Am 5. November schaut die ganze Welt auf die USA. Doch sollte Donald Trump die Wahl verlieren, könnte es erneut großes Chaos geben. Die Republikaner bereiten den Aufstand seit Monaten vor.
Washington, D.C. – Noch rund sieben Wochen sind es, bis die Welt weiß, ob Donald Trump oder Kamala Harris ins Weiße Haus gewählt wird. Bis die Stimmen ausgezählt sind, geben die US-Fernsehsender auf überdimensionalen Touchscreens die Bundesstaaten den Demokraten oder Republikanern zu – und weisen bei knappen Ergebnissen darauf hin, dass der Bundesstaat „too close to call“ sei, also zu nahe, um den Ausgang vorherzusagen.
Derzeit wächst in den USA die Angst, dass in sieben Wochen, nach der Präsidentschaftswahl, womöglich noch gar nicht feststeht, wer der neue Präsident des Landes wird. Denn die Republikaner könnten – ähnlich wie bei der Wahl 2020 – das Ergebnis anfechten, wenn sie verlieren.
US-Wahl im November: Republikaner sprechen bereits von Wahlbetrug
Die Vorbereitungen laufen bereits, wie die britische Zeitung Der Wächter berichtete. Im März dieses Jahres weigerten sich Mitglieder des fünfköpfigen Wahlausschusses in Fulton County, Georgia, die Ergebnisse der republikanischen Präsidentschaftsvorwahlen zu akzeptieren. Die beiden Mitglieder, beide Republikaner, forderten von den Wahlbeamten mehr Informationen, darunter Aufzeichnungen über die Aufbewahrungskette der Stimmzettel.
Im Mai wiederholte sich das Vorgehen bei einer weiteren Vorwahl, und erneut wurde die Herausgabe zusätzlicher Informationen gefordert. Zudem verklagte Julie Adams, eines der beiden Mitglieder des Wahlausschusses, gemeinsam mit einer Trump nahestehenden Gruppe die Bezirksverwaltung und forderte einen Richter auf, die Wahl nicht anzuerkennen.
Wahlen in den USA: Brisante Trump-Aussage sorgt für Aufschrei
Die Wahl wurde in einem aufwändigen Verfahren bestätigt. Doch Anfang August erließ der republikanisch kontrollierte Wahlausschuss in Georgia eine neue Regel. Demnach müssen Mitglieder der lokalen Wahlausschüsse eine nicht näher definierte „angemessene Untersuchung“ aller potenziellen Unstimmigkeiten durchführen, bevor sie die Wahl bestätigen können. Dies könnte den Ausgang der US-Wahl 2024 deutlich verzögern.
Der Fall Fulton County und die neue Regelung in Georgia könnten eine Generalprobe dafür gewesen sein, was Trump und seine Verbündeten planen, falls sie die Wahl im November verlieren. Der ehemalige US-Präsident hatte in den vergangenen Monaten immer wieder betont, dass er Wahlergebnisse möglicherweise anfechten werde. Zudem hatte er Ende Juni dieses Jahres erklärt, Christen müssten im Falle eines Wahlsieges „nie wieder wählen“. Die Aussage löste in den USA einen politischen Aufschrei aus.
Wahlen in den USA: Republikaner kopieren Taktik aus US-Wahl 2020
Beobachter gehen davon aus, dass Trumps Vorgehen bei der US-Wahl 2024 auch auf seiner Taktik bei der Wahl 2020 basieren könnte. Auch damals hatte er bereits Monate vor dem Wahltag begonnen, Zweifel an der Integrität der Präsidentschaftswahl zu säen. Doch es gibt auch Unterschiede im Vergleich zu den Wahlen vor vier Jahren. Trump und sein Team sind deutlich erfahrener und deshalb besser vorbereitet. Das Republican National Committee behauptete jüngst, 100.000 Wahlbeobachter rekrutiert zu haben, die bei der Stimmabgabe und Stimmenauszählung für Störungen sorgen könnten, so die Befürchtung.
Noch wichtiger ist, dass die Vorstellung, die Wahl könnte manipuliert worden sein, nicht mehr nur von einigen Republikanern vertreten wird, sondern inzwischen von der Mehrheit. Eine Umfrage des gemeinnützigen Public Religion Research Institute ergab, dass zwei Drittel der Republikaner glauben, die Wahl 2020 sei manipuliert worden. Während des Republikanischen Parteitags im Juli dieses Jahres sagte Trump in einem Video: „Das Wichtigste, was wir tun müssen, ist, die Wahl zu schützen. Man muss die Augen offen halten, denn diese Leute wollen betrügen und das tun sie auch, und ehrlich gesagt ist es das Einzige, worin sie gut sind.“
US-Wahl im November: Zwei Drittel der Republikaner glauben, dass die Wahl gestohlen wurde
Die Tatsache, dass die Wahl manipuliert wurde, ist mittlerweile zu einer Standardposition der Republikaner geworden. Die im Jahr 2020 gesäten Zweifel werden nun 2024 aufblühen. Viele Republikaner behaupten derzeit, dass die Wählerlisten nicht existierende Personen und Einwanderer enthalten, die am 5. November kein Wahlrecht haben. Die Partei drängt auf ein Gesetz, das bei der Wählerregistrierung einen Staatsbürgerschaftsnachweis verlangt.
