Berlin. Der Berliner Grünen-Bundestagsabgeordnete Stefan Gelbhaar kämpft nach Vorwürfen sexueller Belästigung um seine politische Karriere.
Es stehen schwere Vorwürfe gegen den Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar im Raum: Der Berliner Bundestags-Abgeordnete soll Frauen sexuell belästigt haben. Als die Vorwürfe Mitte Dezember bekannt wurden, räumte der Politiker seinen Listenplatz. Nun hat der 48-Jährige die Beschuldigungen gegen ihn auf seiner Homepage veröffentlicht und dementiert.
Zunächst schreibt er, dass die Ombudsstelle ihn am 13. Dezember 2024 über die Meldungen gegen seine Person informiert habe. „Konkretes dazu, wann ich wo was getan haben soll, wurde mir nicht gegeben“, erklärte er. Und weiter: „Es liegen keine Strafanzeigen gegen mich vor, darüber habe ich informiert, und auch, dass ich gegen Falschbehauptungen vorgehe.“
Am 27.12. seien ihm dann fünf konkretere Vorgänge (teils mit Datum und Hergang) von Journalistinnen und Journalisten (also nicht von der Ombudsstelle) übermittelt worden. „Die Vorwürfe sind gelogen“, schrieb er. Die Frauen hatten sich zuvor gegenüber dem RBB geäußert. „Ich habe sodann – mit Unterstützung – intensiv recherchiert, um die Vorwürfe nicht nur zu bestreiten, sondern um sie zu widerlegen.“
Gelbhaar spricht von einer Schmutzkampagne gegen sich: „Das Ziel ist mich massiv zu diskreditieren, überdies Teile der Partei in Aufruhr zu versetzen, und der Partei zu schaden. Das hat nichts mehr mit Politik oder einer harten Auseinandersetzung zu tun. Das ist schlichtweg kriminell.“
Vorwurf Nummer 1
Am 6. November 2023 sei Gelbhaar auf einer Parteiveranstaltung gewesen und habe im Anschluss noch mit einigen Leuten etwas getrunken. Am Ende seien er und eine junge Frau übrig geblieben. Der jungen Frau sei schwindelig gewesen. Daraufhin hätte Gelbhaar sie nach Hause begleitet und ihr Wasser gebracht. Die Frage, ob er noch länger bleiben solle, habe die Frau klar verneint.
Er sei trotzdem geblieben und hätte sich neben sie gelegt. Er habe ihr aus der Jacke geholfen und hätte ihr dann gegen ihren Willen andere Kleidungsstücke ausgezogen. Gelbhaar hätte mit einem Bein auf ihren Beinen gekniet und ihre Arme festgehalten, so dass die Frau nicht treten konnte. Er hätte sie geküsst, obwohl sie sich körperlich und mit Worten zu wehren versucht habe. Die Frau sei am nächsten Morgen nackt aufgewacht, die Kleidung sei teils gerissen. Bis heute habe sie „Flashbacks“, in denen Gelbhaar „auf“ ihr oder „über“ ihr sei. Sie habe vermutet, dass er ihr etwas in ihr Getränke gemischt habe.
Dazu schrieb Gelbhaar auf seiner Homepage: „Der Vorwurf ist frei erfunden. Jedoch besonders relevant: ich kann lückenlos nachweisen, dass ich mich den gesamten Tag und Nacht des 6.11.2023 in Gegenwart anderer befand. Hier nur ausschnittsweise die Aktivitäten am Abend des 6.11.2023: Jedenfalls zwischen 20-22 Uhr befand ich mich auf einer Veranstaltung der LAG Mobilität, auf dem Podium. Hiervon existiert ein TonMitschnitt. Der Abschied von der Veranstaltung ist ebenfalls nachzuweisen. Zu Hause las und schrieb ich Nachrichten und ging zu Bett. Auch hier ermöglichen digitale Dienste einiges an Klarheit. Am nächsten Morgen um 7 Uhr nahm ich am Staatssekretär-Frühstück im Verkehrsministerium teil.“
Vorwurf Nummer 2
Gelbhaar werde von einer anderen Person vorgeworfen, dass er sie im 11. Februar 2023 nach einer Parteiveranstaltung auf dem Weg Richtung S-Bahn gegen ihren Willen berührt habe. „Sie sollen ihre Brust angefasst und geknetet haben. Ihre andere Hand legten Sie auf das Gesäß der Frau.“ Die Frau habe nach eigener Aussage deutlich gesagt, dass sie das nicht möchte. „Sie hätten aber einfach weiter gemacht. Nach einigem Ringen konnte die Frau sich losreißen und weglaufen.“
Dazu schrieb Gelbhaar auf seiner Homepage: „Der Vorwurf ist frei erfunden. Wann und wo ist in der Beschreibung nicht enthalten. An dem Tag fanden gut und öffentlich dokumentiert mehrere Wahlkampfveranstaltungen statt, an denen ich in enger Taktung mit meinem Rad teilgenommen habe. Wenn das Geschehen im Zusammenhang mit einem Gang zu einer S-Bahn erfolgt sein soll, so wird auch eine Zeit angegeben werden können, ebenso eine konkrete Wahlkampfveranstaltung.“
Vorwurf Nummer 3
Eine andere Person behauptet, dass Gelbhaar am 14. Januar 2024 gesagt hätte, dass er sie unbedingt einmal küssen will. Die Frau habe ihm klar gemacht, dass sie das nicht lustig fände und dass sie in einer Beziehung sei. Gelbhaar hätte es als Scherz abgetan. Er habe wenig später ihren Kopf mit beiden Händen festgehalten und seine Lippen auf die der Frau gepresst. Er hätte anschließend gelacht und zu ihr gesagt, dass sie mal ihr Gesicht sehen müsse. Die Frau habe die Situation eine Woche später Gelbhaar gegenüber angesprochen. Er hätte gesagt, dass ihr sowieso niemand glauben würde.
