Die umstrittene Rentenreform hat in Frankreich zu monatelangen Massenprotesten geführt. Nun stoppt Premierminister Lecornu die Reform vorerst – und geht einen Schritt auf die Opposition zu. Ein Ausweg aus der politischen Krise?
Der französische Premierminister Sébastien Lecornu setzt die umstrittene Rentenreform von Präsident Emmanuel Macron aus. Wie er in seiner Regierungserklärung ankündigte, wird die Anhebung des Rentenalters auf 64 Jahre bis Januar 2028 auf Eis gelegt. „Mit dieser Aussetzung soll das nötige Vertrauen geschaffen werden, um neue Lösungen zu entwickeln“, sagte Lecornu vor Mitgliedern der Nationalversammlung in Paris.
Lecornu forderte eine erneute Debatte über die Reform des Rentensystems. Das System muss langfristig im Gleichgewicht bleiben und darf das ohnehin hohe Staatsdefizit Frankreichs nicht noch vergrößern. „Die Kosten des Rentensystems werden im Jahr 2026 400 Millionen Euro und im Jahr 2027 1,8 Milliarden Euro betragen. Von dieser Aussetzung werden letztendlich 3,5 Millionen Franzosen profitieren.“ Es muss finanziell ausgeglichen werden, auch durch Sparmaßnahmen.
Überlebt Lecornu Misstrauensvotum?
Die Ankündigung erhöht die Chancen des Premierministers, ein Misstrauensvotum zu überleben, über das am Donnerstag im Parlament abgestimmt werden soll. Frankreichs Linkspartei und die nationale Rechte hatten bereits vor der Regierungserklärung zwei Misstrauensanträge eingereicht und angekündigt, die Regierung auf jeden Fall stürzen zu wollen. Auch der rechte Rassemblement National (RN) erklärte, er werde für den Vorschlag der Linkspartei stimmen.
Die Sozialisten hatten die Duldung der neuen Regierung inzwischen davon abhängig gemacht, ob Lecornu die Aussetzung der umstrittenen Rentenreform befürwortet. Dies gaben die Sozialisten 40 Minuten vor Beginn der Rede von Lecornus in einer Erklärung bekannt.
Macrons Reform führte dazu Massenproteste
Die Rentenreform, die im Frühjahr 2023 ohne Abstimmung im Parlament verabschiedet wurde, führte in Frankreich zu monatelangen Massenprotesten. Das Schlüsselprojekt von Macrons zweiter Amtszeit wurde mit einer Lücke in der Pensionskasse begründet. Mit der Reform erhöht sich das frühestmögliche Renteneintrittsalter stufenweise von 62 auf 64 Jahre. Das Renteneintrittsalter ist mittlerweile auf 62 Jahre und neun Monate angehoben. Wer jedoch nicht lange genug eingezahlt hatte, musste länger arbeiten, um Anspruch auf die volle Rente zu haben.
Lecornu reichte letzte Woche seinen Rücktritt ein, wurde aber von Macron erneut zum Regierungschef ernannt. Seine neue Regierung ist die vierte seit den Parlamentswahlen im vergangenen Jahr. Die Wahl brachte keine klaren Mehrheiten in der Nationalversammlung. Der Rassemblement National fordert vorgezogene Parlamentswahlen, die linke Partei La France Insoumise will den Rücktritt Macrons, der nun auch in den eigenen Reihen in der Kritik steht.