
Scholz beruhigt Nachbarländer
Faeser verspricht „intelligente Grenzkontrollen“
15.09.2024, 19:38
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Deutschland ist von Schengen-Staaten umgeben, deshalb sollte der Verkehr an den Grenzen frei von Kontrollen sein. Im Kampf gegen irreguläre Migration soll das ab morgen anders sein. Lange Staus werde es aber nicht geben, verspricht Innenminister Faeser.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser geht von den morgen beginnenden Grenzkontrollen nicht aus, dass es für Pendler und Reisende zu größeren Einschränkungen kommen wird. Es werde „keine langen Staus, sondern kluge Kontrollen“ geben, sagte die SPD-Politikerin der Bild am Sonntag. Die Grenzkontrollen würden stichprobenartig erfolgen, „wie es die aktuelle Lage erfordert“. Allerdings seien vorübergehende Störungen im Grenzverkehr nicht auszuschließen, hieß es in einer Mitteilung ihres Ministeriums.
Zuvor hatte unter anderem der frühere EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vor „massiven Unannehmlichkeiten für Pendler“ gewarnt. Kritik an dem Plan kam auch von Bürgern und Tourismusverbänden in den Grenzregionen sowie aus mehreren europäischen Ländern.
Faeser hat die Ausweitung der Kontrollen an allen deutschen Landgrenzen angeordnet, um die Zahl der illegalen Einreisen weiter zu senken. Ziel der Kontrollen sei es, „irreguläre Migration weiter zu reduzieren, Schleppern das Handwerk zu legen, Kriminellen das Handwerk zu legen, Islamisten zu identifizieren und zu stoppen“, sagte sie der „Bild am Sonntag“.
Die zusätzlichen Kontrollen sollen zunächst sechs Monate dauern. Sie betreffen die Landgrenzen zu Dänemark, Belgien, den Niederlanden und Luxemburg. An den Grenzen zu Polen, Tschechien, Österreich und der Schweiz gibt es schon länger Kontrollen, auch an der Grenze zu Frankreich gab es wegen der Olympischen Spiele zuletzt Kontrollen.
Das Innenministerium verweist darauf, dass die Polizei an den Grenzen zu Polen, Tschechien, Österreich und der Schweiz seit 16. Oktober 2023 rund 52.000 illegale Einreisen festgestellt und knapp 30.000 Zurückweisungen vorgenommen habe. Zurückgewiesen werden Menschen unter anderem, wenn sie keine gültigen oder gefälschten Dokumente vorlegen oder ohne gültigen Aufenthaltstitel einreisen wollen. Besondere Aufmerksamkeit erfährt die Maßnahme auch deshalb, weil Grenzkontrollen innerhalb des Schengenraums normalerweise nicht vorgesehen sind. Sie müssen jeweils der EU-Kommission gemeldet werden.
Scholz ruft die Nachbarn an
Bundeskanzler Olaf Scholz verteidigte die Ausweitung der Kontrollen und begründete sie mit der Notwendigkeit, die irreguläre Migration weiter einzudämmen. Aus Regierungskreisen hieß es, Scholz habe zum Thema Grenzkontrollen mit mehreren europäischen Regierungschefs telefoniert, darunter mit dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk, dem österreichischen Bundeskanzler Karl Nehammer und dem luxemburgischen Ministerpräsidenten Luc Frieden. Auch mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen habe es ein Telefonat gegeben. In den kommenden Tagen wolle Scholz zudem mit den Regierungschefs aller weiteren Nachbarstaaten telefonieren, hieß es.
CDU-Chef Friedrich Merz forderte die Bundesregierung auf, bis Jahresende eine Bilanz vorzulegen, ob die Kontrollen zu einer spürbaren Reduzierung der illegalen Einreisen geführt hätten. Der „Bild am Sonntag“ sagte Merz: „Nur Zurückweisungen an unseren Grenzen würden eine unmittelbare Wirkung zeigen.“
Experte: Erwartungen können nicht erfüllt werden
Ein Treffen von Regierung, Union als größter Oppositionskraft und Bundesländern zur Migrationspolitik ist am Dienstag gescheitert. Die Union beharrt auf weitgehenden Zurückweisungen von Asylbewerbern an den deutschen Grenzen – nach europäischem Recht wäre das laut Bundesregierung nicht zulässig. Die Ampelkoalition will stattdessen die Verfahren für sogenannte Dublin-Überstellungen beschleunigen. Dabei geht es um die Rückführung von Asylbewerbern durch jene EU-Länder, die für die Bearbeitung ihrer Asylanträge zuständig sind – in der Regel ist das der Staat, in dem jemand erstmals europäischen Boden betreten hat.
Die deutschen Pläne stoßen nicht überall auf Verständnis: „Ich bin kein Fan von Grenzkontrollen“, sagte der frühere EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mit Blick auf die 50.000 deutschen Pendler allein zwischen Deutschland und Luxemburg. Auch im Schengen-Raum hätten andere Länder vorübergehende Grenzkontrollen wieder eingeführt. „Ich sehe das mit Sorge“, sagte Juncker. Es dürfe nicht sein, „dass in den Köpfen und Herzen der Menschen wieder Grenzen entstehen“.
Migrationsforscher Gerald Knaus zweifelt an der erhofften Wirkung der Kontrollen. Dem Deutschlandfunk sagte der Experte: „Wer erwartet, dass Grenzkontrollen zu einer Verringerung der irregulären Migration führen, weckt eine Erwartung, die nicht erfüllt werden kann.“