Die Ukraine wird erneut von einem Korruptionsskandal erschüttert: Minister Herman Haluschtschenko wird nach Razzien im Energiesektor entlassen. Im Mittelpunkt der Ermittlungen steht ein Vertrauter des ukrainischen Präsidenten.
Der ukrainische Justizminister Herman Haluschtschenko ist nach Durchsuchungen im Zusammenhang mit Korruptionsermittlungen von seinem Amt entbunden worden. Dies habe die Regierung auf einer außerordentlichen Sitzung beschlossen, sagte Ministerpräsidentin Julia Swyrydenko. Das Justizministerium teilte mit, Haluschtschenko sei wegen Korruptionsverdachts vom Dienst suspendiert worden.
Das Antikorruptionsbüro und die Antikorruptionsstaatsanwaltschaft der Ukraine hatten zuvor Ermittlungen gegen das Unternehmen Energoatom und Razzien angekündigt. Dabei geht es um Bestechungsgelder, die in den Bau von Schutzvorrichtungen rund um Energieanlagen gegen russische Luftangriffe geflossen sein sollen. Die Antikorruptionsbehörde sprach von fünf Festnahmen und sieben Verdachtsfällen. Die Gruppe soll rund 100 Millionen US-Dollar (86,4 Millionen Euro) an Bestechungsgeldern gewaschen haben.
Nach Angaben der Antikorruptionsstaatsanwaltschaft ist auch Haluschtschenko, ein ehemaliger Energieminister, in den Fall verwickelt. Die Behörde wirft ihm vor, von Minditsch „persönliche Vorteile“ erhalten zu haben – als Gegenleistung für die Kontrolle über die Geldströme im Energiesektor. Premierminister Svyrydenko sagte am Dienstag, dass Haluschtschenkos Stimme auf einer von der Ermittlungsbehörde veröffentlichten Aufzeichnung eines Gesprächs mit Verdächtigen zu hören sei.
Minditsch ist Miteigentümer der Produktionsfirma Kwartal 95. Gegründet wurde die Firma von Selenskyj, der zuvor als Komiker und Schauspieler auftrat, bevor er für das Präsidentenamt kandidierte. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft übte Minditsch „Kontrolle über die Ansammlung, Verteilung und Legalisierung von Geldern aus, die durch kriminelle Aktivitäten im Energiesektor der Ukraine erlangt wurden“. Der Verdächtige nutzte für seine kriminellen Aktivitäten „freundschaftliche Beziehungen zum Präsidenten der Ukraine“. Der Leiter des Ermittlungsteams sagte am Dienstag im Staatsfernsehen, Minditsch habe kurz vor den Hausdurchsuchungen das Land verlassen.
Klitschko: „Ein großer Verlust“ für die Ukraine
Die Regierung hat den Aufsichtsrat von Energoatom bereits entlassen. Der Fall schlägt in der Ukraine hohe Wellen und rückt den Kampf gegen Korruption in den Fokus. Die Vorwürfe sind besonders heikel, da der Bevölkerung aufgrund russischer Angriffe auf die Energieinfrastruktur ein Winter mit Stromausfällen bevorsteht.
Im Sommer lösten Versuche der Regierung, die Unabhängigkeit der Antikorruptionsbehörden einzuschränken, über die Ukraine hinaus scharfe Kritik aus. Der Kampf gegen die weitverbreitete Korruption wird auch als zentral für die Ambitionen der Ukraine angesehen, der EU beizutreten und Milliarden an Hilfsgeldern von westlichen Verbündeten zu erhalten.
Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko kritisierte am Dienstag in einem Interview im WELT-Fernsehen: „Das ist ein Tiefschlag. Gerade in der heutigen Situation, in der wir gegen die Russen kämpfen, die unser Land besetzen wollen. Und gleichzeitig müssen wir weiterhin gegen die Korruption kämpfen.“ Dies sei „großer Schaden“ für sein Land und schädige die Glaubwürdigkeit der Ukraine in den Augen ihrer Partner. Er hofft daher auf eine schnelle Aufklärung.
dpa/Reuters/ll
