Madrid taz | Die Such- und Aufräumarbeiten im Überschwemmungsgebiet in der spanischen Mittelmeerregion Valencia und in den angrenzenden Provinzen in Kastilien-La Mancha gehen weiter. Das Innenministerium meldete am Donnerstagmorgen 104 Todesopfer durch die heftigen Regenfälle von Dienstag bis Mittwoch. Dutzende Menschen werden noch immer vermisst. Es ist die größte Naturkatastrophe, die Spanien je erlebt hat.
Rettungsteams lokaler und regionaler Feuerwehreinheiten, der lokalen und nationalen Polizei sowie der paramilitärischen Guardia Civil und der Armee haben inzwischen alle betroffenen Orte erreicht. Doch wie viele weitere Opfer sich in den vom Wasser mitgerissenen Fahrzeugen und unter den Schlammmassen befinden, ist derzeit unklar. Der Sturm ließ in nur wenigen Stunden die Regenmenge eines ganzen Jahres fallen.
Der spanische Premierminister Pedro Sánchez, der sich zum Zeitpunkt des Sturms auf einem offiziellen Besuch in Indien befand, traf am Donnerstagnachmittag in Valencia ein. Er warnte die Bevölkerung: „Der Sturm ist noch nicht vorbei, bleiben Sie zu Hause und hören Sie auf die Warnungen.“
Schon vor seiner Ankunft in der betroffenen Region hatte Sánchez „alle möglichen Mittel, solange wie nötig“ versprochen. Die Zentralregierung hat bisher 1.100 Mitglieder der spanischen Armee-Notfalleinheit (UME), 2.250 Polizisten, 200 Armeesoldaten sowie 335 Fahrzeuge, Hubschrauber und Flugzeuge im Einsatz.
Präsident Sánchez will dabei sein
Sánchez wollte sich gemeinsam mit dem Regionalregierungschef Carlos Mazón, der bereits 24 Stunden nach dem Sturm heftiger Kritik ausgesetzt war, ein Bild von der Lage machen. Die Regionalregierung in Valencia unter Mazón warnte die Bewohner der betroffenen Regionen viel zu spät. Das Wetteramt hatte bereits am frühen Morgen weite Teile der Region Valencia wegen erwarteten starken Regens in Alarmbereitschaft versetzt. Allerdings dauerte es je nach Gebiet 7 bis 12 Stunden, bis die Regionalregierung eine Warnung auf die Mobiltelefone der Bewohner schickte. Zu diesem Zeitpunkt regnete es vielerorts bereits ungewöhnlich stark. Einige Leute waren bereits eingesperrt, als das Handy klingelte.
Viele Menschen zu Fuß oder in ihren Fahrzeugen wurden von den schnell wachsenden Wassermassen überrascht. Der konservative Mazón, der dank der Unterstützung der rechtsextremen Vox seit letztem Sommer an der Macht ist, hatte – als eine seiner ersten Amtshandlungen – im vergangenen November die valencianische Nothilfeeinheit aufgelöst, die sein sozialdemokratischer Vorgänger eingerichtet hatte . Es soll bei Katastrophen wie Waldbränden oder Überschwemmungen alle Behörden und Rettungskräfte koordinieren. Es handele sich um „unnötige Ausgaben“, einen „leeren Organismus“ und „nutzlos“, argumentierte Mazón.
Die Regionalregierung hat die Bewohner der Regionen viel zu spät gewarnt
Das fordert jetzt seinen Tribut. Denn die Umsetzung der Warnungen des Wetteramtes und die Koordinierung der Einsatzkräfte in Notfällen ist Landessache und liegt somit in der Verantwortung von Mazón. Im konkreten Fall konnte die Koordinierung erst unter dem Krisenstab im fernen Madrid wirksam werden. Der späte regionale Alarm hatte sehr konkrete Folgen. Unternehmer in den betroffenen Regionen bestanden darauf, dass ihre Arbeiter trotz der Warnung vor starkem Regen zur Arbeit erschienen. Viele kamen dort nie an oder kehrten nicht nach Hause zurück. Sie starben in ihren Fahrzeugen. Die größte Gewerkschaft des Landes, CCOO, fordert daher rechtliche Schritte von den zuständigen Behörden.
Unterdessen kann das Wetteramt noch keine Entwarnung geben. Von Mittwoch bis Donnerstag fielen im Süden des Landes rund um die Städte Cádiz und Jerez ungewöhnlich starke Regenfälle. Auch dort kam es zu Überschwemmungen. Und für Donnerstag und Freitag wurden unterschiedliche Alarmstufen für die Regionen nördlich von Valencia – Teile von Aragonien und Katalonien – sowie für West- und Südwestspanien ausgerufen.
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