Im Wahlkampf kann viel passieren, zumal in einem kurzen wie in diesem Jahr. Der Bundestag, so viel ist aber schon klar, wird sein Gesicht auch dieses Mal wieder verändern. Zeit für einen Überblick und einen Ausblick.
Darf Gysi die Eröffnungsrede halten?
Bis vor wenigen Jahren noch wurde stets der älteste Abgeordnete Alterspräsident des Bundestags. 2017 beschloss der Bundestag aber, diese Regel zu ändern. Seither steht das Amt dem dienstältesten Abgeordneten zu, also dem am längsten dem Parlament angehörenden Mitglied.
Begründet wurde der Schritt damit, dass der Alterspräsident die konstituierende Sitzung des Bundestags eröffnet und leitet, bis der neue Bundestagspräsident gewählt ist. Dafür sei Parlamentserfahrung notwendig. Verhindert werden sollte mit der Regeländerung aber offenbar auch, dass die AfD in naher Zukunft einen Alterspräsidenten stellen darf.
In der aktuellen Wahlperiode eröffnete Wolfgang Schäuble den Bundestag. Er ist mittlerweile verstorben, der CDU-Politiker hatte dem Bundestag 51 Jahre lang angehört. Der aktuell dienstälteste Abgeordnete ist Peter Ramsauer (CSU), er tritt jedoch nicht mehr zur Wahl an. Sollte die Linke wieder in den Bundestag einziehen, dürfte Gregor Gysi mit seinen mehr als 30 Jahren Abgeordnetenerfahrung sich Alterspräsident nennen und dann auch die Eröffnungsrede halten. Andernfalls wären eigentlich Hermann Gröhe und nach diesem Manfred Grund von der CDU an der Reihe – beide treten jedoch wie Ramsauer nicht wieder an. Somit käme Michael Meister dran, der wieder gute Chancen auf ein Direktmandat hat. Der 63 Jahre alte CDU-Politiker weist ebenfalls mehr als 30 Dienstjahre auf.
Nach der alten Regel hätte sich nun Alexander Gauland, der entgegen einer ursprünglichen Ankündigung nun doch wieder für den Bundestag kandidieren will, Hoffnungen auf das Amt machen können. Der Ehrenvorsitzende der AfD ist mit seinen 83 Jahren derzeit der älteste Abgeordnete, er sitzt jedoch erst seit gut sieben Jahren im Bundestag.
Es könnte nur vier – oder sogar acht Fraktionen geben
Dem ersten Bundestag gehörten acht Fraktionen an. Später, zwischen 1960 und 1983, gab es nur noch drei Fraktionen: die Unions-, die SPD- und die FDP-Fraktion. In der Folgezeit stieg die Zahl wieder. Aktuell gibt es fünf Fraktionen, Linkspartei und BSW haben zudem jeweils den Status einer Gruppe.
Nach der Neuwahl könnte es sogar acht Fraktionen geben. Nämlich dann, wenn der FDP, der Linken, dem BSW und den Freien Wählern der Einzug in den Bundestag gelingt. Linke und Freie Wähler stehen in den Umfragen zwar unter der Fünfprozenthürde, aber sie könnten ins Parlament einziehen, wenn sie jeweils drei Direktmandate gewinnen.
Diese Aussicht hat die FDP nicht. Sollten die Liberalen an der Fünfprozenthürde scheitern, würden sie aus dem Bundestag fliegen. Auch das BSW kann sich mit Blick auf die Umfragen noch nicht sicher sein, wieder im Parlament vertreten zu sein.
Und so ist auch ein Szenario denkbar, bei dem nur vier politische Kräfte Fraktionen bilden können: die Union, die AfD, die SPD und die Grünen. So wenige Fraktionen gab es letztmals 2013 bis 2017.
AfD und BSW könnten eine Sperrminorität bilden
Wie erwähnt, ist noch völlig unklar, wie viele Parteien überhaupt im nächsten Bundestag vertreten sein werden. Sollten etwa FDP und Linke aus dem Parlament fliegen, das BSW aber einziehen, könnte dies Folgen für Grundgesetzänderungen haben. Nämlich dann, wenn das BSW und die AfD zusammen mehr als ein Drittel der Sitze erhielten und damit eine Sperrminorität bilden könnten. Denn für Änderungen des Grundgesetzes ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich.
Im Grundgesetz ist etwa die Schuldenbremse festgelegt. Sollte die nächste Regierung diese reformieren wollen, könnte sie dafür also auf das BSW angewiesen sein, das dann Zugeständnisse in anderen Bereichen fordern könnte.
Die AfD wird vermutlich größte Oppositionspartei
Dem Oppositionsführer kommt in der Regel die meiste Aufmerksamkeit zu, wenn es um Kritik an der Regierung geht. Dem derzeitigen Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) kommt dies als Kanzlerkandidat der Union zugute.
Die SPD, die Union, die FDP und die Linke waren schon einmal größte Oppositionspartei. Auch die AfD war es schon einmal von 2017 bis 2021. Gut möglich, dass die AfD diese Bezeichnung nach der Neuwahl wieder beanspruchen kann. Die Partei steht in den Umfragen auf Platz zwei, kommt aber für keine Koalition infrage. Sie wird vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft.
Sollte die AfD ihre Fraktionsspitze nach der Bundestagswahl bestätigen, haben Alice Weidel und Tino Chrupalla gute Chancen, sich bald Oppositionsführer nennen zu können.
Der Bundestag schrumpft – in jedem Fall
Nach der vergangenen Wahl zogen so viele Abgeordnete wie nie zuvor in den Bundestag ein: 736. Durch eine Wahlrechtsreform der Ampelkoalition sinkt die Zahl künftig auf 630 – egal wie die Neuwahl ausgeht. So viel ist also schon mal sicher.