Im Oktober wurde der deutsche Öltanker „Annika“ sicher zurück in den Ostseehafen Rostock geschleppt, nachdem er nur eine Stunde nach seiner Abfahrt Feuer gefangen hatte. Es kam niemand zu Schaden und Umweltschäden konnten abgewendet werden.
Laut der Umweltorganisation Greenpeace sind die deutschen Ostseeküsten einer ständigen Bedrohung ausgesetzt, ohne dass die Öffentlichkeit davon Notiz nimmt. Tagtäglich fahren marode russische Öltanker in internationalen Gewässern durch die Ostsee.
Nicht nur die Umweltorganisation macht sich Sorgen um die Küstenregion. Daniel Schneider ist Vorsitzender der Meerespolitischen Fraktion im Bundestag der SPD. „Das Durchschnittsalter der Tanker ist sehr hoch“, sagt Schneider gegenüber der DW. „Sie sind etwa 16 bis 17 Jahre alt. Sie sind schlecht gewartet und weisen daher viele technische Mängel auf. Vor allem aber sind sie auch unzureichend versichert. Wir haben bereits mehrere Hundert Schiffe auf der Sanktionsliste, und diese Liste muss es sein.“ erweitert.“ Er fordert außerdem eine verstärkte Zusammenarbeit mit einigen Staaten wie Panama oder Griechenland, unter deren Flagge viele der alten Tanker registriert sind. Schneider argumentiert, dass diese Staaten seeuntüchtigen Schiffen ohne ausreichende Versicherung die Erteilung einer Genehmigung verbieten sollten.
Greenpeace hat eine Liste von Schiffen mit einer Länge von mehr als 180 Metern (590 Fuß) zusammengestellt, die dringend außer Dienst gestellt werden sollten. 192 von ihnen hatten keine Versicherung und waren in den vergangenen anderthalb Jahren mindestens einmal auf der Ostsee unterwegs. Ihr Ziel ist meist: Indien oder China. Der Schifffahrtsweg nordöstlich von Rostock gilt als das schwierigste und gefährlichste Gebiet der Ostsee. Dennoch fahren die Schiffe laut Greenpeace meist ohne örtliche Unterstützung oder Lotsen.
Greenpeace fordert EU-Sanktionen. „Sobald diese Tanker auf der Sanktionsliste stehen, werden sie nicht mehr für russische Ölexporte eingesetzt. Und genau das brauchen wir jetzt“, argumentiert Greenpeace-Aktivist Thilo Maack.
Nach Beginn der umfassenden Invasion der Ukraine im Jahr 2022 wurden von westlichen Ländern, insbesondere von der Europäischen Union, weitreichende Sanktionen gegen Russland verhängt. Experten argumentieren jedoch, dass dies kaum dazu beigetragen hat, das Volumen der russischen Rohölexporte zu verringern. Russland soll eine ganze Flotte von Schiffen zusammengestellt haben, die unter der Flagge anderer Länder fuhren. Sie unternehmen „abenteuerliche“ Aktionen auf offener See, wie Maack es nennt, indem sie Öl von einem Schiff auf ein anderes umfüllen, um seine russische Herkunft zu verschleiern. Nach Maacks Schätzungen hat Russland rund zehn Milliarden Euro in eine Flotte marode Tanker investiert.
Russlands „Schattenflotte“
Während der gesamte Schiffsverkehr auf der Ostsee seit 2022 zurückgegangen ist, ist der Verkehr der russischen „Schattenflotte“ um 70 % gestiegen.
Auch in Dänemark wächst die Sorge. Im Sommer hatte die Regierung in Kopenhagen angekündigt, prüfen zu wollen, ob der Verkehr russischer Tanker eingeschränkt oder sogar verboten werden könne. Die Regierung in Moskau beharrte umgehend auf alten Abkommen zur Freiheit der Schifffahrt in internationalen Gewässern, etwa dem Kopenhagener Übereinkommen von 1857, das festlegt, dass alle dänischen Meerengen für die gesamte Handelsschifffahrt frei sind.
Nun haben die Regionalregierungen im Nordosten Deutschlands beschlossen, das Bewusstsein zu schärfen und nach Handlungsmöglichkeiten zu suchen, um die Zahl der havarierten Öltanker, die unkontrolliert über die Ostsee fahren, einzudämmen.
Dieser Artikel wurde ursprünglich auf Deutsch verfasst.
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