![Sabotage durch russische „untergeordnete Agenten“? Sabotage durch russische „untergeordnete Agenten“?](https://i0.wp.com/images.tagesschau.de/image/06bef37a-7265-4c1f-b264-3e973ec10e2c/AAABkfkD8c4/AAABkZLhkrw/16x9-1280/dhl-flugzeug-100.jpg?w=1024&resize=1024,0&ssl=1)
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Schon vor zwei Wochen warnten deutsche Sicherheitsbehörden vor Brandsätzen in Luftfrachtpaketen. Das könnte eine neue Sabotagestrategie sein – und das nicht nur in diesem Fall.
Ende Juli geriet im DHL-Logistikzentrum in Leipzig ein Container in Brand: Ein Luftfrachtpaket enthielt einen Brandsatz, der sich selbst entzündete. Der Brand konnte schnell gelöscht und die Lage unter Kontrolle gebracht werden.
Es war allerdings nicht der einzige Vorfall dieser Art. Ähnliche Fälle in Großbritannien und Polen weckten den Verdacht, dass alles miteinander in Verbindung stehen könnte und womöglich russische Geheimdienste am Werk seien.
Ende August, sechs Wochen nach dem Brand, verschickten Bundesamt für Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt eine Warnung vor Brandsätzen in Luftfracht an Unternehmen in Deutschland – der Vorfall wurde publik.
Weitere Pakete in Großbritannien und Polen
Wie ARD–Hauptstadtstudio Und SWR Wie wir erfuhren, wurden wenige Tage nach dem Brand im DHL-Logistikzentrum in Leipzig zwei Tatverdächtige festgenommen: einer in Litauen, ein anderer in Polen. Den Ermittlern war es gelungen, die Luftfrachtpakete mit den selbstzündenden Brandsätzen bis nach Litauen zurückzuverfolgen.
Insgesamt wurden vier Pakete identifiziert, jeweils eines in Großbritannien und Polen sowie zwei in Deutschland. Zwar unterschieden sich die Absender der einzelnen Pakete, die Angaben stellten sich jedoch als falsch heraus. Als Absender konnte der in Litauen festgenommene Tatverdächtige ermittelt werden.
Wichtige Erkenntnisse gewannen die Ermittler dadurch, dass eines der nach Deutschland verschickten Pakete zwar nicht Feuer fing, aber dennoch gefunden wurde.
Russische Sabotage?
Ob sich der Verdacht, dass es sich um eine Sabotageaktion russischer Geheimdienste handelte, bestätigen lässt, ist noch unklar. In deutschen Sicherheitskreisen hält man das für möglich. Am 8. August hatte die Generalstaatsanwaltschaft Dresden wegen des brennenden Containers im DHL-Logistikzentrum in Leipzig Ermittlungen aufgenommen, die mittlerweile der Generalbundesanwalt übernommen hat.
Offiziell will die Bundesanwaltschaft dies nicht bestätigen, doch nach Angaben von ARD–Hauptstadtstudio Und SWR Generalbundesanwalt Jens Rommel sieht in dem Vorfall eine Tat von besonderer Bedeutung für die innere Sicherheit und hat deshalb das Verfahren im Wege der sogenannten Evokation wegen des Tatbestands der versuchten schweren Brandstiftung in die Hand genommen.
Das wiederum zeigt, wie ernst die Vorfälle genommen werden – auch wenn formal derzeit nur wegen Brandstiftung ermittelt wird und nicht wegen eines möglichen nachrichtendienstlichen Hintergrunds. Ohne Zweifel ist das Gefahrenpotenzial von Brandsätzen in der Luftfracht erheblich, denn diese könnten sich auch an Bord eines Flugzeugs entzünden und die gesamte Maschine gefährden.
„Low Level Agents“ für den russischen Geheimdienst
Sollte sich der Verdacht eines Sabotageakts erhärten, würde der Fall in ein Muster passen, das sich in den vergangenen Monaten bereits mehrfach gezeigt hat: Nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz setzen russische Geheimdienste zunehmend auf sogenannte „Untere Agenten“, auch im Zusammenhang mit Sabotageaktionen gegen westliche Staaten, die die Ukraine unterstützen.
Dabei werden Menschen ohne Geheimdiensthintergrund oder entsprechende Ausbildung angeworben – mutmaßlich mit dem Ziel, sie gegen Bezahlung mit Sabotageaktionen zu beauftragen. Das Risiko einer Aufdeckung werde dabei durchaus in Kauf genommen, heißt es in Sicherheitskreisen. Der beabsichtigte Effekt, die Bevölkerung zu verunsichern, werde dennoch erreicht. Zudem könnte Russland abstreiten, für einen Anschlag verantwortlich zu sein.
Die Anwerbung von „niedrigeren Agenten“ hat auch damit zu tun, dass das Netz der russischen Geheimdienste in der EU und Großbritannien deutlich ausgedünnt ist, seit in den vergangenen Jahren zahlreiche „getarnte“ Geheimdienstmitarbeiter ausgewiesen wurden, die an russischen Botschaften mit Diplomatenstatus eingesetzt waren.
Festnahme in Bayreuth
Im April wurden die deutsch-russischen Staatsbürger Dieter S. und Alexander J. in Bayreuth festgenommen. Der Generalbundesanwalt wirft ihnen Agententum vor: Sie sollen im Auftrag eines russischen Geheimdienstes Sabotageakte in Deutschland vorbereitet haben.
Konkret sollen sie einen Anschlag auf eine Eisenbahnstrecke geplant haben, die dem Transport von Kriegsgerät aus Deutschland in die Ukraine zur Verteidigung gegen den russischen Angriffskrieg dient. Beide Männer sitzen seit Mitte April in Untersuchungshaft.
Drohnensichtungen und Evakuierungen auf NATO-Stützpunkten
Zudem hatten Drohnensichtungen in den vergangenen Monaten den Verdacht geweckt, dass Russland Sabotageakte auf deutschem Boden vorbereiten könnte. Zuletzt wurden hochprofessionelle Drohnen über dem Industriegebiet Brunsbüttel gesichtet, die mit hoher Geschwindigkeit flogen und von der Polizei nicht geortet werden konnten.
Der Nato-Stützpunkt in Geilenkirchen wurde teilweise evakuiert, weil US-Geheimdienste Hinweise auf einen möglicherweise bevorstehenden Sabotageangriff gegeben hatten. Es besteht kein Zweifel, dass ein solcher Sabotageangriff – wenn er mit Russland in Verbindung gebracht werden könnte – eine neue Stufe der Konfrontation mit dem Kreml bedeuten würde.