Scholz verhandelt Pakt
Moskau sorgt vor Uno-Zukunftsgipfel für Unruhe
22.09.2024, 08:48
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UN-Generalsekretär Guterres will die Vereinten Nationen und andere internationale Organisationen durch Reformen krisenfester machen. Ein unter deutscher Co-Führung ausgehandeltes Paket erfüllt zwar nicht die Erwartungen – dürfte aber die Zustimmung aller 193 Mitgliedsstaaten finden. Russland taktiert bis zur letzten Minute.
Trotz tiefgreifender politischer Differenzen sollen die 193 UN-Mitgliedsstaaten heute in New York im Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz einen Reformplan verabschieden. Dem Plan zufolge soll das Abkommen einstimmig von allen 193 UN-Staaten ohne Abstimmung angenommen werden. Für Unruhe vor dem zweitägigen sogenannten Zukunftsgipfel der Vereinten Nationen sorgt nach monatelangen Verhandlungen allerdings Russland. Die UN-Mitgliedsstaaten bereiten sich auf einen Versuch Moskaus vor, am Sonntag eine Abstimmung über den sogenannten Zukunftspakt zu erzwingen, berichteten Diplomaten. Das Paket war unter Führung Deutschlands und Namibias ausgehandelt worden.
Der seit Jahresbeginn mühsam ausgehandelte Pakt enthält Absichtserklärungen für eine Reform des UN-Sicherheitsrates und fordert eine Anpassung des internationalen Finanzsystems zugunsten des sogenannten Globalen Südens. Zudem soll er erste Grundlagen für die globale Regulierung künstlicher Intelligenz legen. Auch gegen ein Wettrüsten im Weltraum wendet sich der Text. Trotz einiger Lichtblicke bleibt der endgültige Text hinter den sehr ambitionierten Erwartungen von António Guterres zurück, heißt es unter Diplomaten. Der UN-Generalsekretär hatte ehrgeizige Reformen gefordert, um die internationale Gemeinschaft angesichts vieler Krisen und Kriege handlungsfähiger und die Welt gerechter zu machen.
Dass die Arbeit den hohen Zielen nicht gerecht wird, zeigt sich auch daran, dass die einflussreichen Vetomächte USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich nach dem derzeitigen Plan lediglich ihre Außenminister oder gar ihre Stellvertreter entsenden. Bis zum Ende der Veranstaltung am Montagabend sollen jedoch insgesamt mehr als 120 Staats- und Regierungschefs gesprochen haben.
Moskau könnte überstimmt werden
Unterdessen ist Stunden vor Beginn des Treffens noch unklar, ob es sich nur um eine leere Drohung aus Moskau handelt, um eine Abstimmung zu erzwingen. Russland ist bei den Vereinten Nationen für Verfahrensmanöver bekannt, die die Staaten über seine Absichten im Unklaren lassen. Trotz Blockadedrohungen hatten Diplomaten eigentlich damit gerechnet, dass das Land den mühsam ausgehandelten Kompromiss mittragen würde. Sollte Russland auf einer Abstimmung bestehen, könnte es laut Diplomaten mit der nötigen Stimmenmehrheit in der UN-Generalversammlung abgewehrt werden.
Bei der Arbeit am Zukunftspakt galt vor allem Russland Diplomaten als Unruhestifter. In einem Manöver kurz vor der geplanten Verabschiedung forderte Moskau in einem Antrag einen zusätzlichen Absatz, der Teile der Vereinten Nationen und das geltende Abkommen selbst indirekt als überflüssig darstellte. Diplomaten halten es für unwahrscheinlich, dass Moskau sich daran halten wird.
Scholz wird zu Beginn der Veranstaltung eine Rede halten, ebenso wie Generalsekretär Guterres und der namibische Präsident Nangolo Mbumba. Zuvor wird die klassische Sängerin und fünffache amerikanische Grammy-Preisträgerin Renée Fleming dem Ereignis in der Großen Halle der UN-Generalversammlung am East River in Manhattan einen feierlichen Rahmen verleihen.
Generaldebatte ohne Scholz – Baerbock reist an
Die Bundeskanzlerin war am Samstag in Manhattan eingetroffen und hatte am Abend erstmals UN-Chef Guterres zu einem privaten Abendessen im Hauptquartier der Vereinten Nationen getroffen. Während seines Aufenthalts in New York, der bis Montagabend Ortszeit dauern soll, wird der SPD-Politiker zudem mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und dem brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva zusammentreffen. Außerdem wird Scholz voraussichtlich das Jüdische Museum in Manhattan sowie die Ausstellung eines deutschen Künstlers im Museum of Modern Art (MoMA) besuchen. Dort wird in wenigen Tagen eine Schau mit Werken des Bildhauers Thomas Schütte eröffnet.
Mit besonderer Spannung ist zu erwarten, wie Scholz während der Reise auf das Ergebnis der Landtagswahl in Brandenburg reagieren wird, wo angesichts eines drohenden Wahlsieges der AfD über die SPD für den Kanzler viel auf dem Spiel steht. Seine Rede auf dem Zukunftsgipfel will Scholz wenige Stunden vor der Veröffentlichung der ersten Hochrechnungen halten.
Beim weltgrößten Diplomatentreffen, das am Dienstag beginnt, wird Scholz allerdings nicht mehr in der Stadt sein: Die jährliche Generaldebatte der UN-Generalversammlung mit Reden von US-Präsident Biden, Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Präsident Selenskyj dauert knapp eine Woche – für Deutschland spricht die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock.