Bundeskanzler Merz forderte im Bundestag eine stärkere militärische Stärke Europas. Nur so könne man eine Kraft für den Frieden sein, sagte er in seiner Regierungserklärung vor dem EU-Gipfel nächste Woche.
Bundeskanzler Friedrich Merz sieht in der Einigung über den Gaza-Friedensplan von US-Präsident Donald Trump einen Aufruf an Europa, sich international noch stärker zu engagieren. Seit Montag gebe es wieder Hoffnung auf echten, dauerhaften Frieden in der Region, sagte der CDU-Chef in einer Regierungserklärung im Bundestag und beim EU-Gipfel. Die Staats- und Regierungschefs der EU treffen sich nächste Woche am Donnerstag und Freitag.
Dies sei „möglich, weil Staaten und Führer zusammengearbeitet haben und weil sie keinen Zweifel an ihrer Entschlossenheit gelassen haben, diesen schrecklichen Krieg zu beenden.“ Die Staatsoberhäupter der USA, Katars, Ägyptens und der Türkei hatten ein Dokument unterzeichnet, das den aktuellen Waffenstillstand zwischen Israel und der radikalislamischen Terrororganisation Hamas festigen soll.
Merz: Friedensplan für Gaza als Chance für Europa
Merz sagte, man habe gesehen, was möglich sei, wenn die internationale Gemeinschaft zusammenarbeite. Politisches Handeln macht einen Unterschied in dieser Welt, „zum Guten oder zum Schlechten“.
Laut Merz soll der Friedensplan für Gaza auch eine Chance für Europa sein, „sich unserer eigenen Verantwortung zu stellen und noch entschiedener zu handeln“. Europa müsse seine Chancen „entschlossener und geeinter nutzen und seine Kraft nutzen, um die Welt zum Besseren zu gestalten“.
„Als Gruppe haben wir alle Möglichkeiten“
Eine der „historischen Lehren“ aus der europäischen Geschichte lautet: „Jedes einzelne europäische Land ist wirtschaftlich und politisch zu klein, um das Weltgeschehen wirklich mitbestimmen zu können. Aber gemeinsam mit allen haben wir alle Möglichkeiten, die Entwicklung der Welt zum Besseren zu gestalten.“
Eine Friedenstruppe zu sein – Merz betonte den zweiten Teil des Wortes – bleibe der Grundgedanke der EU und sei auch ein zentraler Gründungsgedanke der Bundesrepublik Deutschland. Frieden in Freiheit kann nur dort gelingen, wo der Frieden auf wirtschaftlicher und politischer Stärke und Entschlossenheit sowie militärischer Stärke beruht.
„Denn in dieser immer rauer werdenden Welt gilt: Nur Stärke erhält den Frieden. Und Schwäche lässt den Frieden scheitern“, fügte Merz hinzu.
Anlass für die Aussage von Merz ist der EU-Gipfel nächste Woche in Brüssel. Im Mittelpunkt des Spitzentreffens stehen neben der Lage im Nahen Osten auch der Krieg in der Ukraine und die Bedrohung durch Russland.
Plan gegen Russlands hybride Kriegsführung angekündigt
Merz kündigte an, dass die Bundesregierung auf die hybride Kriegsführung Russlands mit einem umfassenden Aktionsplan zur Abwehr hybrider Bedrohungen reagieren wolle. Der Nationale Sicherheitsrat wird in wenigen Tagen auf seiner konstituierenden Sitzung über einen solchen Plan beraten.
Merz warf Russland vor, mit Sabotage, Spionage und Mord, mit Cyberangriffen und gezielter Desinformation Deutschland und Europa destabilisieren zu wollen – „auch aus Ihren Reihen“, wie Merz mit Blick auf die AfD-Fraktion sagte.
„Putin hat sich verrechnet“
Deutschland wird die „Offensive der Unsicherheit“ des russischen Präsidenten Wladimir Putin abwehren. Putin habe sich verrechnet, sagte Merz. „Wir werden keine Angst haben. Wir werden uns dagegen wehren.“
Die Kanzlerin betonte zudem die anhaltende Unterstützung für den „mutigen Abwehrkampf“ der Ukraine. Der Europäische Rat wird darüber diskutieren, wie der Druck auf Russland weiter erhöht werden kann, um Friedensverhandlungen mit der Ukraine aufzunehmen. Dies soll ergänzend zum derzeit verhandelten 19. Sanktionspaket geschehen.
Merz schlug außerdem vor, die eingefrorenen Vermögenswerte der russischen Zentralbank zu nutzen, um der Ukraine insgesamt 140 Milliarden Euro an zinslosen Krediten zu gewähren. Diese zusätzlichen Mittel dienen ausschließlich der Finanzierung militärischer Ausrüstung. Die Ukraine sollte die Kredite erst zurückzahlen, wenn Russland Reparationszahlungen leistet.
AfD und Linke kritisieren Bundesregierung
In der anschließenden Debatte übten Vertreter der Opposition deutliche Kritik an Merz. Der Linken-Fraktionsvorsitzende Sören Pellmann warf der Bundesregierung und der EU vor, zu stark auf Aufrüstung zu setzen. „Eine Aufrüstung dieser Größenordnung liegt nicht im Interesse der Bewohner der Europäischen Union“, sagte er. Auch auf EU-Ebene gehe es vor allem um „Aufrüstung, Aufrüstung und Aufrüstung“. Die Linke lehnt dies ab. Stattdessen muss das in Europa weit verbreitete soziale Elend ins Zentrum der Politik rücken.
AfD-Chefin Alice Weidel kritisierte die Ankündigung der Bundesregierung, mindestens 200 Millionen Euro Soforthilfe für den Wiederaufbau des Gazastreifens bereitzustellen. Die Regierung wolle einen dreistelligen Millionenbetrag „für einen vagen Wiederaufbau verschwenden, obwohl noch niemand weiß, wer künftig in Gaza das Sagen hat“, sagte Weidel. „Sie werfen Geld herum, das sie nicht haben. Geld, das sie den Bürgern vorenthalten. Geld, das sie der arbeitenden Bevölkerung durch Rekordsteuern und -abgaben wegnehmen.“