Selenskyj bestätigt Flamingo-Angriffe: „Immense Sprengkraft“ sichtbar

Zuerst gab es nur Hinweise, jetzt Bestätigung: Nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hat die Ukraine erstmals ihre neuen Flamingo-Marschflugkörper gegen die russische Armee eingesetzt. In den letzten Wochen hatte es immer wieder Spekulationen über den Einsatz des neuen Waffensystems gegeben.
Zu Beginn der Woche erklärte Selenskyj zunächst zurückhaltend, anhand von in sozialen Netzwerken kursierenden Aufnahmen könne zwischen dem Einsatz ukrainischer Langstreckendrohnen und anderen Waffen wie der Flamingo unterschieden werden. Der ukrainische Staatschef bestätigte nun gegenüber Journalisten den Einsatz der Marschflugkörper.
Selenskyj bestätigt Flamingo-Angriffe: „Erste spürbare Ergebnisse“
„In der letzten Woche – ich werde nicht sagen, in welchem Umfang – unsere Neptun- und Flamingo-Waffen eingesetzt wurden“, sagte Selenskyj laut der Nachrichtenagentur Ukrinform am Donnerstag (9. Oktober). „Sie können die entsprechenden Ergebnisse selbst analysieren“, fügte Selenskyj hinzu und betonte, dass es sich nicht um einen „massiven Einsatz“ der beiden Waffensysteme handele. „Wir sagen nur, dass sie eingesetzt werden und dass diese Waffen gerade erst spürbare Ergebnisse zeigen.“
Die Ukraine präsentierte im August die Flamingo, seitdem wurden die ersten Angriffe mit der Marschflugkörper erwartet, die bald in Massenproduktion gehen wird. Mit einer Reichweite von rund 3.000 Kilometern soll der Flamingo in der Lage sein, Ziele tief in Russland zu erreichen – eine Fähigkeit, die von der ukrainischen Armee seit langem angestrebt wird.
Berichte: Drei Flamingos gegen FSB-Stützpunkt eingesetzt
Da westliche Unterstützer jedoch noch nicht die entsprechenden Waffen geliefert haben, hat das Land die Produktion selbst in die Hand genommen – und den Flamingo entwickelt. Der Neptun-Marschflugkörper, der eine deutlich geringere Reichweite hat, ist seit rund einem Jahr im Einsatz. Laut ukrainischen Berichten wurde die Waffe jedoch kürzlich erneut modernisiert.
Der nun von Selenskyj bestätigte Einsatz von Marschflugkörpern letzte Woche scheint nach ersten Analysen zumindest teilweise erfolgreich gewesen zu sein. Bei einem Angriff auf einen Stützpunkt des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB im Norden der besetzten Halbinsel Krim kamen einschlägigen Berichten zufolge drei Flamingos zum Einsatz.
Raketenexperte attestiert Flamingos „immensen Einfluss“
Zwei der drei Raketen hätten ihr Ziel erreicht, berichtete die „Welt“ schließlich am Donnerstag unter Berufung auf die Einschätzungen des Raketenexperten Fabian Hoffmann von der Universität Oslo. Hoffmann berichtete, dass eine der beiden Marschflugkörper etwa hundert Meter vom Ziel entfernt einschlug.

