Anleger haben Angst vor einer Spekulationsblase. Dabei geht es nicht um die enormen KI-Investitionen, sondern um deren komplexe Finanzierung.
Allein in diesem Jahr sollen mehr als 400 Milliarden US-Dollar in den Ausbau der KI-Infrastruktur fließen. Blick auf die Automation Expo 2025 in Mumbai, Indien am 12. August 2025.
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Michael Burry, der Hedgefonds-Manager aus dem Film „The Big Short“, lässt seinen Worten Taten folgen. Er sah die Finanzkrise von 2008 voraus und warnte diese Woche auf X vor einer Blase mit künstlicher Intelligenz an der Börse. Außerdem kaufte er Put-Optionen, um auf Verluste der Staraktien des KI-Booms, Nvidia und Palantir, zu spekulieren.
Die Kursschwankungen an den Aktienmärkten in dieser Woche zeigen, wie nervös Anleger vor möglichen Übertreibungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) sind. Zu Beginn der Woche verloren Technologiewerte in den USA und Asien innerhalb von 24 Stunden 500 Milliarden Dollar an Wert.
Bezogen auf die gesamte Marktkapitalisierung amerikanischer Tech-Giganten wie Nvidia und Meta ist das nur ein Bruchteil. Der Absturz ist nicht passiert. Dennoch sehen manche die Börsenschwäche der vergangenen Tage als Warnzeichen – nach einer Ära schier grenzenloser Euphorie über das Potenzial künstlicher Intelligenz.
Warnende Stimmen
Für Optimisten ist KI eine ebenso große technologische Revolution wie die Dampflokomotive im 19. Jahrhundert. Die Investitionen in die neue Technologie sind enorm. Allein in diesem Jahr sollen mehr als 400 Milliarden US-Dollar in den Ausbau der KI-Infrastruktur fließen.
Doch aufgrund der hohen Profitabilität der amerikanischen Tech-Giganten halten Analysten die Investitionen für gerechtfertigt und bezahlbar. Laut US-Notenbankchef Jerome Powell sind Investitionen auch in den USA ein wichtiger Treiber des Wirtschaftswachstums.
Andere hingegen sehen Parallelen zur Dotcom-Blase im Jahr 2000. Damals erhöhte die amerikanische Zentralbank Fed die Zinsen, was zusammen mit den damals überhöhten Erwartungen der Anleger an Internet-Startups einen Börsencrash auslöste. Damals Hype-Aktien wie Yahoo verloren innerhalb eines Jahres 87 Prozent ihres Wertes.
Auch große Finanzinstitute mahnen zur Vorsicht. Sowohl der Internationale Währungsfonds (IWF) als auch die britische Zentralbank warnen vor dem Platzen einer KI-Blase und den Zweitrundeneffekten auf die Wirtschaft. „Die heutigen Bewertungen bewegen sich in Richtung eines Niveaus, das wir während der Euphorie über das Internet vor 25 Jahren erlebt haben“, warnte IWF-Chefin Kristalina Georgieva im Oktober. „Wenn es zu einer starken Korrektur kommt, könnten strengere Finanzierungsbedingungen das Wachstum weltweit bremsen.“

Bauarbeiter in einem Microsoft-Rechenzentrum am 18. September 2025. Microsoft investiert dieses Jahr 80 Milliarden US-Dollar in die Entwicklung KI-fähiger Rechenzentren.
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Gegen eine Blase spricht allerdings, dass bei den großen börsennotierten amerikanischen Tech-Konzernen wie Alphabet, Meta und Nvidia die Gewinne sprudeln. Steigende Aktienkurse spiegeln daher lediglich Gewinnwachstum und keine überzogenen Erwartungen an zukünftige Renditen wider.
Das Kurs-Gewinn-Verhältnis von Microsoft etwa liegt derzeit nur noch bei der Hälfte des Wertes von 2000. Tech-Unternehmen konnten bisher einen Großteil ihrer Investitionen aus dem eigenen Cashflow finanzieren.
Doch ein genauerer Blick offenbart Schwachstellen. Herzstück des KI-Komplexes ist das verlustbringende Startup Open AI, während der verschuldete japanische Mischkonzern Softbank Group Investitionen im Wert von bis zu 40 Milliarden US-Dollar zugesagt hat. Nach Berechnungen der Berater von Bain & Company müssten jedes Jahr 500 Milliarden US-Dollar in neue Rechenzentren investiert werden, um den Bedarf an KI-Rechenleistung zu decken. Es bleibt abzuwarten, ob die Technologieunternehmen in Zukunft genügend Gewinne erzielen werden, um ihre bereits sehr hohen Investitionen aufrechtzuerhalten.
