Ein schwerverletzter Patient wird einer Notoperation unterzogen. Die Tochter des Chirurgen darf während des Eingriffs dabei sein, soviel ist sicher. Aber hat das Kind auch mit angepackt?
Darf ein zwölfjähriges Mädchen bei einer Notoperation in Österreich den Schädel eines Patienten aufbohren? Um diese Frage dreht sich ein Prozess in der Stadt Graz. Angeklagt sind ein Neurochirurg – die Mutter des Kindes – und ein weiterer Chirurg. Beide Ärzte waren an dem Eingriff beteiligt.
Die Ärzte bestreiten, dass das Mädchen aktiv mitgeholfen hat. Ihnen werde Körperverletzung vorgeworfen, weil sie angeblich die Behandlung eines Patienten durch eine ungeschulte Person zugelassen hätten, so der zuständige Vertreter der Staatsanwaltschaft. Der Strafrahmen beträgt bis zu einem Jahr Gefängnis, alternativ ist auch eine Geldstrafe möglich.
Bei der Operation im Januar 2024 wurde ein Mann behandelt, der bei einem Forstunfall einen schweren Aststoß auf den Kopf erlitten hatte. Er wurde mit einem Schädel-Hirn-Trauma in das Landeskrankenhaus Graz eingeliefert.
Medizinisch interessierte Tochter
Es war ein Samstag. Die damals 12-jährige Tochter begleitete ihre Mutter an diesem Tag in die Klinik, um englische Vokabeln zu lernen, berichtete der 48-jährige Chirurg vor Gericht. Das medizinisch interessierte Kind bat daraufhin darum, einer Operation beiwohnen zu dürfen. Dass sie dies zugelassen habe, sei „sicherlich ein Fehler“ gewesen, sagte die Mutter.
Nach Aussage des Angeklagten bat die Tochter gegen Ende der Operation um Hilfe. „Die Frage überraschte mich, lehnte sie aber nicht ab, was ein großer Fehler war“, sagte der angeklagte Chirurg. Der 35-Jährige gab zu, dass das Kind seine Hand auf die Bohrmaschine oder auf seine Hand gelegt habe. Aber er habe das Gerät bedient und immer die volle Kontrolle gehabt, betonte er.
Die Chirurgin hatte zu diesem Zeitpunkt ihren Teil der Operation bereits abgeschlossen und war im Operationssaal bereits damit beschäftigt, über weitere geplante Operationen zu telefonieren, wie sie aussagte. Sie wusste nicht, was genau ihre Tochter getan hatte.
Chirurg spricht von „blödem Mutterstolz“
Zeugenaussagen zufolge berichtete die Chirurgin jedoch nach dem Eingriff den Kollegen in der Klinik, dass ihre Tochter gerade ihr erstes Bohrloch gebohrt habe. Vor Gericht sagte die Chirurgin, sie habe das wohl nur „aus dämlichem Mutterstolz“ gesagt, sie meinte es aber nicht im Sinne einer aktiven Beteiligung an der Operation.
Die Operation verlief ereignislos und ohne negative Folgen. Doch der Eingriff hätte wegen der Beteiligung des Kindes „ganz schlimm“ enden können, sagte der Staatsanwalt. „Das zeigt eine unglaubliche Respektlosigkeit gegenüber dem Patienten“, sagte sie.
Bekannt wurden die Vorwürfe durch Gerüchte in der Klinik und durch einen anonymen Brief an leitende Ärzte. Nach Angaben einer Sprecherin des Universitätsklinikums hat sich das Krankenhaus inzwischen von den beiden Angeklagten getrennt Deutsche Presse-Agentur sagte. Es wurde noch kein Urteil gefällt. Der Prozess soll am 10. Dezember fortgesetzt werden.
dpa/jb/LTO-Redaktion
Zitiervorschlag
Bei der Operation der Mutter mitgeholfen?: . In: Legal Tribune Online, 14. Oktober 2025, https://www.lto.de/persistent/a_id/58380 (abgerufen am: 14. Oktober 2025)
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