Serbien kann sich nicht beruhigen
Tausende Demonstranten strömen nach Belgrad
6. November 2025, 7:35 Uhr
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Belgrad steht stundenlang still, während sich Regierungskritiker und -befürworter gegenüberstehen, nur durch Polizeikräfte getrennt. Hintergrund ist der Einsturz eines Bahnhofs vor einem Jahr, doch längst ist die Sache größer geworden und es steht mehr auf dem Spiel.
In Serbien standen sich am Mittwochabend Tausende regierungskritische Demonstranten und Tausende Regierungsanhänger mehrere Stunden lang vor dem Parlament in Belgrad gegenüber. Nach Angaben der Polizei waren 3.000 regierungskritische Protestteilnehmer und 50.000 Anhänger des serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic anwesend. Die Nachrichtenagentur AFP konnte die Angaben nicht verifizieren.
Lokalen Medien zufolge wurden einige der regierungsnahen Demonstranten in Bussen der konservativ-nationalistischen Regierungspartei SNS nach Belgrad gebracht.
Die Gruppen trafen sich nur wenige Tage nach einer Massenkundgebung am Samstag. Dies geschah anlässlich des ersten Jahrestages des Einsturzes einer Bahnhofsüberdachung in Novi Sad am 1. November 2024. Menschen aus dem ganzen Land kamen nach Novi Sad, um an der Gedenkfeier teilzunehmen. Der Unfall, bei dem 16 Menschen ums Leben kamen, löste die größten Proteste gegen die Regierung im Land seit Jahrzehnten aus. Die Demonstranten machen die Korruption im Land für den Zusammenbruch verantwortlich.
Bei der Demonstration am Mittwoch mischten sich mehrere Minister und Funktionäre der Regierungspartei unter die Demonstranten. An den Protesten beteiligte sich auch eine Gruppe Serben aus dem Kosovo, die zu Fuß nach Belgrad kamen. Serbien hat die Unabhängigkeit des Kosovo nie anerkannt.
Mutter eines Opfers tritt in Hungerstreik
„Wir sind weit gereist, um unseren Präsidenten und unser Land zu unterstützen“, sagte einer von ihnen, Zarko Milovanovic. „Präsident Vucic hat uns immer unterstützt, wir wollen zeigen, dass wir für Frieden und Einheit sind.“ Vucic antwortete auf ein Foto der Menschenmenge auf Instagram mit dem Kommentar „Stolz auf Serbien“.
Auf der anderen Seite versammelten sich Tausende regierungsfeindliche Demonstranten, um ihre Unterstützung für die Mutter eines der Opfer aus Novi Sad, Dijana Hrka, zu zeigen. Hrka trat am Sonntag vor dem Parlament in einen Hungerstreik. Sie fordert, dass die Verantwortlichen für den Unfall und den Tod ihres Sohnes zur Verantwortung gezogen werden.
Nach Angaben der Polizei nahmen weniger als 3.000 Menschen an der regierungsfeindlichen Kundgebung teil, die Zahlen der Polizei lagen jedoch stets unter unabhängigen Schätzungen. Die Kundgebung wurde durch ein massives Polizeiaufgebot gesichert. Um das Lager der Regierungsanhänger herum wurden provisorische Zäune errichtet.
