
Donald Trump scheint bereit zu sein, die Ukraine mit Tomahawks zu beliefern. Dies löst in Moskau heftige Reaktionen und Drohgebärden aus.
Moskau – Bevor Donald Trump grünes Licht geben will, müssen noch einige Fragen geklärt werden. „Ich habe eine Art Entscheidung getroffen“, sagte der US-Präsident gegenüber Reportern im Weißen Haus: „Ich möchte herausfinden, was sie mit ihnen machen. Wohin sie sie schicken. Ich glaube, ich muss diese Fragen stellen.“ „Sie“ bezieht sich auf die Tomahawk-Marschflugkörper, die er offenbar im Ukraine-Krieg an Kiew übergeben will.

Das Ziel dahinter ist laut Trump eine Deeskalation. Doch Moskau sieht die Dinge offenbar völlig anders. Das sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow nach Angaben der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass in einem Briefing: „Dies wäre eine ernsthafte Eskalation, die gleichzeitig die Situation an der Front für das Kiewer Regime nicht ändern wird.“ Er betonte auch, dass die Tomahawks auf Atomkraft umgerüstet werden könnten.
Russland auf Tomahawk: „Vervielfacht das Risiko eines dritten Weltkriegs“
Auch Dmitri Medwedew meldete sich zu Wort. Auf Telegram behauptete der ehemalige Präsident und Premierminister zu wissen, was die Ukrainer mit den Tomahawks vorhatten. „Sie werden Paris, Berlin und Warschau angreifen. Sogar der US-Präsident sollte das verstehen …“, schrieb der stellvertretende Chef des Sicherheitsrats offenbar mit einer Prise schwarzem Humor.
Leonid Slutsky, Vorsitzender der Liberaldemokratischen Partei Russlands und Vorsitzender des Ausschusses für internationale Angelegenheiten der Staatsduma, sprach ebenfalls im Telegram. Er ging sogar noch einen Schritt weiter als Peskow und warnte: „Ich möchte die Situation nicht verschärfen, aber das Risiko eines dritten Weltkriegs würde sich vervielfachen. Und die Schuld für seinen Ausbruch würde sicherlich nicht bei Russland liegen.“
Befürchtungen hatte er bereits im Zusammenhang mit dem US-Luftangriff auf iranische Atomanlagen wegen des Krieges zwischen Teheran und Israel im Sommer geäußert. Diese Sätze machen deutlich, dass die Führung in Moskau die Tomahawks durchaus als Bedrohung sieht. Vielleicht befürchtete man sogar einen Game Changer für die Ukraine. Ähnliche Reaktionen lösten auch die öffentlichen Diskussionen über eine mögliche Lieferung des Taurus durch Deutschland aus.

Tomahawk für die Ukraine? Laut ISW sind fast 2.000 Militäreinrichtungen in Russland bedroht
Nach Angaben des US-amerikanischen Thinktanks Institute for the Study of War (ISW) könnten die Tomahawks eine vierstellige Zahl militärischer Einrichtungen und Luftwaffenstützpunkte in Russland erreichen. Die Variante mit einer Reichweite von 1.600 Kilometern würde demnach mindestens 1.655 solcher Anlagen bedrohen, jene mit einer Reichweite von 2.500 Kilometern mindestens 1.945. Als Beispiele für die geringere Reichweite werden die Drohnenfabrik Shahed bei Jelabuga und der Luftwaffenstützpunkt Engels-2 im Oblast Saratow genannt. Von dort aus starten die Bomber ihre Raketenangriffe auf die Ukraine.
Der Tomahawk-Zulieferer Raytheon, der zum Rüstungskonzern RTX Corporation gehört, schreibt zu den Marschflugkörpern, dass sie von Schiffen, U-Booten und auch als Bodenraketen abgefeuert werden können. Selbst in stark verteidigten Lufträumen konnten Ziele präzise getroffen werden. Die Block V-Serie wird seit 2020 produziert, die Va-Version kann auch bewegliche Ziele auf dem Wasser treffen, die Vb-Version verfügt über einen Multieffekt-Gefechtskopf, der vielfältigere Ziele an Land angreifen kann.
Die US-Streitkräfte und ihre Verbündeten haben sie über 550 Mal im Flug getestet, und auch Tomahawks wurden mehr als 2.350 Mal im Einsatz eingesetzt. Man erinnert sich an die Angriffe der US-amerikanischen und britischen Marine im Jahr 2024 auf Stellungen der Houthi-Rebellen im Jemen.
Tomahawk im Ukraine-Krieg: Putin sieht „eine qualitativ neue Eskalationsstufe“
Das Nachrichtenmagazin Der Ökonom vergleicht die Tomahawks mit den Marschflugkörpern der Ukraine, die den Namen Flamingo oder FP-5 tragen. Das US-Modell ist etwa viermal teurer als das ukrainische Modell, das etwa 500.000 US-Dollar kostet, eine geringere Reichweite als ihre 3.000 Kilometer und eine viel geringere Nutzlast hat, aber wahrscheinlich präziser arbeiten und viel schwerer abzuschießen sein wird.

Auch Wladimir Putin hatte bereits seine Meinung zu einer möglichen US-Lieferung von Tomahawks an die Ukraine geäußert. Am Donnerstag (2. Oktober) sagte er auf dem politischen Forum Waldai in Sotschi, dass der Einsatz solcher Waffen ohne die Beteiligung von US-Militärpersonal nicht möglich sei. Daher könnte dies den Beziehungen zwischen Russland und den USA schaden und zu einer „völlig neuen, qualitativ neuen Eskalationsstufe“ führen, wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) zitiert.
Der Kreml versucht sicherzustellen, dass Trumps Zweifel am Ende überwiegen und Washington ihm nicht grünes Licht gibt. Der größte Trumpf für Putin dürfte sein, dass der Republikaner trotz aller Entwicklungen in Moskau hofft, dort einen Partner für künftige Geschäfte zu haben. (Quellen: Tass, Telegram, Raytheon, The Economist, dpa) (mg)