Deutschland ist nach wie vor ein Innovationsstandort. Kleine Unternehmen haben weniger mit kreativen Prozessen zu kämpfen als mit Bürokratie. Ein Gründer aus der Verteidigungsindustrie erzählt es uns.
Irgendwo im dichten Gras liegt eine russische Panzerabwehrmine. Jeder, der die TM-62M-Mine berührt, kann im Inneren 7,5 Kilogramm Sprengstoff zur Explosion bringen. Eine solche Menge kann ein gepanzertes Fahrzeug zerstören und alle Insassen töten.
Um genau das frühzeitig zu verhindern, lässt Ken La-Ramée eine Kameradrohne über die Wiese steigen. Was sie als Livebild aufzeichnet, erhält der 45-Jährige direkt auf den Controller, mit dem er das Flugzeug steuert. Als die Panzerabwehrmine in Sichtweite der Drohnenkamera gerät, passiert auf La-Ramées Bildschirm etwas: Eine von ihm entwickelte Software erkennt die Position und den genauen Typ der Panzerabwehrmine und markiert sie inklusive Gefahrenradius auf einer Umgebungskarte.
Das Programm, das Ken La-Ramée programmiert hat und mit rund zehn weiteren Mitarbeitern im thüringischen Tautenhain stetig weiterentwickelt, heißt Safetrek.ai. Es soll die Bewegung in Kampfgebieten revolutionieren, sowohl für Militäreinheiten als auch für Zivilisten. Es ist das erste Programm der Welt mit einem solchen Funktionsumfang, dass es im Kampfgebiet über Leben und Tod entscheiden kann. Kurz gesagt: Safetrek.ai ist Innovation „Made in Germany“. Darüber hinaus schafft es derzeit kein anderes Programm, alle möglichen Kriegswaffen so präzise zu identifizieren und seinen Benutzern konkrete Anweisungen für deren Verwendung zu geben.
Experten bemängeln immer wieder, dass genau diese Innovationskraft hierzulande fehlt. Glaubt man dem Innovationsindikator, den der Bundesverband der Deutschen Industrie gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut und dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung herausgibt, wird Deutschland für Gründer immer unattraktiver. Im vergangenen Jahr lag Deutschland im weltweiten Ranking auf Platz 12, Tendenz fallend.
Doch gerade im wichtigen Verteidigungssektor scheint nicht die mangelnde Innovationskraft das zentrale Problem zu sein, sondern vielmehr die bürokratischen Hürden, mit denen junge Unternehmer zu kämpfen haben.
In Tautenhain sind Ken La-Ramée und Safetrek.ai in ein ehemaliges Anwesen des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit eingezogen. Auf dem großen Grundstück befindet sich eine Wiese, einige Teile des Grundstücks liegen im Wald. Die perfekte Umgebung, um künstlicher Intelligenz beizubringen, Waffen auch dann zu erkennen, wenn sie teilweise von Blättern, Gras oder Baumkronen bedeckt sind.
Im Prinzip funktioniert die App wie bekannte Pflanzen- oder Gesundheits-Apps: Ein Nutzer fotografiert ein verdächtiges Objekt – etwa eine vermutete Mine – und lässt es von der integrierten KI analysieren. „So wie eine Pflanzen-App erkennt, ob ein Kaktus nicht genug Licht bekommt, erkennt unsere Software anhand des Bildes, um welche Art von Waffe es sich handeln könnte“, erklärt Geschäftsführer Ken La-Ramée im Interview mit t-online.