Die wohl wichtigste Entscheidung in der Weltschifffahrt wurde verschoben. Nach langwierigen Verhandlungen der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) haben die 176 Mitgliedsstaaten noch nicht über ein Regelwerk abgestimmt. Zu groß war wohl der Druck von US-Präsident Donald Trump, der für den Fall einer Verabschiedung massive Gegenmaßnahmen angekündigt hatte.
Bis zum Schluss hätte die Spannung kaum größer sein können. Seit Montag diskutieren Vertreter der 176 Mitgliedsstaaten der International Maritime Organization (IMO) in London über die Zukunft der globalen Schifffahrt und den Weg zur Klimaneutralität im Seeverkehr. Die überwiegende Mehrheit dieser Staaten hatte bereits im vergangenen April für den Plan gestimmt, die CO2-Emissionen der Schifffahrt bis 2050 auf Null zu senken und ab 2027 einen Fahrplan mit einem Bußgeldsystem einzuführen. Die endgültige Abstimmung war nun für diese Woche im IMO-Büro an der Themse geplant.
Bereits im Frühjahr war bei der ersten Abstimmung bekannt, dass die USA dagegen sind. Doch die Drohungen von US-Präsident Donald Trump in den letzten Tagen mit vielfältigen Gegenmaßnahmen für den Fall, dass die Entscheidung der IMO zustande kommt, zeigten Wirkung. Höhere Hafengebühren, die Schließung von Häfen für Schiffe oder Zölle für IMO-unterstützende Länder sind Beispiele für Trumps Drohungen.
Griechenland war das erste Land, das die Seiten wechselte
Als Reaktion darauf zog Griechenland, das Land, das gemessen an Schiffseigentümern die zweitgrößte Schifffahrtsnation der Welt ist, nach Informationen von Bloomberg plötzlich seine Unterstützung für die Pläne zurück und wechselte auf die Gegenseite. Auch die Philippinen wollten den Regelungen nicht mehr zustimmen. Auslöser waren Drohungen der USA mit Sanktionen gegen Schiffsbesatzungen aus jenen Staaten, die zu den Befürwortern der IMO-Vorschriften zählen – und dies vor dem Hintergrund, dass ein großer Teil der weltweiten Schiffsbesatzungen von den Philippinen stammt. Große Ölproduzenten wie Russland, Saudi-Arabien und Katar hatten sich bereits gegen die Pläne der IMO positioniert.
Doch nun werden die ersten weltweit gültigen Umweltvorschriften für Schadstoffemissionen, die ursprünglich ab 2027 in Kraft treten sollten, nicht umgesetzt. Von da an sollte jeder Schiffseigner für jedes seiner Schiffe eine jährliche Liste der in den Schiffsmotoren verwendeten Treibstoffe bei der IMO einreichen.
Dies wiederum soll zu Strafen von 100 bis 380 US-Dollar pro Tonne Treibstoff führen, abhängig von der Menge der dadurch verursachten Emissionen wie Kohlendioxid, Methan oder Stickstoffdioxid. Mehr als 90 Prozent der weltweiten Frachtschiffflotte werden mittlerweile mit Schweröl oder Flüssigerdgas (LNG) betrieben, von denen einige hohe Emissionen aufweisen. Das muss sich in den nächsten 25 Jahren ändern, hin zu emissionsfreien Kraftstoffen wie E-Methanol oder E-Ammoniak.
Die Reaktion der deutschen Schifffahrt ist eher pessimistisch. „Das ist ein Rückschlag. Ob es im nächsten Jahr zu einem Konsens kommt, bleibt höchst fraglich“, sagt Martin Kröger, Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder (VDR). Eine Pause kann helfen, sollte aber nicht zum Dauerzustand werden. „Wenn die Entscheidung immer weiter hinausgezögert wird, droht der Prozess völlig ins Stocken zu geraten“, sagt Verbandschef Kröger.
Die USA spielen in der Frachtschifffahrt kaum eine Rolle
Mit der Verschiebung der IMO-Pläne haben sich Förderländer wie China, Indien, die Europäische Union oder Brasilien nicht mehr innerhalb der Organisation durchgesetzt. Chinesische und europäische Containerreedereien belegen beispielsweise die ersten fünf Plätze im globalen Ranking. Deutschland ist das siebtgrößte Land der gesamten Welthandelsflotte. Und dieselben Reedereien fordern seit Jahren gemeinsame Umweltregeln.
Die USA hingegen sind keine Schifffahrtsnation. Die US-Handelsflotte misst gerade einmal rund 1.000 Schiffe im Vergleich zu rund 50.000 großen Handelsschiffen weltweit. Die IMO ist eine Organisation der Vereinten Nationen und legt durch Abstimmungen globale Schifffahrtsregeln fest. Derzeit ist die globale Schifffahrt für drei Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich.
Auch zu den Auswirkungen von Umweltauflagen auf Käufer beispielsweise von Waren aus Übersee gibt es bereits Berechnungen. Nach Angaben des Nabu würden die Treibstoffkosten für Reedereien um zehn bis 20 Prozent steigen. Was das im Einzelnen für Käufer in Deutschland beispielsweise von Waren aus China bedeutet, hängt von der Art der Ware ab. Als Faustregel gilt in der Containerschifffahrt, dass der Seetransport etwa ein bis zwei Prozent des Einzelhandelspreises ausmacht – sei es ein T-Shirt, ein Gartengrill oder ein Flachbildschirm. In den allermeisten Fällen handelt es sich dabei um Centbeträge. Schließlich passen heutzutage bis zu 24.000 Container auf ein Frachtschiff und jede dieser Stahlboxen bietet Platz für Zehntausende kleiner Einkaufsartikel.
Dieser Artikel wurde für das WELT- und Wirtschaftskompetenzzentrum verfasst Geschäftsinsider erstellt.
Birger Nicolai ist Wirtschaftskorrespondent in Hamburg. Er berichtet unter anderem über Schifffahrt, Logistik und mittelständische Unternehmen.