afp | Spionageverdacht gegen die AfD: Hochrangige Innenexperten aus Bund und Ländern warnten am Mittwoch, dass die AfD parlamentarische Anfragen gezielt dazu missbrauche, kritische Infrastruktur in Deutschland auszuspionieren – möglicherweise im Auftrag Russlands. „Es entsteht der Eindruck, dass die AfD mit ihren Forderungen eine Auftragsliste des Kremls abarbeitet“, sagte Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) dem „Handelsblatt“. Die AfD wies die Vorwürfe verärgert zurück.
Der grüne Geheimdienstexperte Konstantin von Notz teilte Maiers Befürchtungen. In diesem Zusammenhang sprach der stellvertretende Vorsitzende des parlamentarischen Kontrollgremiums gegenüber der Nachrichtenagentur AFP von „hochproblematischen Kleinanträgen, die die AfD offensichtlich immer wieder im Namen verschiedener autoritärer Staaten stellt, um diese gezielt dabei zu unterstützen, unser Land zu schwächen und unsere kritischen Infrastrukturen auszuspionieren und zu sabotieren.“ Es handele sich um ein „neues Phänomen“.
Die AfD nutze offenbar ihr parlamentarisches Recht, der Regierung Fragen zu stellen und Antworten zu erhalten, sagte von Notz gegenüber AFP. „Es ist auffällig“, dass „andere rechtsextreme Parteien in unseren europäischen Nachbarländern bereits sehr ähnliche Anträge gestellt haben – offenbar gegen Gebühr“, sagte er. „Es ist klar, dass es sich offensichtlich um einen gezielten, europaweiten Ansatz handelt.“
Systematischer Ansatz?
Auch der Vorsitzende des Geheimdienstkontrollausschusses im Bundestag, Marc Henrichmann (CDU), warnte vor russischer Spionage über die AfD. „Russland nutzt vielfältige hybride Angriffsmethoden: Eine davon ist politische Einflussnahme – auch durch Parteien wie die AfD“, sagte Henrichmann der Nachrichtenagentur AFP.
Hier seien auch Sicherheitsbehörden und Geheimdienste gefragt: Sie müssten „das Zusammenspiel interner und externer Bedrohungen im Auge behalten, sie dürfen nicht mehr nur einer Spur folgen“, so Henrichmann weiter. „Entscheidend wird auch sein, ob und inwieweit eine AfD auch in Zukunft als hybrider Teil der Kriegsführung Putins am Kragen des Kremls geführt werden kann.“
Thüringens Innenminister Maier sagte dem „Handelsblatt“: „Wir beobachten seit einiger Zeit mit zunehmender Sorge, dass die AfD das parlamentarische Fragerecht missbraucht, um gezielt unsere kritische Infrastruktur zu untersuchen.“ Laut Maier gab es allein in Thüringen in den vergangenen zwölf Monaten 47 solcher Anfragen – mit „zunehmender Intensität und Detailtiefe“. Betroffen seien unter anderem Verkehrsinfrastruktur, Wasserversorgung, digitale Infrastruktur und Energieversorgung, sagte Maier. „Die AfD zeigt besonderes Interesse an polizeilicher IT und Ausrüstung, beispielsweise im Bereich der Drohnenerkennung und -abwehr.“
AfD: Infrastruktur ist „heruntergekommen“
AfD-Fraktionsgeschäftsführer Bernd Baumann wies die Vorwürfe kategorisch zurück und verteidigte die Praxis, parlamentarische Anfragen an die Regierung zu richten. „Die AfD stellt im Interesse der Bürger kleine Anfragen, insbesondere zur Sicherheitsarchitektur und Infrastruktur unseres von Union, SPD und Grünen heruntergekommenen Landes“, sagte Baumann der Nachrichtenagentur AFP. „An den ans Licht gekommenen Fakten ist kein Geheimnis.“
Dass die anderen Parteien nun „aus den Ermittlungen Spionageaktivitäten konstruieren, ist völlig lächerlich und Ausdruck purer Verzweiflung über die Umfragewerte der AfD“, fügte Baumann hinzu.
Bundesregierung ohne Erkenntnisse
Die Bundesregierung äußerte Vorsicht: Sie habe die Meldungen zur Kenntnis genommen, sagte ein Regierungssprecher. Allerdings habe sie hierzu „keine eigenen Erkenntnisse“.
Parlamentarische Anfragen sind ein Recht, das den Fraktionen und ihren Vertretern im Bundestag zusteht – ähnliche Regelungen gibt es in den Landtagen. Bei sogenannten Bagatellanfragen können Sie beim Bund zu bestimmten Sachverhalten schriftlich Auskünfte einholen. Sie werden vor allem von der Opposition genutzt, um die Regierung zu kontrollieren und Informationen und Stellungnahmen einzuholen.
Es gibt auch das Instrument der Großen Untersuchung. Dabei besteht die Möglichkeit, dass der Bundestag auf Antrag einer Fraktion im Plenum öffentlich über die Antwort der Regierung debattiert.