Kiel. Die Umgestaltung des Kieler Schlossviertels zur „erweiterten Flaniermeile“ habe „nicht funktioniert“. Das sagt die Sprecherin der Bio-Supermarktkette Erdkorn, Beke Bornemann. Damit begründet sie, warum Erdkorn seine Filiale in der Kieler Schloßstraße 2 zum 14. September schließt. Das Viertel zwischen Altem Markt und Kieler Schloss sei nicht lebendig genug.
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Dabei will es Niels Bunzen nicht belassen. Der geschäftsführende Gesellschafter der Norddeutschen Grundstücksentwicklungsgesellschaft (NGEG), deren Unternehmen das Viertel entwickelt und gebaut hat, sagt: „Aus unserer Sicht hat sich das Viertel genau so entwickelt, wie wir es erwartet haben.“ Bunzen: „Dass dort ein urbaner Hotspot entsteht, hätten wir nie geglaubt.“
Investor: Schlossquartier ist „vor allem ein Seniorenwohnsitz“
Vielmehr werde das Wohngebiet „vor allem als Altenwohnsitz“ genutzt, sagt Bunzen. Junge Leute gebe es kaum. Das kommerzielle Angebot beschränke sich dementsprechend auf „eine überschaubare Zahl“: ein Sanitätshaus, ein Friseur, eine Bank, „das läuft dort sehr gut“. Dazu gebe es Arztpraxen, Restaurants und eine Handvoll kleiner Läden.
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Tatsächlich sind alle 213 Ein- bis Vierzimmerwohnungen belegt. Auch in den Ladenzeilen gibt es keinen Leerstand. Für die 300 Quadratmeter Gewerbefläche, die Erdkorn nun freigibt, werde sich zügig ein neuer Nutzer finden, versichert Bunzen. Es laufen aussichtsreiche Gespräche.
Was sich der Bauträger gewünscht hätte: mehr Grün, eine schmalere Schloßstraße. „Das war aber nicht gewollt“, sagt Bunzen. „Wir haben das Quartier exakt so gebaut, wie es die Stadt Kiel vorgegeben hat.“
Kiel Marketing: Burgviertel erfüllt Erwartungen
Auch Kiel Marketing versteht Erdkorns Kritik nicht. Geschäftsführer Uwe Wanger sagt über das Burgviertel: „Es ist so geworden, wie wir es erwartet haben.“ Statt der Bank hätte Wanger lieber ein schickes Restaurant auf dem Burgplatz gesehen, um auch von der Seite für Belebung zu sorgen. „Aber so haben die Anwohner ein schönes ruhiges Plätzchen“, sagt Wanger.
Der Marketingleiter hofft dennoch auf ein Revival ab 2026, wenn der Konzertsaal im Kieler Schloss saniert wird. Noch immer steht der Glas-Beton-Klotz eingerüstet düster auf dem Schlossplatz und schreckt Besucher eher ab.
Wanger befürwortet ausdrücklich das Konzept des Wohnens in der Innenstadt. „Wer die Innenstadt beleben will, muss auch Menschen zum Wohnen hier gewinnen“, sagt er.
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Burgviertel: Initiativen zur Revitalisierung des Viertels „haben keine Früchte getragen“
„Wir wussten, dass es schwierig wird“, sagt Wolfgang Erichsen. Der Vorsitzende der Interessenvertretung Dänische Straße in unmittelbarer Nähe des Schlossquartiers hatte keine größeren Erwartungen an das Schlossquartier. Es habe zwar einige Initiativen zur Revitalisierung gegeben, „die aber nicht wirklich Früchte getragen haben“, sagt der Buchhändler.
Auch in der Schloßstraße mangele es an inhabergeführten Einzelhandelsgeschäften, sagt Erichsen. Filialisten ließen sich in der Regel nicht dazu bewegen, sich an gemeinsamen Aktionen der Ladenbesitzer einer Einkaufsstraße zu beteiligen.
„Autos rasen durch die Fußgängerzone Schloßstraße“
Ein anderes Klagelied singt Sven Glaser-Henning. Der Steuerberater aus der Schloßstraße weiß aus täglicher Erfahrung: „Hier rasen die Autos durch!“ Die Schloßstraße vom Alten Markt bis zur Fischerstraße ist als Fußgängerzone ausgewiesen. Weil aber für Anwohner mit privaten Parkplätzen eine Ausnahme gemacht werden muss, bleibt die Straße für den Verkehr geöffnet.
„Es ist uns nicht gelungen, aus einer Rennstrecke eine richtige Fußgängerzone zu machen“, sagt Erichsen. Wanger beklagt, „dass unsere lieben Freunde vom Ordnungsamt es nicht schaffen, die Fußgängerzone durchzusetzen“. Auch Bunzen fragt sich, warum es in Kiel nicht so gut läuft wie in Florenz: „Ich bin mal aus Versehen in eine Fußgängerzone gefahren, wurde sofort beim Rasen erwischt und hatte vier Wochen später einen Bußgeldbescheid über 180 Euro im Briefkasten.“
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Die Stadt Kiel hat angekündigt, die Verkehrssituation im Schlossviertel nach dem Wiederaufbau des Kieler Schlosses „neu zu bewerten“. Die Verwaltung habe „bereits verschiedene Maßnahmen umgesetzt, um den Individualverkehr in der Fußgängerzone zu reduzieren“, sagt Stadtsprecher Arne Ivers. So seien etwa Kreuzungsbereiche verengt, Blumenkübel aufgestellt, Außensitzplätze freigegeben und Beschilderungen angebracht worden. Ein Poller in der Straßenmitte sei wegen des Lieferverkehrs allerdings keine Option, denn Wenden oder Rückwärtsfahren sei in Fußgängerzonen nicht erlaubt.
CN