Dazu schrieb Gelbhaar auf seiner Homepage: „Der Vorwurf ist ebenfalls erfunden. An dem Tag befand ich mich zunächst im Kreise meiner Familie. Später nahm ich an einer Veranstaltung (Anti-AfD-Demo) teil, per Zeugen und Fotos belegbar und auch öffentlich dokumentiert. Zurückgekehrt habe ich zuhause mit meiner Familie zu Abend gegessen.“
Vorwurf Nummer 4
Eine weitere Person wirft Gelbhaar vor, dass er ihr nach ihrem Parteieintritt im März 2019 auf Social Media folgte, ihre Stories likte, ihr regelmäßig Nachrichten auch nach Mitternacht schrieb, darunter viele Kommentare zu ihrem Aussehen. Bei weiteren Begegnungen hätten er sie am Arm und am unteren Rücken gestreichelt. Er hätte sie eingeladen, mit ihr alleine in eine Wohnung zu gehen.
Dazu schrieb Gelbhaar auf seiner Homepage: „Der Vorwurf ist hier vage und stimmt nicht. Ich folge auf Social Media in Summe mehreren tausend Menschen. Stories und Nachrichten habe ich in den letzten Jahren von bzw. mit hunderten Menschen geliked bzw. geschrieben und bestimmt auch mal ein nett gemeintes Kompliment gemacht. Durch meine Arbeitszeiten versende ich Nachrichten auch nach Mitternacht. Ich streichele natürlich nicht unerwünscht oder gar gegen den Wunsch eines Menschen. Ich habe nur eine Wohnung, und da wohne ich mit meiner Familie, daher erschließt sich mir die Einladungsdarstellung nicht.“
Vorwurf Nummer 5
Er sei 2021 zu einem Treffen der Grünen Jugend Nord-Berlin eingeladen worden. Zunächst sei es ein formelles Treffen gewesen, dann hätte die Runde sich aufgelockert. Im Anschluss an das Treffen hätten sich mehrere junge Frauen an den Vorstand der Grünen Jugend Nord-Berlin gewandt und von „unangenehmen Erfahrungen“ mit Gelbhaar berichtet.
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Dazu schrieb Gelbhaar auf seiner Homepage: „Der Vorwurf, oder besser die Vorwürfe sind zu unkonkret, als dass eine Auseinandersetzung damit möglich ist. Mir wurde nicht mitgeteilt, dass es bei einem Treffen zu „unangenehmen Erfahrungen“ gekommen sei, oder welcher Art diese gewesen seien, weder durch die Grüne Jugend, noch durch deren Vorstand. Der Vorwurf ist nebelhaft und kommt auch noch mehrere Jahre später. Tatsächlich gab es nach dem Treffen auch noch ein Besuch einer Eisdiele, bevor man sich verabschiedete und auseinanderging.“
Pankower Grüne sollen neu über Direktkandidaten entscheiden
Nach den Vorwürfen gegenüber Gelbhaar will der Kreisverband der Grünen in Berlin-Pankow ein zweites Mal über die Direktkandidatur für die Bundestagswahl im Februar abstimmen lassen. Der Vorstand habe den Beschluss gefasst, dafür eine erneute Wahlversammlung abzuhalten, wie der Kreisverband mitteilte. Nach Angaben eines Sprechers ist sie für den 8. Januar vorgesehen. Bei einer ersten Wahlversammlung am 12. November war Gelbhaar mit 98,4 Prozent der Stimmen erneut zum Direktkandidaten für den Wahlkreis Berlin-Pankow gewählt worden. Gelbhaar ist seit 2017 Bundestagsabgeordneter und hatte den Wahlkreis zuletzt gewonnen.
Die Grünen-Landesvorsitzenden Nina Stahr und Philmon Ghirmai teilten mit, mit der Entscheidung des Kreisvorstands für eine neue Wahlversammlung ermögliche er, dass der Kreisverband fristgerecht auf die neue Situation reagieren könne, die durch das Ombudsverfahren entstanden sei. „Wir unterstützen dieses Vorgehen.“
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JP