AUDIO: Sex, Stereotypen, Selbstermächtigung: Was erzählt New Adult? (4 Minuten)
Stand: 16. Oktober 2025 9:24 Uhr
Pikante Sexszenen, weibliche Selbstermächtigung, Geschlechterstereotypen: Das New-Adult-Genre polarisiert. Im Feuilleton viel kritisiert, kommt er vor allem bei jungen Frauen gut an. Auch die neue Erwachsenenliteratur ist auf der Frankfurter Buchmesse gut vertreten.
Die Schlange vor dem Stand des LYX Verlags auf der Frankfurter Buchmesse ist lang. In der Warteschlange stehen überwiegend Frauen. Es gibt auch ein paar Männer – nebenbei: „Ich warte hier in der Schlange auf meine Frau“, sagt einer. „Das Genre reizt mich nicht wirklich, aber ich bin als Begleiter dabei“, bemerkt ein anderer Mann. Ein Begleiter bezeichnet sich selbst als „mentale Unterstützung“.

Lange Schlangen vor dem Stand des LYX Verlags auf der Frankfurter Buchmesse.
Bei New Adult geht es oft um Liebe, Sex und Erwachsenwerden. Kernzielgruppe: junge Frauen. Die Autorinnen: überwiegend junge Frauen. Das sei auch der Grund, warum das Genre so gut ankomme, sagt Emma Grunwald, Social-Media-Managerin bei der auf New Adult spezialisierten Buchhandlung Graff in Braunschweig. „Das ist Selbstermächtigung. Junge Frauen zeigen ihre Perspektiven und finden endlich Gehör“, erklärt Grunwald.
Sex und Geschlechterstereotypen

Maria Meibohm, Emma Grunwald und Frederick Wrensch von der Graff-Buchhandlung.
Selbstermächtigung – Das klingt zunächst großartig, doch das Genre wird wegen der expliziten Sexszenen oft belächelt und teilweise sogar heftig kritisiert. „Auch auf Youporn sind die Dialoge liebevoller gestaltet. Es geht um Sex, gewalttätigen Sex“, sagt Volker Weidermann, damaliger Literaturkritiker auf Tiktok, über das Buch „Icebreaker“ von Hanna Grace, ein sehr beliebtes Buch auf Booktok.
Und ja: Die Szenen im Buch sind explizit und klischeehaft. Er ist der muskulöse Hockeyspieler. Sie ist die zarte kleine Eiskunstläuferin, die Kalorien zählt und kein Höschen trägt. Vielleicht etwas zu klischeehaft für Teenager? Grunwald hält das Buch nicht für besonders erfolgreich und findet vor allem, dass es nicht das widerspiegelt, worum es bei New Adult geht. „Ich denke, bei New Adult geht es viel mehr darum, dass es nicht nur Unterhaltung ist, sondern abwechslungsreich. Alle Lebenssituationen werden abgebildet, jeder kann sich in New Adult wiederfinden.“
Unterhaltsam und wiedererkennbar
Tatsächlich gibt es auch queere Literatur. Doch vielen Besuchern vor dem LYX-Stand ist es egal, wie vielfältig die Besetzung ist. Etwas anderes zählt: Abschalten! „Hauptsache, es unterhält“, sagen zwei Besucher. Der Rest ist nicht so wichtig. Unterhaltung beinhaltet manchmal Stereotypisierung, sagt Simon Decot, Programmchef bei Bastei-Lübbe, zu dem auch der LYX Verlag gehört. Obwohl er auch der Meinung ist, dass das Genre mehr zu bieten hat, kommt es bei der Unterhaltung letztlich darauf an, dass es wiederkehrende Muster und Typen gibt. „Man möchte sie lesen, weil es entspannend ist und man es als angenehm empfindet. Außerdem möchte man etwas Wiedererkennbares haben“, erklärt er.
Er versteht die Debatte um Geschlechterstereotypen nicht wirklich. „Mein Gott, Dinge werden für eine bestimmte Zielgruppe, ein bestimmtes Leseinteresse oder für einen bestimmten Anlass geschrieben und der Feuilleton will sie unter einen bestimmten Kunstbegriff verpacken“, sagt Decot. Das hat überhaupt keinen Zusammenhang.
„Spice“ und Triggerwarnungen
New Adult möchte also unterhalten und New Adult bringt junge Leser zurück in die Buchhandlungen. Wo viel „Würze“ ist, gibt es Altersbeschränkungen und Auslöserwarnungen. Und: „Jeder ist in der Gemeinschaft willkommen. Auch die Jungs“, sagt Grunwald.