Karsten Wildberger will Deutschland digitalisieren. Beim „Stakeholder-Dialog“ mit der Telekommunikationsbranche beklagte er die derzeitige Zuständigkeitsverwirrung. Die Digitalbranche begrüßt Wildbergers Pläne – die auch etwas mit seiner Vergangenheit zu tun haben könnten.
Deutschland hinkt bei der Digitalisierung schon lange hinterher. Unter dem neuen Bundesdigitalminister Karsten Wildberger (CDU) soll sich das endlich ändern. Wildberger war selbst einmal in der Telekommunikationsbranche tätig, ist Spezialist und weiß, wovon er spricht. Daher ist es nicht verwunderlich, dass er gleich zu Beginn erstes Lob aus der Branche erhielt.
Mit dem „Stakeholder-Dialog“ am Dienstag brachte Wildberger nach langer Zeit alle wichtigen Akteure der Digitalisierung an einen Tisch, um sich „offen über die Herausforderungen beim Ausbau digitaler Infrastrukturen auszutauschen“, wie ein Sprecher zuvor mitteilte. Man wolle unter anderem über den Umstieg von Kupfer- auf Glasfaserkabel und konkrete Ausbauziele sprechen – und zwar ab sofort regelmäßig, so das Ministerium. Das Besondere: Die Vertreter der Telekommunikationsbranche bewerteten das Treffen durchweg positiv und sind sich so einig wie schon lange nicht mehr.
Deutsche Telekom, Vodafone, Telefónica, Deutsche-Glasfibrill, Branchenverbände, die Bundesnetzagentur (BNetzA), Minister oder Staatssekretäre der Länder – sie alle waren da und sprachen an einem großen U-förmigen Tisch über Digitalisierung. Insgesamt 32 Organisationen wurden am Dienstagmorgen ins Bundesministerium für Digitales und Landesmodernisierung (BMDS) eingeladen. Wildberger selbst war mehrere Jahre für Vodafone (2006 bis 2011) und die Deutsche Telekom (2003 bis 2006) tätig.
Wie aus der WELT vorliegenden Teilnehmerliste hervorgeht, haben drei Bundesländer keine Vertreter zu den Verhandlungen geschickt: Mecklenburg-Vorpommern, Bremen und Niedersachsen. Als Grund dafür nannten die Länder auf WELT-Anfrage andere Termine, die nicht hätten abgesagt werden können. Aber wir stehen mit den wichtigen Spielern in Kontakt.
Wildberger fordert eine Einigung auf klare Kennzahlen
Wildberger will nun gemeinsam mit allen schnell vorankommen. Im ersten Quartal 2026 soll ein sogenanntes Memorandum of Understanding unterzeichnet werden, das den Titel „Bestes Netzwerk für Deutschland“ tragen wird. Wie WELT aus Teilnehmerkreisen erfuhr, zeigte sich Wildberger während des Dialogs erstaunt darüber, wie planlos das Thema derzeit in Deutschland behandelt wird und welch ein Durcheinander bei den Zuständigkeiten herrscht. „So kann man nicht arbeiten“, sagte der Minister laut Teilnehmern.
Das Memorandum soll nun Abhilfe schaffen – der Fahrplan dafür liegt WELT vor. Die Verhandlungen sollen zwischen den einzelnen Fachabteilungen der Unternehmen, Länder und Verbände geführt werden – unter Moderation des BMDS. Dabei sollten anhand von Leitfragen klare KPIs ermittelt werden, also Key Performance Indicators, auf Deutsch: Wichtige Leistungsindikatoren sollten entwickelt werden. Bei dem Treffen mit Wildberger forderten einige Teilnehmer laut Teilnehmern die Abschaltung von DSL-Anschlüssen als KPI.
Andere forderten Investitionszusagen und regulatorische Auflagen. Für den Glasfaserausbau will Wildberger selbst als Maß die Kennzahl der sogenannten Homes Activated, also Haushalte, in denen Glasfaser installiert und in der Wohnung aktiviert ist, und damit die Zahl der zahlenden Kunden. Alles andere sei „Fake“, sagte Wildberger in der Runde.
Telekom, Vodafone und Telefónica begrüßen Dialogforum
Die Branche begrüßt Wildbergers Initiative und ist sich ungewöhnlich einig. Rodrigo Diehl, Deutschlandchef der Deutschen Telekom, antwortete auf WELT-Anfrage: „Ich begrüße es, dass wir das Thema Kupfer jetzt ganzheitlich betrachten und auch TV-Kabel in die Debatte einbeziehen.“ Auch als „Branche, die die Expansionskosten berücksichtigt“, sei es gut.