Arbeiter inspizieren eine Flamingo-Marschflugrakete in einer geheimen Fabrik in der Ukraine. (Archivbild)
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Das sei „auf den ersten Blick kein gutes Ergebnis“, doch die von den Flamingos hinterlassenen Krater mit einem Durchmesser von bis zu fünfzehn Metern zeigten einen „immensen Einschlag“, erklärte der Experte. Die mangelnde Genauigkeit der Waffe kann dadurch ausgeglichen werden, dass die Flamingo im Vergleich zu präziseren Marschflugkörpern wie den amerikanischen Tomahawks eine größere Sprengladung und geringere Kosten aufweist.
Selenskyj meldet „großen Erfolg“ bei Anschlägen in Russland
Nach Angaben des britischen Magazins „Economist“ kostet der Abschuss eines Flamingos rund 500.000 Euro, der Einsatz einer Tomahawk-Marschflugkörper kostet jeweils rund zwei Millionen Euro. Dies eröffnet der Ukraine neue Chancen.
Die ukrainischen Streitkräfte haben kürzlich massive Angriffe auf die russische Ölindustrie gestartet. „Wir wissen, dass Ust-Luga und Primorsk jetzt in Reichweite sind“, schrieb Selenskyj auf der Plattform X und berichtete von „großen Erfolgen“ bei den Angriffen „tief im Inneren Russlands“.
Benzinmangel in Russland: „Unsere Waffen liefern greifbare Ergebnisse“
Laut ukrainischen Angaben beläuft sich die Benzinknappheit in Russland inzwischen auf „rund 20 Prozent der Nachfrage“, berichtete der Präsident. „Unsere Waffen liefern greifbare Ergebnisse“, fügte Selenskyj hinzu. Bislang hat die Ukraine vor allem Langstreckendrohnen eingesetzt, um Raffinerien und Öldepots anzugreifen. Nun dürften die Flamingos häufiger zum Einsatz kommen – und bald sogar amerikanische Tomahawks?
Dass die Ukraine um die Lieferung der US-Waffe gebeten hat, wurde inzwischen sowohl von Kiew als auch von Washington bestätigt. Eine endgültige Entscheidung darüber werde US-Präsident Donald Trump treffen, kündigte US-Vizepräsident JD Vance vergangene Woche an. Am Dienstag erklärte Trump, dass er die Entscheidung grundsätzlich schon getroffen habe, es aber noch Fragen zu klären gebe, etwa gegen welche konkreten Ziele die Ukraine US-Waffen einsetzen wolle.
Tomahawks für die Ukraine: „Ich habe nicht ‚Nein‘ gehört“
„Ich habe bei unserem letzten Treffen kein ‚Nein‘ gehört“, sagte Selenskyj und bestätigte damit die ukrainische Anfrage gegenüber Reportern. Trump erklärte, er prüfe „die Möglichkeit“, fuhr der ukrainische Präsident fort, wie Politico am Donnerstag berichtete, und machte dem US-Präsidenten ein klares Angebot hinsichtlich einer möglichen Lieferung der Tomahawk-Marschflugkörper.
„Wenn Trump der Welt – insbesondere dem ukrainischen Volk – die Chance auf einen Waffenstillstand gibt, dann sollte er für den Friedensnobelpreis nominiert werden“, sagte Selenskyj. „Wir werden ihn im Namen der Ukraine nominieren.“
Russland reagiert auf Tomahawk-Gedankenspiele mit Drohungen
Mit der Tomahawk-Marschflugkörper werde dieses Ziel greifbarer, erklärte der Ukrainer. Angriffe mit der US-Langstreckenwaffe würden in Russland für „Ernüchterung“ sorgen und Kremlchef Wladimir Putin an den Verhandlungstisch zwingen, prognostizierte Selenskyj.

Unterdessen reagierte Russland diese Woche mit schrillen Drohungen und klaren Warnungen auf westliche Überlegungen. Kremlchef Putin warnte, dass eine Tomahawk-Lieferung eine „neue Phase“ der Eskalation einleiten könnte. Ein solcher Schritt würde die russisch-amerikanischen Beziehungen „zerstören“, drohte der russische Präsident.
Russland: „Neue Eskalationsstufe“ und „irreparabler Schaden“
Auch im russischen Außenministerium war von einer „neuen, schwerwiegenden Eskalationsstufe“ die Rede. Der Einsatz von Tomahawk-Marschflugkörpern werde den Beziehungen zu Washington „irreparablen Schaden“ zufügen, warnte Außenamtssprecherin Maria Sacharowa.

Nach einem ukrainischen Drohnenangriff bricht in einer russischen Ölraffinerie in Samara ein Feuerball aus. Die Ukraine setzt ihre Angriffe auf russische Energieanlagen fort. (Archivbild)
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Unterdessen setzt die Ukraine ihre Angriffe auf die russische Energieinfrastruktur unbeirrt fort. In der Nacht zum Donnerstag seien ein russisches Gaswerk und eine Ölpipelinestation in der Region Wolgograd angegriffen worden, berichtete der Generalstab in Kiew. Nach Angaben des Militärs kam es in den Städten Kotowo und Jefimowka zu Explosionen und Bränden. Das Ausmaß des Schadens an den beiden Anlagen werde noch ermittelt, hieß es.
Die Ukraine greift erneut an: Explosionen in Wolgograd
„Diese Anlage ist von entscheidender Bedeutung für die russische Öl- und Gasinfrastruktur“, kommentierte Andrii Kovalenko, Leiter des ukrainischen Zentrums zur Bekämpfung von Desinformation, am Donnerstag gegenüber dem Kyiv Independent den Angriff auf das Gaskraftwerk Kotovo. Auch Satellitenbilder der US-Raumfahrtbehörde NASA bestätigten der Zeitung zufolge einen Brand auf dem Gelände der russischen Energieanlage.

In Russland sagte der Gouverneur von Wolgograd Andrei Bocharov unterdessen laut staatlichen Medienberichten, dass die Behörden „sich um Brände in Energieanlagen kümmern“ würden. Unterdessen war in russischen Telegram-Kanälen von „Drohnenangriffen“ die Rede. Ob auch Flamingos zum Einsatz kamen, war zunächst nicht bekannt.
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Felix
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