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Selenskyj stellt die Hafenstadt Odessa unter Militärverwaltung

Stand: 16. Oktober 2025 03:55 Uhr

Zunächst entzog der ukrainische Präsident Selenskyj dem Bürgermeister von Odessa die Staatsbürgerschaft – nun stellte er die Hafenstadt unter Militärverwaltung. Beobachter sprechen von einem Machtkampf.

Mitten im Krieg beherrscht ein innenpolitischer Konflikt die Schlagzeilen in der Ukraine. Präsident Wolodymyr Selenskyj und der ihm unterstellte Geheimdienst SBU gehen aktiv gegen den Bürgermeister von Odessa, Hennadi Truchanow, vor. Truchanow regiert seit 2014 die Hafenstadt am Schwarzen Meer. Selenskyj warf dem Bürgermeister nun vor, sowohl die ukrainische als auch die russische Staatsbürgerschaft zu besitzen. Das stellte der Geheimdienst SBU fest.

Selenskyj ging sofort einen Schritt weiter und entzog Truchanow die ukrainische Staatsbürgerschaft. In einer Videoansprache sagte er: „Ich war heute beim Chef des SBU, um mir seinen Lagebericht anzuhören. Ich danke dem Geheimdienst dafür, dass er gegen russische Geheimdienststrukturen vorgeht. Wir haben über die Lage in Gemeinden an der Front und im Süden unseres Staates, insbesondere in Odessa, gesprochen. Odessa verdient besseren Schutz als zuvor – und mehr Unterstützung.“

SBU führt Militärverwaltung

Selenskyj nannte Truchanows Namen nicht. Dennoch sollten Zuhörer verstehen: Truchanow ist gefährlich für Odessa und möglicherweise mit russischen Geheimdiensten verbunden. Nach dieser Rede stellte Selenskyj Odessa unter Militärverwaltung. Und Selenskyj ernannte einen hochrangigen SBU-Mitarbeiter zum Leiter dieser Militärverwaltung.

Dagegen gibt es massive Kritik. Selenskyj arbeite daran, die lokale Selbstverwaltung in der Stadt zu untergraben, sagte Maryna Boyko, Mitglied des Stadtrats von Odessa. „Niemand in Odessa weiß genau, wie das passieren wird. Der Bürgermeister wird definitiv seine Befugnisse verlieren. Dann müsste eigentlich das ukrainische Parlament entscheiden, ob alle Befugnisse der Stadtorgane auf die neue Militärverwaltung übertragen werden. Wenn das passiert, wird der Stadtrat entweder aufgelöst. Oder wir werden auf dem Papier Abgeordnete, ohne Einflussmöglichkeit. Niemand weiß hier genau, worauf wir uns einstellen müssen.“

Die Opposition kritisiert Selenskyj

Maryna Bojko gehört der Partei Europäische Solidarität an. Diese Partei ist die größte Oppositionspartei im ukrainischen Parlament. Aus ihren Reihen kommt immer wieder Kritik an Selenskyj. In Odessa äußerte sie auch Kritik am derzeitigen Bürgermeister Truchanow, der dort eine eigene lokale Partei gründete. Bojko sagt: Das ist ein Kampf um die Macht in Odessa.

„Mir scheint, dass Selenskyjs Vorgehen nicht militärisch notwendig ist. Das ist politisch motiviert. Es geht wahrscheinlich darum, Odessa und seinen Haushalt zu kontrollieren. Ich möchte niemanden ohne Beweise beschuldigen. Aber hier geht es um viel Geld. Es kann sein, dass es darum geht, diese Finanzströme zu kontrollieren.“

Truchanow – eine umstrittene Figur

So sehen es viele unabhängige Beobachter. Die Wahrheit ist, dass der derzeitige Bürgermeister Truchanow eine sehr umstrittene Persönlichkeit ist. Das Nationale Amt für Korruptionsbekämpfung hat gegen ihn wegen möglicher Vorteilsnahme ermittelt, das Verfahren läuft noch. Bei der letzten Parlamentswahl vor der russischen Invasion kandidierte Truchanow für eine inzwischen verbotene pro-russische Partei. Zuletzt erregte er den Unmut vieler Menschen, weil in der Stadt neun Menschen bei Überschwemmungen ums Leben kamen. Die Behörden warnten die Menschen viel zu spät vor dem Sturm. Deshalb kam es in den vergangenen Tagen in Odessa zu Kundgebungen von Bürgern, die das Vorgehen von Präsident Selenskyj feierten.

Truchanow weist unterdessen die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück. Er hatte nie die russische Staatsbürgerschaft und wird gegen die Entscheidung von Präsident Selenskyj vor Gericht gehen.

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