Auf Nachfrage lobte Vodafone-Deutschland-Chef Marcel De Groot das Treffen als „einen guten Tag für das digitale Deutschland. Unser Minister, die Industrie und die Verbände zeigen den klaren Willen, DSL-Anschlüsse schrittweise und mit klar messbaren Zeitplänen auf schnelles Gigabit-Internet umzustellen“, sagte er.
Andreas Pfisterer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Glasfaser, bezeichnete den Termin auf Nachfrage als „erfrischend anders“. Nun gelte es, „so konkret wie möglich an wirksamen Maßnahmen zu arbeiten“. Auf Nachfrage bezeichnete Valentina Daiber, Head of Legal and Corporate Affairs bei Telefónica, das Dialogtreffen als „Chance, noch schneller noch bessere Netze zu den Menschen und zur deutschen Wirtschaft zu bringen.“
Branchenverbände freuen sich über den Austausch und sehen die BNetzA in der Pflicht
Der Verband der Anbieter im Digital- und Telekommunikationsmarkt (VATM) sieht in dem Treffen einen Schritt in die richtige Richtung. „Als Branchenverband begrüßen wir den Stakeholder-Dialog auf höchster Ebene und die Idee, sich mit einem MoU auf konkrete Ziel- und Messbereiche zu einigen“, sagte VATM-Vizepräsident Wolfram Rinner. Eine beschleunigte Expansion funktioniert nur mit fairem Wettbewerb. „Erfreulicherweise hat sich das Ministerium sehr intensiv mit der Bedeutung des Wettbewerbs und der diskriminierungsfreien Kupfer-Glas-Migration auseinandergesetzt. Es gilt, diese effektiv zu nutzen“, sagte Rinner.
Das VATM fordert Investitions- und Planungssicherheit für die Bauträger. Darüber hinaus muss die BNetzA den Wettbewerb durch eine wirksame Marktregulierung schützen und gegen Marktbeherrschung und Marktmissbrauch vorgehen. Bürokratie muss abgebaut und behördliche Verfahren beschleunigt werden.
Der Vizepräsident des Bundesverbands Breitbandkommunikation (BREKO), Karsten Kluge, sagte, die Glasfaserausbauunternehmen seien „von der Dynamik des Bundesministeriums für Digital- und Landesmodernisierung unter Karsten Wildberger positiv beeindruckt.“ Wer alle an einen Tisch bringe, habe „die Dringlichkeit der Lage erkannt“.
BREKO fordert zudem „notwendige regulatorische Rahmenbedingungen“, bevor die Branche verlässliche Investitionszusagen machen kann. Das Memorandum solle sich „vorrangig mit dem geregelten Übergang von DSL auf Glasfasernetze befassen“ und „verbraucher- und wettbewerbsfreundlich ausgestaltet“ sein. Die BNetzA müsse „schnellstmöglich einen Zeitplan mit konkreten Meilensteinen vorlegen“.
Digitalministerium will DSL zwischen 2035 und 2040 abschalten
Digitalminister Wildberger will einen zügigen Glasfaserausbau und damit einen zügigen DSL-Rückbau. Doch der Weg dürfte weiterhin steinig sein, wie die aktuelle VATM-Marktstudie zeigt. Schätzungen zufolge werden bis Ende des Jahres 54 Prozent der Haushalte in Deutschland an Glasfaser angeschlossen sein – das Kabel liegt also im Boden vor dem Haus.
Knapp 22 Prozent (knapp 10 Millionen Haushalte) haben ihr Haus bereits angeschlossen, was nicht bedeutet, dass diese Kunden bereits einen Glasfasertarif nutzen. Laut der Studie wird es bis Ende 2025 rund 6 Millionen aktive Glasfaseranschlüsse geben.
Die Mehrheit der Verbraucher ist eindeutig für Glasfaser, wie eine Civey-Umfrage im Auftrag der ANGA der Breitbandverband e.V. zeigt. Demnach ist für die Befragten der Umstieg von DSL auf Glasfaser einer der Top-3-Beschleuniger für das schnelle Netz. Unter den aktuellen Rahmenbedingungen geht das Bundesdigitalministerium davon aus, dass das Kupfernetz in Deutschland zwischen 2035 und 2040 vollständig abgeschaltet wird.
Dieser Artikel wurde für das WELT- und Wirtschaftskompetenzzentrum verfasst Geschäftsinsider erstellt.
Max Skowronek Berichte für WELT und Business Insider Deutschland über Informationstechnologie und Telekommunikation.