Hohe Schulden
Ein von Meta geplantes Rechenzentrum im amerikanischen Bundesstaat Louisiana wird eine Fläche von der Größe von siebzig Fußballfeldern einnehmen, was Investitionen in die regionale Strominfrastruktur in Höhe von 3 Milliarden Dollar erfordert. Solche Investitionen „könnten sich niemals auszahlen, wenn sich die Befürchtungen über eine mögliche KI-Blase als richtig erweisen“, sagten Forscher der Brookings Institution.
Auch der technologische Wandel könnte dazu führen, dass Luft aus der KI-Blase entweicht. Das Aufkommen von Deepseek hat dies deutlich gemacht. Im Januar stellte das chinesische Startup überraschend ein generatives Sprachmodell vor, das ähnlich mächtig, aber effizienter ist als die KI-Modelle seiner amerikanischen Konkurrenten. Die Aktien von Nvidia und anderen Technologieunternehmen brachen daraufhin ein. Auch die Aktien von Uran- und Stromproduzenten verloren an Boden.
Risiken sind nicht im Blick
Spekulationsblasen sind heimtückisch, weil sie durch unsichtbare oder unterschätzte Risiken entstehen. Das glaubt Jon Danielsson, Finanzwissenschaftler an der London School of Economics. Er leitet ein Zentrum, das sich mit systemischen Risiken beschäftigt.
Sollte die KI-Blase platzen, würden auch die allermeisten am Technologie-Wettrüsten beteiligten Unternehmen Verluste erleiden. Historisch gesehen ist dies nicht ungewöhnlich. Das war bei allen großen Innovationen der Fall, bei der Eisenbahn, der Elektrizität, dem Internet.
Starke Korrekturen an den Märkten haben typischerweise auch makroökonomische Folgen. Das Platzen einer Blase führt zu einem Vermögensverlust, der wiederum die Wirtschaftstätigkeit und die Beschäftigung dämpft.
Darüber hinaus sind wichtige KI-Unternehmen wie Open AI, Nvidia, AMD, Broadcom, Coreweave und Meta durch milliardenschwere Partnerschaften und Investitionsvereinbarungen miteinander verflochten. Pimco und der Finanzinvestor Blue Owl haben kürzlich eine Hybridfinanzierung in Höhe von 28 Milliarden US-Dollar für den Bau riesiger Rechenzentren bereitgestellt. Auch Technologieunternehmen schließen untereinander milliardenschwere Deals ab, um Cloud-Kapazität zu erwerben.
Für Danielsson bergen solche Cross-Investments Risiken. Dies bedeutet, dass dasselbe Kapital mehrfach in verschiedenen Bilanzen auftauchen kann. „Das Ergebnis ist eine versteckte Fragilität, die Investoren, Gläubiger und Regulierungsbehörden in die Irre führt“, sagt er.
Noch höher sind die Risiken für die Finanzstabilität, wenn es um Anleihen und Schulden geht. Diese können eine Kettenreaktion auslösen, wie es 2007 und 2008 während der Finanzkrise der Fall war.
Problematische Finanzierung
In den letzten Wochen haben Oracle und Meta gemeinsam Anleihen im Wert von fast 50 Milliarden US-Dollar ausgegeben. Darüber hinaus nutzen Unternehmen wie Meta oder Elon Musks xAI zunehmend rechtlich eigenständige Zweckgesellschaften oder Joint Ventures zur Fremdkapitalbeschaffung.
Dadurch können sie mehr Schulden aufnehmen, ohne dass diese in der Bilanz der Muttergesellschaft erscheinen. Das Problem: Diese Verbindungen verstärken sich.
„Eine wesentliche Schwachstelle entsteht in der Art und Weise, wie Investitionsausgaben finanziert werden, da die Verschuldung in der Vergangenheit zu Problemen geführt hat“, schreibt Goldman Sachs in einer Studie vom Oktober.
Besonders problematisch kann die Finanzierung über Privatkredite sein – dabei handelt es sich um Kredite, die außerhalb der öffentlichen Märkte und von Nichtbanken vergeben werden. Bei den Investoren handelt es sich häufig um Versicherungsgesellschaften, Private-Equity-Gesellschaften, spezialisierte Vermögensverwalter oder Hedgefonds. Diese haben weniger strenge Kreditvergabe- oder Kapitalanforderungen als Banken. Im Gegenzug sind die Zinsen für solche Produkte meist höher.
Für UBS-Analyst Matthew Mish gibt es hier Anlass zur Sorge, denn Privatkredite seien nach Angaben der Bank zu einer wichtigen Finanzierungsquelle für Investitionen in KI und Rechenzentren geworden.
Dieses Phänomen könnte bedeutende Wachstumspläne für KI und andere Cloud-Computing-Dienstleister unterstützen, sagte Mish im August. Die Folge: die Gefahr einer Überhitzung.
Die Insolvenz des amerikanischen Autozulieferers First Brands im Oktober löste Bedenken hinsichtlich einer unzureichenden Aufsicht auf dem privaten Kreditmarkt aus. Auch die übermäßige Kreditvergabe an Technologieunternehmen könnte sich als Fallstrick erweisen.
