Porträt
Er setzte Meilensteine im Bergsteigen und etablierte ein riesiges Geschäftsmodell – nun wird Reinhold Messner 80. Er war vielleicht nicht immer der beste Bergsteiger, aber er war der beste Geschichtenerzähler.
Den Mount Everest ohne Sauerstoffmaske besteigen, als Erster die höchste Felswand der Welt durchklettern, die Rupalflanke am Nanga Parbat erklimmen, einen Achttausender im Alleingang bezwingen – all diese Herausforderungen galten vor Reinhold Messner als unmöglich. Er hat es gewagt und geschafft. Grenzen zu verschieben war schon immer Reinhold Messners Antrieb.
Er bestieg Berge auf der ganzen Welt und setzte sich für den Erhalt alpiner Wildnis ein. Von 1999 bis 2004 saß er für die italienischen Grünen im Europaparlament. Die Kommerzialisierung des Höhenbergsteigens am höchsten Berg der Welt, dem Mount Everest, kritisierte er als „Pistenalpinismus“. Mit einer eigenen Stiftung unterstützte er die Menschen in den Tälern des Himalaya, etwa durch den Bau von Schulen und Krankenstationen.
Messner hat mehr als 80 Bücher veröffentlicht, unzählige Vorträge gehalten und in den letzten Jahren auch als Filmregisseur gearbeitet. Berge als Raum für Abenteuer, Träume und die großen Fragen der menschlichen Existenz – das ist sein Verkaufsprodukt.
Geschäftsmodell im großen Stil
Bis heute verbindet ihn die breite Öffentlichkeit mit seinen großen Leistungen auf den höchsten Bergen der Welt. Zwischen 1970 und 1986 bestieg er alle 14 Achttausender. Dabei verzichtete er auf Flaschensauerstoff, was beim Höhenbergsteigen einen großen Unterschied macht.
Messner ist nicht in erster Linie durch das Bergsteigen berühmt geworden, sondern durch das Geschichtenerzählen. Er weiß: Wer große Wände erklimmt, aber nicht darüber berichtet, gerät außerhalb der Bergsteigerblase schnell in Vergessenheit. Seit seinen frühen Arbeiten sieht er das Bergsteigen nicht nur als sportliche Höchstleistung, sondern als „Geschichtenerzählen“, wie er es ausdrückt. „Keine Sportart hat so viel Literatur hervorgebracht wie das traditionelle Bergsteigen“, sagt er.
Messner war vielleicht nicht immer der beste Bergsteiger. In der Kunst des Geschichtenerzählens war er über Jahrzehnte unübertroffen. Er war der erste Mensch, der im großen Stil mit den Bergen ein Geschäftsmodell aufbaute.
Bergsteiger und Bühnenpersönlichkeit
Damit trat Messner in die Fußstapfen eines seiner großen Vorbilder, des österreichischen Bergsteigers Paul Preuß. Dieser hatte vor dem Ersten Weltkrieg zahlreiche Erstbesteigungen verbucht und war zudem ein gefragter Alpinautor und -redner. Seine Diavorträge galten damals als Sensation.
Messner hat dieses Prinzip perfektioniert: Seine Verkörperung als Bergsteiger, freier Autor und charismatische Bühnenpersönlichkeit ist bis heute Messners Alleinstellungsmerkmal. Für ihn gehören Klettern und Schreiben seit seiner Jugend zusammen. In beidem ist er talentiert, fleißig und äußerst ehrgeizig. Hinzu kommt seine streitbare Natur: Kaum etwas motiviert Reinhold Messner mehr als Widerspruch.
Als Gymnasiast am katholischen Internat in Südtirol war Anfang der 1960er Jahre Deutsch sein stärkstes Fach. Doch statt still im Studiensaal zu sitzen, bestieg er die Matterhorn-Nordwand – im Winter. Das führte zum Konflikt mit den Lehrern, und der junge Messner fiel beim Abitur in Deutsch durch. Welche Konsequenzen er daraus zog und wie sich sein Leben mit den Bergen entwickelte, berichtet er in einer Audiodokumentation von BR.
„Sie nageln viel zu viel und klettern viel zu wenig“
Neben Versuchen als Aushilfslehrer und einem Studium der Vermessungskunde verdiente Messner sein erstes Geld mit Zeitungsartikeln über seine Touren in den Dolomiten. „Mord am Unmöglichen“ lautet ein Titel. Darin kritisierte Messner die damals moderne Entwicklung des Kletterns an Felswänden mittels technischer Hilfsmittel, also indem man sich an Haken und Strickleitern festhielt statt am Fels selbst. „Die Leute nageln viel zu viel und klettern viel zu wenig“, schrieb Messner – und löste damit eine Debatte innerhalb der Klettergemeinde aus.
Nach der schicksalshaften Expedition zum Nanga Parbat 1970, bei der sein Bruder Günther ums Leben kam, verklagte Messner den Expeditionsleiter Karl Maria Herrligkoffer. Ein Streitpunkt war der Expeditionsvertrag, der Herrligkoffer alle Buch- und Vermarktungsrechte zusprach. Messner focht den Vertrag an, veröffentlichte sein eigenes Buch – und verlor. „Die rote Rakete am Nanga Parbat“ durfte erst Jahrzehnte später wieder verkauft werden.
Vor allem in den 1970er und 1980er Jahren folgten seine Aktivitäten einem Zyklus: Kaum war er von einer Expedition zurückgekommen, setzte er sich hin und schrieb ein Buch. Dann ging er auf Vortragstour, um das Buch zu vermarkten. Mit dem Geld finanzierte er die nächste Expedition. Zudem jonglierte er mit Medien, Sponsoren und der Alpinindustrie. Nach den Achttausendern unternahm er Expeditionen zu den Polen und durch die Wüste Gobi. Später kritisierte Messner den Kommerzialismus in den Alpen sowie den Expeditionstourismus am Mount Everest.
Reinhold Messner während der Durchquerung der Antarktis 1989/1990 zusammen mit dem Polarforscher Arved Fuchs.
Zahlreiche Museen in Südtirol
In den 1990er Jahren wagte Messner den nächsten Schritt: Trotz anfänglicher Widerstände gelang es ihm, mehrere Museen zum Thema Berge zu eröffnen. Mittlerweile gibt es insgesamt sechs davon, verteilt auf die italienischen Provinzen Belluno und Südtirol. Geleitet werden sie inzwischen von seiner Tochter Magdalena Messner.
Ein derzeit im Bau befindliches siebtes Museum bei Sexten wird nicht im Verbund der Messner Mountain Museen betrieben. Wofür es genau genutzt werden soll, ist noch unklar.