einem sofortigen Moratorium zur Einstellung aller Neuregelungen die Rede. Weiter heißt es, dass als Sofortmaßnahme der Solidaritätszuschlag für alle abgeschafft werden sollte; Nationale Klimaziele müssten durch europäische ersetzt werden.
»Niemand möchte derzeit eine Prognose wagen, wann genau die nächste Bundestagswahl stattfinden wird. „Das Haus brennt gerade in der Koalition.“
Saskia EskenSPD-Vorsitzende
Auch SPD-Parteichef Lars Klingbeil lehnt das Papier ab. Wenn es darum gehe, „die Reichen werden jetzt reicher“ und die arbeitende Mittelschicht weniger Lohn bekommen, länger arbeiten und später weniger Rente bekommen soll, werde die SPD „auf keinen Fall mitmachen“, sagte er der „Augsburger Allgemeinen“. „
Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge beklagte bei einer Parteiveranstaltung in Gifhorn den mangelnden Teamgeist in der Koalition. „Jeder möchte irgendwie sein eigenes Ding machen, niemand möchte mit jemand anderem zusammenarbeiten.“ Sie zog einen drastischen Vergleich zur Lage der Koalition: „Auch ich sitze zu Hause vor dem Fernseher und denke, es ist wie bei einem Auffahrunfall zuzusehen.“ Dennoch will sie am Regierungsbündnis festhalten. »Ich denke, wir haben eine Verantwortung. Wenn man von den Wählern den Auftrag bekommt, eine Regierung zu bilden, dann sollte man das für vier Jahre tun.“
Auch Klingbeil äußerte seine Verärgerung über die neue Regierungskrise. »Ich merke, dass das politische Berlin in diesen Tagen extrem nervös ist und viel darüber spekuliert wird, was als nächstes passieren wird. Aber genau das nervt die Menschen hierzulande. Ich übrigens auch.“ Angesichts der wirtschaftlichen Lage sind viele Bürger besorgt oder sehen sogar ihren Arbeitsplatz gefährdet. „Und sie wollen eine Regierung sehen, die sich nicht jeden Tag auf sich selbst konzentriert, sondern alles tut, um diese Arbeitsplätze zu retten“, betonte er.
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Markus Söder hingegen äußerte sich fast süffisant zum erneuten Streit in der Koalition. „Es ist vorbei: Die Todesglocke der Ampel läutet“, erklärte der CSU-Vorsitzende in der „Bild“-Zeitung. »Eine Regierung, die Papiere gegeneinander verschickt, ist handlungsunfähig und stellt unser Land in Verlegenheit. Es ist an der Zeit, den Stecker zu ziehen und diesem schändlichen Spektakel ein Ende zu setzen.“ Er forderte sofortige Neuwahlen und weiß natürlich, dass die Wahlprognosen derzeit günstig für die Union sind. Dem „Sonntagstrend“ der „Bild am Sonntag“ zufolge legt die Union zu Zweitstärkste Partei ist laut Umfrage die AfD mit 18 Prozent.
Die CDU hingegen lobt Lindners Brief: „Der Finanzminister hat ein mutiges Papier vorgelegt, das die desaströse Lage unserer Wirtschaft schonungslos analysiert und im Grunde die richtigen versorgungspolitischen Antworten gibt“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion. Thorsten Frei (CDU). , die Deutsche Presse-Agentur. Auch CDU-Fraktionschef Friedrich Merz betonte, dass die Vorschläge in die richtige Richtung gingen. „Insgesamt zielen sie auf die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft ab und sind daher im Wesentlichen und angemessen angebotsorientierte Wirtschaftspolitik“, sagte Merz in seinem Newsletter.
Der frühere liberale Bundesinnenminister Gerhard Baum ist besorgt über die Lage der FDP. „Wenn die FDP jetzt die Ampel verlässt, wäre das politischer Selbstmord aus Todesangst“, sagte er dem „Tagesspiegel“. Im „Sonntagstrend“ liegt die Partei derzeit bei 4 Prozent und würde die Rückkehr ins Parlament verpassen.
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