Die Interkontinentalrakete RS-28 Sarmat, unter Experten auch „Weltzerstörerrakete“ genannt, ist offenbar im Abschusssilo explodiert. Das zeigt ein aktuelles Satellitenbild. Experten bezeichnen das Versagen von Putins selbsternannter „Wunderwaffe“ als militärisches Fiasko.
In Zeiten hochentwickelter Aufklärung aus dem All lassen sich fehlgeschlagene Raketentests mit katastrophalen Folgen nicht mehr verheimlichen. So ist nun offenbar ein Exemplar der neuen russischen Interkontinentalrakete RS-28 Sarmat, die als „Weltzerstörerrakete“ betitelt wird, im Startsilo explodiert.
Ein Beobachtungssatellit lieferte ein Bild, das den völlig zerstörten Raketenstartsilo mitsamt einem riesigen Krater auf dem abgelegenen Weltraumbahnhof Plesek im hohen Norden Russlands zeigt. Expertenbeiträge auf dem Kurznachrichtendienst X sprechen von einem Fiasko.
Es ist mindestens der vierte Fehlschlag in der Entwicklungsgeschichte der neuen russischen Interkontinentalrakete für Atomsprengköpfe, die die Nato Satan II nennt. Das Modell ist die weltgrößte Interkontinentalrakete. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte die Superrakete 2018 angekündigt und Mitte 2023 erklärt, das Sarmat-Raketensystem werde „in naher Zukunft Kampfhandlungen aufnehmen“. Westliche Experten zeigten sich diesbezüglich allerdings skeptisch, zumal das gesamte Raketenprogramm immer wieder von Verzögerungen und Rückschlägen begleitet war.
Der erste und bislang einzige Flugtest des gesamten Systems – mit Attrappensprengköpfen – fand am 20. April 2022 statt, kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine. Putin sprach von einer „wirklich einzigartigen Waffe“. Der russische Präsident behauptete, die Sarmat-Rakete sei mit einer Reichweite von 18.000 Kilometern und einem Gewicht von mehr als 200 Tonnen „unvergleichlich“ und die Atomsprengköpfe könnten Abwehrsysteme überwinden. Der Anflug etwa auf US-Großstädte könne auf Flugrouten über den Nordpol, aber auch über den Südpol erfolgen. Experten sprechen von zehn bis zwölf Atombomben, die in der Spitze der Rakete transportiert werden könnten.
Die Entwicklungsgeschichte der gut 35 Meter langen, dreistufigen Sarmat-Rakete ist bemerkenswert. Ihr Vorgänger, das Modell R36-M (NATO-Code Satan), basierte vor allem auf ukrainischen Entwicklungen in der ehemaligen Sowjetunion. Putin strebte allerdings eine von russischen Ingenieuren gebaute Interkontinentalrakete an.
Für den Münchner Raketenspezialisten und -analysten Markus Schiller ist der jüngste Unfall mit der Sarmat-Rakete ein Beleg, „dass sie noch nicht zuverlässig ist“. Es gebe offensichtlich tiefere Probleme in Russlands Raketenindustrie, sagte Schiller gegenüber WELT. Ob der Defekt beim Betanken mit flüssigem Treibstoff oder bei einem Sarmat-Startversuch passiert sei, lasse sich derzeit nicht sagen.
Russland verwendet in der Rakete sogenannte hypergolische Treibstoffe, die bei Kontakt miteinander sofort und spontan zünden. Die USA nutzen Feststofftriebwerke in ihren aus Silos abgefeuerten Interkontinentalraketen. In Abmessungen und Leistung sei die Sarmat-Rakete mit einer Weltraumrakete vergleichbar, sagt Schiller.
Bilder kommen aus Deutschland
Das Foto des zerstörten Sarmat-Startsilos am abgeschirmten Weltraumbahnhof wurde vom amerikanischen Weltraumbilddienstleister Planet Labs zur Verfügung gestellt.
Bemerkenswert ist, dass sich die europäische Zentrale der Weltraumspione in Berlin befindet. Planet Labs beliefert bereits diverse Ministerien und Behörden in Deutschland und hat jüngst einen mehrjährigen Vertrag mit der Deutschen Raumfahrtagentur abgeschlossen. Es ist davon auszugehen, dass zahlreiche westliche Spionagesatelliten den russischen Weltraumbahnhof im Norden regelmäßig unter die Lupe nehmen.
Gerhard Hegmann schreibt für WELT über Rüstung, Luft- Und Raumfahrt Und Militär.