Als russische Drohnen in der Nacht des 10. September über polnische Städte flogen, waren die Reaktionen deutlich und scharf. NATO-Chef Mark Rutte bezeichnete die Verletzung des polnischen Luftraums als „rücksichtslos und gefährlich“. Der polnische Premierminister Donald Tusk sagte, Russland sei in eine Konfrontation mit der ganzen Welt geraten. Und Bundeskanzler Friedrich Merz hat das sogar angekündigt Russland haben Menschenleben gefährdet.
Auf einem Portal mit dem vielsagenden Titel Deutscher Geheimdienst Fünf Tage später waren die Menschen jedoch überrascht über die Berichterstattung. Das polnische Militär ist sich des Herannahens bewusst Drohnen Es hieß, die europäischen Medien hätten die Geschichte hochgespielt.
Allein: Dieser Artikel war kein journalistischer Text. Es sollte vor allem Verwirrung stiften. Er war Teil einer gezielten Aktion Desinformationskampagnedie Russland nach dem Drohnenüberflug startete. Dies geht aus einem Bericht hervor, den Googles Cybersicherheitsabteilung, die Google Threat Intelligence Group (GTIG), am Dienstag veröffentlichte. Darin heißt es, es habe verschiedene Fälle prorussischer „Informationseinsätze“ nach Eingriffen in den polnischen Luftraum dokumentiert.
Es ist schwierig, Aktivitäten im Internet zuverlässig bis zu ihrem Ursprung zurückzuverfolgen. Dementsprechend scheuen sich Forscher oft davor, die Urheber von Cyberangriffen oder Desinformationen eindeutig zu benennen. Googles Cybersicherheitsabteilung hat in diesem Fall jedoch klare Worte: Sie konnten die Aktivitäten technisch auf bekannte russische Gruppen zurückführen, sagte John Hultquist, Chefanalyst bei GTIG, in einem Interview mit der ZEIT.
Der GTIG-Analyse zufolge verbreiten die gefälschten Berichte vier Schlüsselnarrative. Sie stellten den Ursprung der Drohnen in Frage. Sie warfen dem Westen Kriegstreiberei vor. Die Artikel sollten offenbar auch das Vertrauen in die polnische Regierung schwächen und Stimmung gegen die europäische Unterstützung der Ukraine schüren.
Der Fall sei ein gutes Beispiel dafür, wie nachrichtendienstliche Desinformation funktioniert, sagte Hultquist. Desinformationsakteure versuchten, „Löcher in die Realität zu bohren“. Es geht darum, Zweifel zu säen.
Sätze wie aus einem russischen Propaganda-Lehrbuch
Die entdeckten Fake-Berichte stammten von bekannten russischen Desinformationsnetzwerken. Dazu gehört beispielsweise die sogenannte Doppelgänger-Kampagne, die traditionelle deutsche Nachrichtenseiten klont und darauf Texte mit prorussischen Narrativen veröffentlicht. Diese Kampagne wurde im September 2022 enthüllt und gilt als die umfassendste Kampagne ihrer Art, die bisher bekannt ist.
Teil dieser Kampagne sind auch speziell erstellte Seiten wie z.B Deutscher Geheimdienstdie seriös aussehen, deren Texte sich aber wie eine Pressemitteilung des Kremls lesen. Im Text Deutscher Geheimdienst
Beispielsweise wird Mark Rutte mit den Worten zitiert, dass die NATO wollten ihr Kontingent an der russischen Grenze verstärken. Im Text heißt es dann: „Das bedeutet, dass eine immer größere Zahl von Soldaten eine potenzielle Bedrohung für Russland darstellen wird. Denn genau das bekämpft Moskau mit Kiew. Der Kreml geht davon aus, dass eine so hohe Konzentration von NATO-Streitkräften eine direkte Bedrohung für die Sicherheit Russlands darstellt.“ Die Sätze klingen wie aus einem russischen Propagandalehrbuch.
Doch die Doppelgänger-Kampagne ist nicht die einzige Art und Weise, wie Russland offenbar Desinformation verbreitet. Ein weiteres System, das russische Narrative befeuert, heißt Prawda-Netzwerk oder Portal Kombat (PDF). Dahinter stecken fast 200 Websites, deren Quellen vor allem die Social-Media-Konten russischer Schauspieler, russischer Nachrichtenagenturen und oft lokaler Institutionen sind. In einem Artikel wurde die Frage gestellt, ob eine der abgestürzten Drohnen tatsächlich aus Russland stammen könnte, da dieser Drohnentyp nicht in der Lage sei, Polen zu erreichen. Analysten des polnischen Kollektivs Res Futura haben dieses Narrativ in den sozialen Medien oft bemerkt: Die Reichweite der Drohnen sei daher zu gering, um von Russland aus zu starten; sie kamen aus der Ukraine.
Die Cybersicherheitsabteilung von Google beschreibt einen weiteren Desinformationsweg, den Russland im Fall der Drohnenüberflüge gewählt hat: NDP. Hinter dem Akronym verbirgt sich eine Einflusskampagne, die vor allem über eine Publikation läuft, die sich mit der polnischen Innen- und Außenpolitik beschäftigt und seit langem mit prorussischer Propaganda auf sich aufmerksam macht. Das Portal veröffentlichte Artikel, in denen es Polen „Kriegshysterie“ und die Reaktion der NATO als „unverhältnismäßig“ vorwarf.
Sie hätten keine Hinweise darauf gefunden, dass die Drohnenüberflüge und die damit verbundene Desinformation im Vorfeld koordiniert worden seien, sagte Hultquist. Man kann sich das Ganze wahrscheinlich eher wie ein gut geöltes System vorstellen, in dem die Desinformationsteams auch ohne besondere Vorbereitung wissen, wie sie auf eine Aktion wie die Drohnenüberflüge reagieren sollen.