Ein solches Gesetz könnte dazu führen, dass Millionen Wahlberechtigte ihre Stimme nicht abgeben können. Fast jeder zehnte Wahlberechtigte, insgesamt 21 Millionen Amerikaner, besitzt keine Dokumente, die seine Staatsbürgerschaft beweisen. Zu diesem Ergebnis kommt eine in diesem Jahr veröffentlichte Studie.
Es ist unwahrscheinlich, dass ein solcher Gesetzesentwurf den Senat passieren würde, doch derartige Vorschläge verstärken den Eindruck, dass mit der US-Präsidentschaftswahl etwas nicht stimmt. Auch die Tatsache, dass die Demokraten Harris so spät im Wahlkampf zu ihrer Präsidentschaftskandidatin erklärten, wurde von den Republikanern als illegitim dargestellt und gar als „Putsch“ bezeichnet.
Wahlen in den USA: Vorbereitungen für mögliche Wahlniederlage laufen
Seit mehreren Monaten reichen die Republikaner zudem in verschiedenen Bundesstaaten Klagen ein, um den Eindruck zu erwecken, die Wählerlisten in mehreren Swing States seien nicht korrekt. Ziel all dessen ist es, die Glaubwürdigkeit der Wahlbehörden zu untergraben. Je unsicherer die Amerikaner sind, desto leichter lässt sich ihnen das Narrativ einer gestohlenen Wahl in den Kopf setzen.
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Für weitere Unsicherheit könnte sorgen, dass in zwei wichtigen Swing States, Wisconsin und Pennsylvania, die Wahlhelfer erst am Wahltag mit der Auszählung der Briefwahlstimmen beginnen dürfen. So lange könnte es in beiden Staaten, wo Harris und Trump laut Umfragen Kopf an Kopf liegen, bis ein Ergebnis vorliegt. Auch eine Taktik aus dem Jahr 2020 könnte hier wieder zum Einsatz kommen: Die zahlreichen von den Republikanern angeworbenen Wahlbeobachter könnten vermeintliche Beweise sammeln, mit denen Trump und sein Wahlkampfteam die Wahl anfechten könnten. In Arizona hatten Beobachter 2020 falsche eidesstattliche Erklärungen abgegeben, wonach Stimmzettel wegen der Art der verwendeten Stifte für ungültig erklärt worden seien.
Trump vs. Harris: Republikaner üben Druck auf Wahlprüfer nach US-Wahl 2020 aus
Ähnliche Berichte gab es damals aus Georgia, wo Wahlbeobachter angeblich aus den Einrichtungen verwiesen wurden. In Michigan berief sich Trumps Team auf einen „Zwischenbericht“ einer Wahlbeobachterin, die behauptete, sie habe gehört, wie Mitarbeiter Anweisungen zum Zählen eines abgelehnten Stimmzettels gegeben hätten. Trump übte zudem Druck auf Wahlprüfer aus, die Wahl nicht anzuerkennen.
In Wisconsin war der Oberste Gerichtshof des Staates nahe daran, die Zertifizierung der Wahlergebnisse zu blockieren. Trump rief den damaligen Gouverneur Doug Ducey in Arizona an und übte Druck auf ihn aus, die Wahlergebnisse nicht zu zertifizieren. In den darauffolgenden Jahren kam es immer wieder zu Fällen, in denen Beamte sich weigerten, die endgültigen Ergebnisse anzuerkennen. In den meisten Fällen urteilten dann Gerichte und die Ergebnisse wurden bestätigt. Doch dies verstärkte die Zweifel in den Köpfen vieler republikanischer Anhänger. So etwas wirke wie „Treibstoff für Verschwörungstheorien“, sagte Ben Berwick, Anwalt der gemeinnützigen Organisation Protect Democracy, der Wächter.
Präsidentschaftswahl im November: US-Demokratie ist defensiver geworden
Ein weiteres Problem könnte sein, dass mögliche Verzögerungen den engen Zeitplan durcheinanderbringen könnten. Die Bundesstaaten müssen bis zum 11. Dezember offizielle Wahlergebnisse vorlegen, sechs Tage vor der Sitzung des Wahlkollegiums. Eine Verzögerung könne „heikle Rechtsfragen und Spielraum für Tricksereien eröffnen“, fürchtet Berwick.
Doch es gibt auch gute Nachrichten: Die US-Demokratie ist in den vergangenen Jahren widerstandsfähiger geworden. Ein Ende 2022 vom Kongress verabschiedetes Gesetz bietet neuen Schutz vor Wahlbetrug. Es verhindert, dass Trump und seine Verbündeten in Swing States falsche Wählerlisten einreichen, wie sie es nach der Wahl 2020 getan haben. Juristen und demokratische Aktivisten hatten zudem vier Jahre Zeit, um die Schwächen des Wahlsystems zu untersuchen, auf die Trump und sein Team es möglicherweise abgesehen haben. Unklar ist freilich noch, wie genau die Tage und Wochen nach der Präsidentschaftswahl 2024 aussehen werden. Es besteht jedoch noch Hoffnung, dass sich die Befürchtungen vieler Beobachter der US-Politik nicht bewahrheiten. (fmu)